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Hans Aschenbrenner
1. Februar 1851:
Krolls Etablissement geht in Flammen auf

Der 1. Februar 1851, ein Sonnabend, verspricht, ein schöner, milder, sonnenheller Tag zu werden. Kinder wandern mittags in wahren Heerscharen zum Krollschen Etablissement vor dem Brandenburger Tor. Um zwei Uhr soll dort für sie zu stark ermäßigten Preisen eine Vorstellung mit einem Riesen- Cyclorama, einem beweglichen Gemälde der Flüsse Mississippi und Ohio, gegeben werden. Schon sind Hunderte Kinder um das Lokal versammelt, die ungeduldig

darauf warten, in die verlockenden Räumlichkeiten hineinzukommen. Schülerinnen einer Mädchenschule sind sogar schon im Gebäude, Schüler der Johnschen Knabenschule drängen nach, als plötzlich ein Diener mit dem Schreckensruf »Der Saal brennt!« herbeistürzt. In wilder Hast stieben die Mädchen und Jungen auseinander, versuchen, das Weite zu gewinnen. Alle bleiben - ein glücklicher Umstand - unverletzt. Nicht zu ermessen, in welche Gefahr das Leben vieler Kinder angesichts des mit enormer Schnelligkeit um sich greifenden Feuers gekommen wäre.
     In Windeseile hat sich die Nachricht von dem Feuer in der Stadt verbreitet. Scharen von Fußgängern strömen die Linden entlang, Wagen an Wagen, Droschke an Droschke fahren, so gut es eben geht, auf die Brandstelle zu.
Alles drängt durch das Brandenburger Tor,

