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Friedrich Kleinhempel
Glashüttes größter Sohn

Der Glastechniker und Erfinder Reinhold Burger (1866-1954)

Am 12. Januar 1866 in Glashütte nahe dem Märkischen Städtchen Baruth geboren, sollte der begabt und lernbegierig heranwachsende Reinhold Burger bald in die Glasmacher-Holzpantinen schlüpfen.
     Schon sein Vater und sein Großvater verdienten ihr Brot in der Glasfabrik der Grafen zu Solms-Baruth im Fabrikdörfchen Glashütte. Zwischen Baruth und Rietzneuendorf im moorfließdurchzogenen Urstromtal am Nordrand des Niederen Fläming inmitten ausgedehnter Wälder von Erlen, Eichen, Buchen, Kiefern gelegen, war die Glashütte dort einst in bester Lage errichtet worden. Holz als Brennstoff und zur Pottaschegewinnung war ihr unmittelbar zugewachsen.
     Was sich heute als äußerst anregendes Kultur-, Gewerbe- und Technikmuseum im Grünen präsentiert, wurde als Glashütte seinerzeit vom Grafen Friedrich Siegismund (1696-1738) gegründet, indem er Erlaubnis gab,


Reinhold Burger im Jahre 1903

nach dem verheerenden Sturm von 1715 die großen Mengen Bruchholz seiner Wälder zum Glasschmelzen zu verwenden. Daraufhin baute 1716 der Glasmachermeister Bernsdorff aus Lieberose (Spreewald) einen Schmelzofen auf eine Lichtung, wo der damalige Fahrweg von Klasdorf nach Friedrichshof den heutigen Schulgraben überquerte und wo Jahrhunderte früher schon Glasschmelzöfen gestanden hatten.

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Zum Lernen nach Berlin und Amerika

Reinhold Burger jedoch konnte den Glasmacherberuf nicht mehr im heimischen Glashütte erlernen. Damalige Billigglas-Konkurrenz im neu erschlossenen Lausitzer Braunkohlenrevier ließ die Produktion in Baruth-Glashütte stagnieren. Darum ging der Fünfzehnjährige in die Lehre nach Berlin zu C. A. F. Geissler & Sohn. Als ausgebildeter Glastechniker arbeitete er dann weiter in Berlin bei Siemens & Halske, wo ihm besonders daran lag, seine technischen Kenntnisse und Fertigkeiten zu vertiefen.
     Die damals schon weltweiten Siemensschen Geschäftsbeziehungen mögen Burger angeregt haben, nach Amerika zu reisen. Ab 1890 arbeitete er während zweier USA-Aufenthalte in New York, Brooklyn, Boston, Philadelphia und Chicago. Zur zweiten Überfahrt hatte der strebsame junge Glashandwerker spezielle Gerätschaften mitgenommen und hätte sich wohl gern in Amerika unternehmerisch etabliert, doch mangelte es am Startkapital. Als ihn aus Berlin ein Angebot erreichte, in einen Lehrbetrieb als Teilhaber einzutreten, kam er alsbald zurück. Allerdings gründete er 1894 hier in Berlin dann doch seine eigene Firma, die er in einem langen, erfüllten Techniker-, Erfinder- und Unternehmerleben bis zu seinem Tode am 21. Dezember 1954 selbst leitete. Bis 1982 existierte das Burgersche Unternehmen noch weiter als Familienbetrieb. Der Städtische Friedhof Pankow an der Schönholzer Heide ist Reinhold Burgers letzte Ruhestätte.

