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151 Geschichte und Geschichten
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Annette Godefroid
Bäckernot und Konsumbrot Die Berliner Bäcker- Innung 1949-1952 Trotz Zwangsbewirtschaftung und Viersektorenstatus gelang es den Berliner Bäckern, die auch in den Krisenjahren ihren Zusammenhalt nicht verloren hatten, im Jahre 1947 das Innungsleben wieder zu aktivieren. Nachdem schon am 26. Januar 1946 der Zehlendorfer Bäckermeister Hermann Drewitz (1887-1955) zum Obermeister gewählt worden war, trat im Frühjahr 1947 eine vorläufige Satzung der Bäcker- Innung Berlin in Kraft, die an die an die Satzung der Innung von 1911 anknüpfte.
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in West-Berlin mit dem Ernährungsamt West zu tun hatte. Diese Situation sowie die zwei unterschiedlichen Währungsbereiche in ihrem Innungsbezirk veranlassten die Innung, eine Zweigstelle in den Westsektoren aufzumachen. Das Innungsbüro West fand zunächst ein Domizil im Gebäude des heutigen Finanzamtes Kreuzberg am Mehringdamm im III. Stock.
Das Ende der Großberliner Bäcker- Innung Nach der Aufhebung der Blockade im Mai 1949 blieb die politische und wirtschaftliche Spaltung der Stadt bestehen. So entstand die paradoxe Situation, dass auf engstem Raumm zwei politisch und wirtschaftlich unterschiedliche Gebiete bestanden, aber der Verkehr innerhalb der Stadt und zum Umland, das ab Oktober 1949 nun DDR hieß, nicht unterbrochen war.
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Dort gebärdete man sich entschieden antifaschistischer als in den Westsektoren, wo man zwar auch unter Oberaufsicht der Alliierten eine Entnazifizierung durchgeführt hatte, aber recht milde bei der Einstufung der Belasteten vorgegangen war. Beibehalten wurde wie schon 1947 die Bezirksstruktur der Innung, die sich nach den Verwaltungsbezirken richtete.
Trotz der prekären Situation ging die Innung in ihrer neuen Satzung noch immer von einer Gesamtberliner Innung aus, die alle 20 Bezirke umfasste. 1950 erschien das erste »Adressbuch der Bäckermeister Groß-Berlins« seit 1939, das etwa 2 700 Bäcker (Stand 1. März 1950) in ganz Berlin als Innungsmitglieder aufführte. Bereits im April 1949 hatte man aber wegen der politischen Lage beschlossen, die Zahl der stellvertretenden Obermeister auf zwei zu erhöhen, von denen der eine für die Westsektoren und der andere für den Ostsektor zuständig war. Innungszentrale blieb aber zunächst das Germania- Haus in der Chauseestraße 110 im Ostsektor. Dies hatte beispielsweise zur Folge, dass bei den Innungsversammlungen in diesem Haus prinzipiell zwei sowjetische Soldaten anwesend waren. Auch das Concordia- Haus in der Krautstraße war noch im Innungsbesitz. Bei allen Bemühungen um eine Aufrechterhaltung der Einheit der Bäcker- Innung trug die Innung den besonderen politischen Gegebenheiten Rechnung und bemühte sich ab 1950, |
auch in West-Berlin ein Haus für die Innung zu erwerben. Am 30. März 1951 wurde der Kaufvertrag für den Gebäudekomplex in der Maxstraße 8, heute Kärntener Straße, unterzeichnet.
Der Hauskauf war absolut notwendig geworden, denn knapp eine Wocher vorher, am 25. März 1951, war für die Bäcker- Innung im Ostsektor das »Aus« gekommen. Durch eine Verordnung des Ostberliner Magistrats mussten die im Ostsektor lebenden Mitglieder aus der Innung ausscheiden, und die beiden Innungshäuser wurden enteignet. In einer Nacht- und Nebelaktion konnten noch einige Möbel, Bücher und andere Innungsbesitztümer in den Westsektor gebracht werden, wobei teilweise recht planlos auf die Lastwagen aufgeladen wurde, was gerade greifbar war. Den Kollegen im Ostsektor blieb zwar die Möglichkeit, weiterhin die Innungseinrichtungen im Westsektor mit zu nutzen. Es wurde aber von den Ostberliner Behörden nicht gern gesehen, sodass sie mit Schikanen rechnen mussten. Die Spaltung der Innung war de facto besiegelt. In gewissen Grenzen war diese Entwicklung vorauszusehen gewesen. Die Handwerksgesetzgebung der DDR vom August 1950, die ab 1951 auch Anwendung im Ostsektor fand, kündigte schon an, dass den Innungen ihre wesentlichen Aufgaben entzogen und das Handwerk weitgehend vergesellschaftet werden sollte. |
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Für das Westberliner Handwerk verlief die rechtliche Entwicklung wesentlich günstiger. Nachdem im Mai 1950 endlich die Zwangsbewirtschaftung ausgelaufen war, konnte am 1. Juli 1950 die schon lange geforderte Handwerks- und Gewerbekammer ihre Arbeit aufnehmen. Damit wurde dem Handwerk eine wichtige Institution der Selbstverwaltung zurückgegeben. 1951 trat die Bäcker- Innung Berlin als Landesverband dem 1948 in den Westzonen gegründeten Zentralverband des deutschen Bäckerhandwerks bei, der als Rechtsnachfolger des Reichsinnungsverbandes galt.