Das Kroll'sche Etablissement, erbaut von L. Persius und E. Knoblauch; Stahlstich von 1850
darunter viele höhere Militär- und Zivilbeamte, und auch Prinzen der königlichen Familie treffen an der Unglücksstelle ein, die alsbald von Garde- Ulanen, einer Abteilung Infanterie und Schutzmännern abgesperrt wird. Mit den zahlreichen Löschapparaten, die binnen kürzester Zeit um das Gebäude aufgestellt werden, sind nur die Nebengebäude zu retten.
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Am 1. Februar 1851 brennt Krolls Etablissement nieder
Es dauert nicht lange, bis sich der anfängliche Rauch der Irrtümer und Gerüchte über die Entstehung und Ausbreitung des Feuers und die von ihm angerichtete Zerstörung verzogen hat. In einem ersten, bereits tags darauf veröffentlichten Polizeibericht wird die Brandursache so beschrieben: »Im schönen Königssaale war ... ein Kellner mit dem Anzünden von Gasflammen, welche an schwebenden Figuren angebracht waren, beschäftigt. Mit der an einer langen hin- und herschwankenden Stange angebrachten Spirituslampe soll man einer solchen Figur zu nahe gekommen seyn, sie brannte an - und das Unglück war geschehen.
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Innerhalb einer Stunde stand das ganze Gebäude in Flammen, vom Mittelsaale ausgehend, und an Rettung desselben war bei der großen Menge so leicht brennbarer Stoffe nicht zu denken.« Der Brand wird durch Gasleitungen noch zusätzlich genährt. Der Mitteltrakt, die beiden Seitenflügel und beide Türme brennen aus. Knapp drei Stunden reichen aus, um den Prachtbau in Schutt und Asche zu legen; nichts steht mehr, die Grundmauern einmal ausgenommen.
     Ins Unermessliche geht der durch das Niederbrennen des Lokals angerichtete Schaden für dessen Inhaberin Auguste Kroll (1821-1907), der ältesten Tochter des Etablissement- Gründers Joseph Kroll (1797-1848). Das Ringen um die Versicherungssumme sollte sich bis zur Jahresmitte hinziehen. 80 000 Thaler Entschädigung von der Leipziger Feuer- Versicherungs- Gesellschaft, mit denen sie rechnen kann, betreffen nur den Gebäudeschaden, nicht jedoch die völlig zerstörte Innenausstattung. Elegantes Mobiliar, kostbare Bilder und vieles mehr sind für immer verloren, während das Tafelsilber sowie etwas Wäsche und Kupferzeug aus dem Untergeschoss gerettet werden. Der Theaterfundus und die Dekorationen verbrennen völlig. Nur der Garten und das Sommertheater überstehen den Brand.
Knapp sieben Jahre war das Kroll- Etablissement am Brandtag alt. In Anwesenheit des Königs und des Hofes sowie der Spitzen der Berliner Gesellschaft war es am 15. Februar 1844 mit einem Konzert eröffnet worden. Zwei Tage später gab es den ersten Maskenball. 1845 konzertierte Johann Strauß (1825-1899) zum ersten Male in Berlin bei Kroll. Im Sommer 1849 fand hier sogar die Gewerbe- Ausstellung der Polytechnischen Gesellschaft statt. Der Schriftsteller Max Ring (1817-1901) hat in seinen »Erinnerungen« (Berlin 1898) ein besonders schönes Stimmungsbild aus den Anfangszeiten des Krollschen Zauberpalastes hinterlassen: »Ganz Berlin war entzückt, und kein Mensch konnte ferner auf Bildung Anspruch machen, der nicht vorher bei Kroll gewesen war. Eine wahre Völkerwanderung wälzte sich an jedem Sonntag durch den Tiergarten nach dem neuen Etablissement, man schlug sich um die Plätze, man bezahlte doppelte Preise, um nur Eintritt zu erhalten. Man bewunderte die kolossalen Räume, die Pracht der Einrichtung, die von Gold schimmernden Säle, die geschmackvollen Arrangements...« - das alles lag nun in Schutt und Asche.
     Auguste Kroll war jedoch, so ist sie in jener Zeit immer wieder charakterisiert worden, nicht der Typ, sich von dem furchtbaren Brand am 1. Februar 1851 niederschmettern zu lassen.
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Noch im Sommer des Unglücksjahres wurde der Wiederaufbau des Etablissements nach Plänen und unter der Leitung von Eduard Titz (1819-1890) in Angriff genommen. Schon vorher, zu Pfingsten, setzte das Sommertheater im Garten mit dem »Postillion von Longjumeau« seinen Spielbetrieb fort, und das, obwohl ein Platzregen über dem offenen Theater niedergegangen war. Am 12. Juni 1851 ließ Auguste Kroll dann in der Presse mitteilen, dass »jetzt die Einrichtung getroffen ist, daß bei eintretendem Regenwetter der Zuschauerraum augenblicklich mit einem Dach versehen werden kann«. Eine Woche später konnte Zeitungen dann auch entnommen werden, dass »die Besitzerin des Krollschen Lokals die Konzession zu einem Winter- und Sommertheater erhalten hat und bei dem Neubau des Gebäudes ein Theil des inneren Raumes zu einem feuerfesten, geschmackvollen Theater eingerichtet werden wird«.
     Seit dem großen Brand waren keine 13 Monate vergangen, als das Kroll- Etablissement am 24. Februar 1852 mit einem Maskenball wiedereröffnet wurde. Es war Fastnachts- Dienstag; man sah kaum Fußgänger, da Wagen und Droschken die weitaus überwiegende Mehrzahl derjenigen heranführten, die rechtzeitig Billets erworben hatten. Alle Säle waren gefüllt, alle Logen besetzt.
     In seinen äußeren Umrissen fast unverändert, war das Kroll- Lokal wiedererstanden und wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem festen Begriff im Berliner Leben.
Die Bälle bei Kroll übten einen ganz besonderen Reiz aus. Aber auch finanzielle Krisen, Zwangsversteigerung, Besitzerwechsel und Rückerwerb sind ständige Begleiter des Etablissements geblieben. Es diente als Neues Königliches Operntheater (ab 1896), Interimsbühne während Umbauten im Schauspielhaus (1904) und an der Lindenoper (1905), als Opernspielstätte der Volksbühne (nach 1920), Neue Oper am Königsplatz (1924), als Staatsoper am Platz der Republik (mit vier Spielzeiten von 1927 bis 1931). Nach dem Reichstagsbrand 1933 wurde die Kroll- Oper - der Name war im Laufe der Zeit gebräuchlich geworden - von den Nationalsozialisten sogar zum Sitz des Reichstags umfunktioniert. Seit 1941 wegen der Bombenschäden an der Staatsoper noch einmal als Opernspielstätte genutzt, beschädigten Bomben das Haus am 22. November 1943 so schwer, dass kein Spielbetrieb mehr möglich war.
     Die letzten Ruinenreste des Krollschen Etablissement sind im März 1957 beseitigt worden; ein noch hier befindliches Gartenlokal musste ebenfalls schließen. Das Areal wurde im Zusammenhang mit der IBA, der Internationalen Bauausstellung, als Parkplatz für die neuerbaute Kongresshalle gebraucht.
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 2/2001
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