Zusammenarbeit mit Medizin und Wissenschaft

Zunächst jedoch in der Novalisstraße dicht am Oranienburger Tor in Berlin N. 4, wenig später in unmittelbarer Nähe in der Chausseestraße Nr. 2 E, dann Nr. 8 und ab 1927 in Pankow, war »R. Burger & Co.« die erste Glasinstrumentenfabrik ihrer Art in Berlin. In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern, auch Medizinern der Charité, schuf Burger teils neuartige Glasapparaturen. Zur Produktpalette gehörten im Laufe der Zeit Thermometer, Laborgefäße und -geräte wie Zylinder, Kochflaschen, Abdampfschalen, ferner Wasserstandsröhren, Vakuumpumpen und -gefäße, Gasentladungsröhren, Experimentiergeräte für den Physikunterricht höherer Schulen und vielfältige medizinische Diagnose- und Therapiegeräte, darunter der 1927 patentierte Kaltrotlicht-Bestrahlungsapparat. Die Herstellung der sensationellen Röntgenröhren (Deutsches Reichspatent Nr. 129974 von 1901) wurde fast von Anfang an Burgers Spezialität. Das Wissen um uralte Glashüttenerfahrungen im Verbund mit seiner profunden Ausbildung in den USA, neueste glastechnische Erkenntnisse aus England und des 1884 in Jena gegründeten, bald international führenden glastechnischen Laboratoriums von Schott & Genossen, welche auch zur Herstellung neuartiger Glasqualitäten (Jenaer Glas) führten, zählten zu Burgers wissenschaftlich-technologischen Voraussetzungen.

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Vor dem Ersten Weltkrieg beschäftigte er bis zu vierzig Mitarbeiter.

Röhren für Röntgen von Burger entwickelt

Überliefert ist Reinhold Burgers Zusammenarbeit mit Wilhelm Conrad Röntgen (1845-1923), dem ersten Nobelpreisträger für Physik, 1901 überhaupt. Der Entdecker der später nach ihm benannten X-Strahlen hatte als Professor in Würzburg 1895 die geheimnisvollen, alles durchdringenden Strahlen bei Experimenten mittels einer »Entladungsröhre« gefunden. Der unermüdliche, erfahrene Tüftler Burger muss ein sehr brauchbarer Forschungspartner für Röntgen gewesen sein, denn der stellte ab 1900 in München Versuche mit Röhren an, die Burger ihm eigens entwickelte und fabrizierte. Dazu mussten in die Glaskörper aus unterschiedlichen Materialdicken unter anderem Anoden und Kathoden mit elektrischen Anschlüssen sowie bleihaltige Schutzschichten eingebaut werden, und das Ganze musste weitgehend luftleer gepumpt und verschlossen sein. Der im Museum Glashütte bewahrte älteste existierende »Röntgenapparat« ist jener von Reinhold Burger geschaffene Typ, mit dem W. C. Röntgen höchstpersönlich experimentiert hat.


Aus einer technischen Zeichnung von 1909 für die Genehmigung der amerikanischen Produktion

Ein altes Foto in der Ausstellung untermauert das. Eine andere Fotoplatte dort zeigt das Handknochenskelett mit Ehering von Röntgens Frau, projiziert von X-Durchstrahlung.

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Die Thermosflasche für den Alltagsgebrauch

Ebenfalls große Bedeutung erlangte eine weitere Burgersche Erfindung: die Thermosflasche! Burger konnte hierfür an Entwicklungen des britischen Chemikers und Physikers Sir James Dewar (1842-1923) anknüpfen. Für die Aufbewahrung tiefgekühlter Materialien (z. B. verflüssigter Gase) hatte Dewar um 1890 die von Adolf Ferdinand Weinhold (1841-1917) schon 1881 konstruierten doppelwandigen, in den Zwischenräumen weitgehend evakuierten Glasgefäße in ihren Wärme-Isolationseigenschaften durch Verspiegelung der Innenwände verbessert. Diese Glasbehälter konnten nur in Holzkisten transportiert werden.
     Schon jahrelang hatte auch Burger die Herstellung doppelwandiger Vakuum-Glasgefäße erprobt. Der Münchener Technikprofessor, Erfinder und Eismaschinenfabrikant Carl von Linde (1842-1934) benötigte dringend für seine verflüssigte Luft von -194,5 °C geeignete isolierende Behälter zur Aufbewahrung und produktiven Anwendung des hervorragenden Kühlmittels, und Burger konnte sie ihm liefern. Er probierte weiter, optimierte und spezialisierte die sogenannten Dewar-Gefäße in vielen Versuchen. Er veränderte die Form, verbesserte das Zwischenwand-Vakuum und die Innenverspiegelung, sodass die Silberschicht nicht mehr abblätterte, gab der Flasche ein