Das Ende der Brotrationierung Nach der Aufhebung der Blockade am 12. Mai 1949 begann sich allmählich die wirtschaftliche Lage zu normalisieren, wobei Ostsektor und Westsektoren seit Beginn der Blockade - durch die politische Lage bedingt - als getrennte Wirtschaftsräume unterschiedliche Entwicklungen erlebten. In den Westsektoren wurden im Oktober 1949 in Angleichung an die Verhältnisse in der Bundesrepublik die Fleisch- und Fettrationen auf Lebensmittelkarten angehoben, während die Brotration etwas gekürzt wurde, da mit dem größeren Angebot an anderen Lebensmitteln der Brotkonsum sowieso rückläufig war.
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Ältestes Bäckersiegel der Stadt Berlin um 1440
auch in den Westsektoren Berlins endgültig aufgehoben. Anfang 1951 wurde auch im Ostsektor zumindest die Brotkarte abgeschafft. Feierlich wurde sie dort auf Einladung prominenter Innungsmitglieder zu Grabe getragen, begleitet von Spruchbändern mit Aufschriften wie »Auf Nimmerwiedersehen!«, »Du warst nicht schön, du starbst auch nicht zu früh, so teuer wie jetzt war das Mehl noch nie!«
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Es driftete auch die Entwicklung in den Ost- und Westsektoren auseinander. Da die Sowjets ihre politischen Vorstellungen nicht in ganz Berlin durchsetzen konnten, konzentrierten sie sich verstärkt auf den Ostsektor.
Besonders misstrauisch beäugten die Bäcker die Brotindustrie, denn sie befürchteten, dass die Brotfabriken gezielt gefördert und bei der Versorgung bevorzugt würden, um die Einzelbetriebe im Backhandwerk zu ruinieren. Dabei zielten die Angriffe der Innung nicht nur gegen die Brotfabriken im Ostsektor, sondern auch gegen die im Westsektor. Tatsache war, dass von den rd. 30 000 t Mehl, die 1946 monatlich in Berlin verbraucht wurden, ca. 35 % an die rd. 150 größeren und kleineren Brotfabriken und 65 % an die rd. 2 700 Bäckereien gingen. Dass ihre Befürchtungen bezüglich der Brotfabriken nicht ganz unberechtigt gewesen waren, sollte die spätere Entwicklung im Ostsektor zeigen. Hier wurden viele Bäcker im Laufe des Jahres 1947 verpflichtet, Fabrikbrot zu verkaufen, wobei es so gut wie keine Gewinnspanne für die Bäcker gab, sodass sie nicht einmal ihre Kosten dabei decken konnten. Die Kapazitäten der großen Ostberliner Konsumbäckereien reichten jedoch nicht aus, um den gesamten Ostsektor mit Brot zu versorgen. Nach einem Bericht des »Tagesspiegel« vom 28. März 1948 |
setzte man daher die dortigen Bäcker unter Druck, um sie dahin zu bringen, in ihren privaten Backstuben Brot für den Konsumverein zu backen. Teilweise soll ihnen mit Enteignung gedroht worden sein.
»Ostbrot- Dumping« Die Hoffnung der Berliner Bäcker, dass sich mit der Aufhebung der Zwangsbewirtschaftung im Mai 1950 die wirtschaftliche Lage normalisieren würde, zerschlug sich bereits im Herbst des gleichen Jahres. Bereits seit 1949 war ein Rückgang des Brotverbrauchs zu verzeichnen gewesen, da nun auch andere Lebensmittel ausreichend im Angebot waren. Dieser Rückgang war aber vorauszusehen und konnte zumindest teilweise durch die gestiegene Nachfrage nach Kuchen ausgeglichen werden.
