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Hans-Peter Doege
Prunkvolle Räume a la Ravené

Das Haus Werftstraße Nr. 7

Ende des 18. Jahrhunderts betrieb Louis Ferdinand Jacob Ravené (1751-1828) in Berlin eine Eisenwarenhandlung. Er war der Sohn eines eingewanderten Lothringers. Im Laufe der Jahrzehnte wuchs die Handlung zu einem riesigen Unternehmen mit Filialen in Berlin und Hamburg.
     Ursprünglich wohnte die Familie in der Grünstraße mitten in der Stadt. Erst als Louis Friedrich Jacob Ravené (1823-1879), nach seinem Vater Peter Luis Ravené (1793-1861) der bereits als Kunstsammler und Mäzen bekannt war, 1862 das Geschäft als alleiniger Inhaber übernahm, entsprach die Stadtwohnung nicht mehr seinen Bedürfnissen. Er ließ daher 1863/64 durch die Architekten Ende & Böckmann ein Grundstück für seinen Wohnsitz suchen und fand es in dem damals noch sehr ländlichen Moabit. Hier begann gerade die Bebauung, und zu dieser Zeit gehörte das Grundstück Moses Rothschild. Er verkaufte es an die Ravenés. Nach Angaben in deren Familienchronik befand es sich in der Werftstraße 7. Das vermutliche Aussehen ist allein aus dem Schrifttum bekannt.

Auf dem Grundstück standen ein bescheidener Pavillon mit einem Raucherzimmer und ein Pferdestall. Das war so üblich, denn Moabit wurde von den Städtern als Sommerfrische genutzt.
     Ende & Böckmann errichteten aus den vorhandenen Baulichkeiten ein kleines Landhaus, wobei der Pferdestall in einen Speisesaal umgewandelt und die Anlage des Hauses allmählich durch die übrigen Bauteile ergänzt wurde.


Villa Ravené in der Werftstraße Nr. 7, Kamin in der Orangerie

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Diese Erweiterungen ergaben einen malerischen Gruppenbau im allgemein verwendeten Neorenaissancestil dieser Jahre mit Veranda, Loggien, Hallen und Treibhäusern. Im Garten, dem Wohnhaus gegenüber, befand sich außerdem ein Kasino mit offener Halle und ein kleines Amphitheater antiker Manier. Der Schornstein des Maschinenhauses für die Wasserkunst im Garten überragte das Landhaus wie ein Turm. Die Architekten wurden bei der Innenausstattung durch den feinen Kunstsinn des Eigentümers gefördert und von besten Kräften bei der Innenausstattung unterstützt.
     Wie Dr. Alfred Wollmann 1872 in seiner Schrift »Die Baugeschichte Berlins bis auf die Gegenwart« berichtet, befanden sich im Inneren der Villa eine Reihe von Zimmern und Sälen, deren Ausstattung von seltener Harmonie war. Hier herrschte eine Farbenfreude, die in Berlin sehr oft vermisst wird. Jüngere, begabte Künstler sind hier vom Hausherrn gefördert worden. Die Friese und Deckengemälde vollendeten die Schönheit der Räume. Der Salon verströmte eine vornehme Behaglichkeit, und im kleinen Bibliothekzimmer war das Lauschige und Träumerische zu spüren, um sich dann endlich im Speisesaal zur vollsten Lebenslust zu steigern. Dieser Saal war der farbenprächtigste Raum von allen, sein Schmuck kostbar gewählt.
Vier Buffets waren mit Tafel- und Trinkgeschirren aus verschiedenen Stoffen und verschiedenen Epochen besetzt, und darüber zeigten vier Gemälde, wie man zu eben jenen Zeiten Tafelfreuden und Geselligkeit genoss.
     Die Villa in der Werftstraße in Moabit wurde in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts abgerissen, als eine umfangreiche Bebauung dieses Stadtteils begann. 1891 stellt der neue Eigentümer, Adolf Borchert, ein Antrag auf Neubebauung seines Grundstückes. Da die Anlieger früher ein Einspruchsrecht hatten, baten die Herren Nicolai und Hamann darum, mit Rücksicht auf ihre Höfe, die durch die Umbauung zu besseren Luftschächten würden, die Pläne noch einmal zu überarbeiten. Man konnte sich offensichtlich nicht einigen, denn 1892 wechselt das Grundstück erneut den Eigentümer. Julius Glinike stellt einen Umbauantrag für das Haus, da ein Postamt hier einziehen sollte. Dieses Postamt existierte dort bis zu seiner Verlegung 1903 in die Paulstraße. 1893 wurde dort sogar noch der Rohrpostbetrieb eingerichtet. Seitens der Oberpostdirektion war man mit dem Umfeld nicht zufrieden. Das ist aus einem Schreiben des Oberpostsekretärs um die Jahrhundertwende bekannt, in dem er die Anlage des Vorgartens bemängelt.
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     Nach umfangreichen Renovierungsarbeiten am Hause, bei dem auch das Hinterhaus überholt wurde, wechselte es schon wieder den Eigentümer. So gehörte das Haus ab 1912 dem Industriebeamten-Verlag, der eine Dampfheizung einbauen ließ.
     Im Jahre 1930 sind von den ehemals 50 Wohnungen nur noch sieben bewohnt. Die anderen sind zu Bankräumen umgebaut worden. Die Bank beabsichtigte, das Gebäude aufzustocken und den zweiten Hof mit einem Glasdach abzudecken. Im September des gleichen Jahres lehnte die Städtische Baupolizei diesen Antrag ab, gestattet aber unwesentliche Veränderungen im Dachgeschoss des Vorderhauses. Im Oktober 1931 hatte sich die Angelegenheit jedoch fast von selbst erledigt. Die Bank gerät in wirtschaftliche Schwierigkeiten und bittet um Zurückstellung des Antrages, der im folgenden Jahr völlig zurückgezogen wird.
     Während des Dritten Reiches gehörte das Haus der Vermögens-Verwaltung der Deutschen Arbeitsfront-GmbH, und 1942 ist das Haus Werftstraße 7 eine Vollruine. Das Vorderhaus, die beiden Seitenflügel und das Quergebäude sind völlig zerstört. Es wird empfohlen, die Ruine abzureißen. Das zieht sich offensichtlich bis 1949 hin. Im Jahre 1950 stellt der neue Eigentümer, die Gewerkschaft der Techniker und Werkmeister, einen Antrag auf Neubau eines Vorderhauses und eines Quergebäudes.

Berliner Neorenaissance: Offener Terrassenplatz im Ravenégarten

 
Das Vorderhaus wird sofort genehmigt, das Quergebäude erst nach Erstellung eines Bebauungsplanes.
     Im Jahre 1954 wird mit der Abräumung des Grundstückes begonnen, die bis Oktober 1957 dauert. Danach geht das Grundstück in den Besitz der Stadt und Land Wohnbautengesellschaft mbH über, die es wiederum an die Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft mbH übergibt, in deren Besitz es sich noch heute befindet.

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 4/2001
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