stabiles, leichtes Metallgehäuse, schützte das doppelwandige Glasgefäß und seinen besonders zerbrechlichen Hals durch spezielle Stabilisierung im Gehäuse, machte die Flasche leicht verschließbar und versah sie mit einem aufsteckbaren Trinkbecher. Schließlich war ihm 1903 eine Isolierflasche gelungen, welche für den volkstümlichen Alltagsgebrauch handlich, zuverlässig, nach Bedarf warm oder kühl haltend, weitgehend bruchsicher, leicht zu reinigen und sogar formschön war. Er gab ihr den Namen »Thermosflasche«. Als solche kennen wir sie noch heute, allgegenwärtig in allen Haushalten und unterwegs.
     Anlässlich seines 75. Geburtstages wurde Reinhold Burger vom Reichsrundfunk interviewt; die Aufzeichnung von 1941 blieb erhalten: »Die Erfindung der Luftverflüssigung gab mir Gelegenheit, diese Isolierflasche weiterhin zu verbessern, die die Aufgabe hatte, die Licht- und Wärmestrahlung auf ein Mindestmaß zurückzuführen. Da diese und jene Flasche nicht den Anforderungen genügten, so prüfte ich in Ermangelung von flüssiger Luft die Brauchbarkeit der Gefäße mit heißem Wasser. Dabei kam mir der Gedanke, daß man statt dessen auch Getränke verwenden könnte. Ich nahm eine Reihe von mir hergestellter kleiner kugelförmiger Gefäße und füllte sie mit heißem Kaffee, Tee, Milch und dergleichen. Noch nach 24 Stunden waren die Getränke so gebrauchsfertig, als wären sie eben erst hergerichtet worden...«
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Verkauf des Patents ins In- und ins Ausland

Mit der DRP-Nr. 170057 hatte das Kaiserliche Patentamt 1903 die Patentrechte an der Thermosflasche für Reinhold Burger registriert. Den Namen »Thermosflasche« ließ er 1904 als Warenzeichen schützen. Patentierungen in Frankreich, Großbritannien und den USA folgten bis 1906. Die Thermosflasche errang Goldmedaille und Ehrendiplom auf den Weltausstellungen 1904 in St. Louis (USA) und 1906 in Mailand (Italien).
     Die von Burger 1906 speziell zur Thermosflaschen-Herstellung gegründete Thermos-Gesellschaft m. b. H., Berlin W., warb: »Thermos-Flaschen halten ohne Vorbereitung, ohne Chemikalien, heiße Getränke 24 Stunden heiß, kalte Getränke auch an heißen Sommertagen ohne Eis tagelang eiskalt. Unentbehrlich für Touristen, Reisende, Automobilisten, Radfahrer, Wassersport, Militärs, Luftschiffer, Forstbeamte, Jäger, Bureauu. Fabrik-Angestellte, alle Arbeiter, zur Kinderpflege, zu Brunnenkuren ...« Vielleicht, weil trotz teurer Werbekampagne der Verkauf der neuartigen Gebrauchsgefäße nur schleppend anlief, wahrscheinlich aber, weil Burger viel eher technischer Entwickler denn Kaufmann war, verkaufte er 1909 die Gesellschaft einschließlich des Reichspatentes und des geschützten Warenzeichens an die eigens gegründete Berlin-Charlottenburger Thermos-Aktiengesellschaft für

495 000 Reichsmark - damals eine horrende Summe! Auch nach der Abfindung seines Teilhabers Albert Paul Aschenbrenner, des Fachkollegen aus Glashütte, war Burger damit ein reicher Mann. Die Thermos AG (nachmals VEB Thermos) produzierte ab 1920 im Thüringer Glasbläserort Langewiesen. Die nun aus Serienherstellung billige Thermosflasche verkaufte sich bestens. In Fachgeschäften und Warenhäusern war sie bald zu haben, auch »im 4. Stock bei KaDeWe«, so die Reklame von 1932.
     Ebenfalls 1909 hatte Burger in einem Deal der American Thermos Bottle Company in New York seine Auslandsrechte übertragen. Dieses Unternehmen expandierte bald darauf immens, errichtete Thermosfabriken in den USA, in Kanada, England, Japan, darunter die damals »größte und kompletteste Fabrik der Welt« auf mehr als drei Hektar Fläche mit Bahnanschluss und Hafen in Norwich (Connecticut). Von Amerika aus startete die Burgersche Thermosflasche ihren eigentlichen Siegeszug in die Welt.