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Zwar gab es auch in West-Berlin ein subventioniertes Brot, das sogenannte Konsumbrot, aber mit dem Ostberliner Preis war beim besten Willen nicht mitzuhalten, denn durch das Währungsgefälle kostete die Westberliner bei einem Umtauschkurs von 1:5 das Brot in Ost-Berlin umgerechnet 10 Pf. Bäcker- Innung und Brotindustrie forderten gemeinsam beim Westberliner Senat entschiedene Maßnahmen wie zum Beispiel strengste Kontrollen an den Grenzen zum Sowjetsektor gegen das Brotdumping. Selbst die Gewerkschaft Nahrungs- und Genussmittel und der DGB, die sicher nicht vor Unternehmerfreundlichkeit strotzten, unterstützten in diesem Fall die Bäcker, da noch weitere Arbeitsplätze verloren zu gehen drohten. Der Senat sagte zwar Unterstützung im Kampf gegen das Brotdumping zu, blieb aber weitgehend inaktiv. Am 5. März 1951 beschloss er zwar zwecks »Eindämmung des Bezuges von Backwaren aus dem sowjetischen Besatzungsgebiet« die Einführung von Kontrollen bei größeren Gepäckstücken durch seinen »Interzonengrenzdienst«, doch wurde die Anordnung erst Mitte April 1951 in Kraft gesetzt.
Mehr von sich reden machte eine Aktion des Kreuzberger Bezirksbürgermeister Willy Kressmann. Schon im März 1950 wies er auf die nachteiligen Folgen des Einkaufs im Ostsektor hin: »Jede Mark, die der Wirtschaft West-Berlins entzogen und im sowjetischen Sektor ausgegeben wird, trägt dazu bei, die Arbeitslosigkeit in West-Berlin zu erhöhen.« Auf Plakaten war zu lesen: »Sichert Freiheit, |
Innungszeichen der Bäcker- Innung Berlin
Brot und Lohn, kauft Westberliner Produktion!« Mit einem Autokorso, mit einem Demonstrationszug von rd. 200 Kreuzberger Bäcker, Gesellen und Lehrlingen und mit Protestkundgebungen vor dem Schöneberger Rathaus machten die Westberliner Bäcker auf ihre Forderungen aufmerksam.
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Protestkundgebungen der betroffenen Handwerkszweige, neben den Bäckern besonders Fleischer und Lebensmittelhändler, sowie Appelle an die Bevölkerung, nicht im Osten zu kaufen, blieben weitgehend erfolglos.
Das Problem wurde in diesem Fall von Ost-Berlin aus gelöst. Die Situation in den Westberliner Randbezirken entspannte sich bereits im Sommer 1952, als die DDR ihre Außengrenzen zu West-Berlin dicht machte. Theoretisch durften die Einwohner der Westsektoren nicht mehr in die DDR einreisen. Es blieb aber auf Grund des Sonderstatus von Gesamt- Berlin immer noch der freie Zugang in den Ostsektor bestehen. Hier verhängte jedoch im Herbst 1952 die DDR ein Einkaufsverbot für Westberliner, was sofort zu einem merklichen Anstieg des Brotverkaufs in den Westberliner Bäckereien führte. Bäcker- Innung auf neuen Wegen Zwar hatten im Oktober 1949 die Berliner Bäcker aus dem Ost- und den Westsektoren gemeinsam in einer großen von der Innung organisierten Bäckerfachausstellung in den Messehallen am Funkturm demonstriert, dass sie die Kunst ihres Handwerks in den Kriegs- und Nachkriegsjahren nicht verlernt hatten, aber auf Grund der Krisenzeiten - Rationierung, Blockade und Ostdumping - hatten viele nicht die Mittel, ihre Betriebe angemessen zu modernisieren. Noch 1952 stammten über 80 % der Backöfen aus der Vorkriegszeit. Etliche dieser Bäckereien konnten Ende der 50er bzw. Anfang der 60er Jahre nicht mehr mit der Konkurrenz mithalten und mußten ihre Backstuben schließen. |
Am 5. Januar 1955 starb der langjährige Obermeister Hermann Drewitz an einer Magenoperation. Menschlich sicher nicht ganz einfach und unproblematisch, gehörte Drewitz zweifellos zu den Obermeistern, die der Berliner Bäcker- Innung ihren Stempel aufgedrückt haben. Nicht nur die Berliner Bäcker- Innung hatte er nach dem Kriege wiederbelebt und sie entscheidend geprägt, auch andere Institutionen wie der Bäcker- Verlag, die Bäcker- Einkaufsgenossenschaft und die Pensionskasse wurden von ihm wieder ins Leben gerufen. Auch der Zentralverband hatte ihm vieles zu verdanken, denn ab Oktober 1945 hatte er sich intensiv um die Vermögensfeststellung und -sicherung des Reichsinnungsverbandes gekümmert. Zum Zeitpunkt seines Todes war auch die Berliner Bäcker- Innung trotz aller politischen und wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die sich aus der besonderen Situation dieser Stadt ergaben, eine vollwertige Innung geworden, die sich nicht vor den anderen Bäckerinnungen im Bundesgebiet zu verstecken brauchte, sondern auf ihre Leistungen stolz sein konnte.
Anmerkung:
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 3/2001
www.berlinische-monatsschrift.de