Ein Museum für Glashüttes größten Sohn

Eigenartigerweise zählt Reinhold Burger nicht zu den allgemein bekannten Pionieren wissenschaftlich-technischen und industriellen Fortschritts seiner Zeit; Lexika und Schulbücher verzeichnen ihn kaum.

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Hilzheimer schrieb 1994: »Nichts erinnert heute am Haus in der Wilhelm-Kuhr-Str. 3 nahe dem Pankower Rathaus an den einst berühmten Pankower Bürger. Lediglich im Hausflur, dessen verblichene und rissige Deckenbemalung auf einstige bürgerliche Vornehmheit deutet, weist ein dunkelrotes Türschild mit der Aufschrift >Burger & Co.< auf die alte Glasbläserei hin.« Allerdings gibt es im Panke-Museum, der einstigen Wohnung des Fabrikanten Heym in der Heymstraße 8, eine Vitrine mit Burger-Stücken.
     In wesentlich umfassenderen Sinne hat der verdienstvolle Verein Glashütte e. V. in dem komplexen Museumsdorf Glashütte dem so tüchtigen und genialen Glashandwerker, unermüdlichen Forschungstechniker, Tüftler und Erfinder, Glashüttes großem Sohn, mit dem Burger-Museum in der ehemaligen Hütten-Glasschleiferei ein würdiges Denkmal gesetzt. Dem Verein ist es gelungen, den gesamten Nachlass als Dauerleihgabe der Familie Burger zu erwerben, bestehend aus der Werkstatt des Erfinders, aus Dokumenten, Patentschriften, einzigartigen Thermosgefäßen original von Burgers Hand und aus aller Welt, Burgers frühen Vakuumpumpen und medizinisch-technischen Apparaturen, darunter als Juwel Burgers erste Original-Röntgenröhre. - Von Berlin sind es kaum 50 Autobahnkilometer bis zu diesem aspektreichen musealen Kleinod im Walde, wo im »Lernort Glashütte« höchst interessante, lehrreiche und vergnügliche Aktivitäten für die ganze Familie möglich sind.
Quellen:
1 F. Hellwig-Baruth, Baruth, Stülpe und der Golm, in: Pestalozzi-Verein der Provinz Brandenburg, Hrsg. Die Provinz Brandenburg in Wort und Bild, Verlag von Julius Klinkhardt, Berlin, 1900, S. 425 ff. 2 Achim Hilzheimer, Erfinder der Thermosflasche, Berlinische Monatsschrift 10/1994, S. 106
3 Volker Köhler, »Hält Heißes heiß und Kaltes kalt«, Die Geburt der Thermosflasche aus dem Geist des Handwerks, in: Heimatkalender für den Landkreis Teltow-Fläming 1993. Ref. In der Ausstellung Thermos, Reinhold Burger, Verein Glashütte e. V., Glashütte, o. J.
4 http://www.dhm.de/museen/pankow/burger.htm
5 Gerrit und Karin Friese, Glashütten in Brandenburg, Eberswalde-Finow, 1992, S. 56
6 Schriften des Vereins Glashütte e.V. und Partner, Lernort Glashütte, EXPO 2000 HANNOVER, Registriertes Projekt der Weltausstellung; Natur-Kultur-Lehrpfad & Ortslage Glashütte; Museumsdorf Glashütte, Veranstaltungen 2000; Glashütte, Epochen aus Glas und Backstein 1716-1989, Glashütte Edition Nr. 1

Bildquelle: Nachlass Burger, Burger-Museum im Museumsdorf Glashütte, mit freundlicher Genehmigung

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 4/2001
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