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Helmut Caspar
Luise Henriette schuf Holland im Kleinen

Eigentlich hatte der brandenburgische Kurfürst Friedrich Wilhelm (1620-1688), den man später den Großen Kurfürsten nannte, eine Schwedin, Königin Christina, die Tochter Gustav Adolphs, heiraten wollen. Doch da diesbezügliche Pläne scheiterten, wandte er sich an den damals überaus glänzenden Hof in Den Haag, den er schon als Kurprinz kennen und schätzen gelernt hatte. Hier regierte Friedrich Heinrich von Nassau- Oranien als Erbstatthalter der Niederlande. Der Großonkel des Brandenburgers hatte vier Töchter standesgemäß unter die Haube zu bringen. 1646, zwei Jahre vor dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, gaben sich Friedrich Wilhelm und Luise Henriette in Den Haag das Jawort. Seiner Tochter trug der Vater auf, sich im fernen Brandenburg, gewiss keine besonders attraktive Adresse und schon gar keine Großmacht, dem Willen ihres Gemahls zu unterwerfen und zu bedenken, »daß Ihr, getrennt von Eurem Land, und Eurer Familie, Trost und Zuflucht nirgends anders finden könnt als in der Liebe Eures Gatten«.

Die ersten Ehejahre verbrachte die Familie in Kleve, das damals zu Kurbrandenburg gehörte. Man war glücklich und unglücklich zugleich, denn der 1648 geborene Kurprinz Wilhelm Heinrich starb noch als Säugling.

Ein neues Schloß, welches überaus prächtig ausgestattet

Nach dem Umzug des Hofes von Kleve in die Doppelstadt Berlin- Cölln, die damals noch einem kleinen Provinznest glich, konnte die junge Kurfürstin ihre Begabung fürs Praktische entfalten. Überliefert ist, dass Luise Henriette, die die stattliche Summe von 120 000 Talern als Mitgift bekommen hatte, in ihren Rechnungs- und Haushaltsbüchern sorgfältig Einnahmen und Ausgaben aufschrieb. Sparsamkeit und Erzielung von Mehrwert waren auch dringend, denn das Land hatte große Not, die Folgen des bis dahin schlimmsten aller Kriege zu überwinden. Die an Luxus gewöhnte Kurfürstin mochte in dem baufälligen kurfürstlichen Jagdschloss Bötzow, das ihr Gatte ihr samt Domäne geschenkt und in Oranienburg umbenannt hatte, nicht wohnen und ließ unter Verwendung einiger alter, bei Restaurierungsarbeiten wieder gefundener Mauern ein neues Schloss im holländischem Geschmack« errichten, das nach Aussage von Augenzeugen überaus prächtig ausgestattet war.

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Die als klug, umsichtig, mildtätig und fromm geschilderte Landesmutter machte aus Oranienburg eine Art »Holland im Kleinen«. Niederländische Kanalbauer legten Feuchtgebiete trocken. Noch heute kann man in der Nähe von Oranienburg schnurgerade Wasserstraßen aus jener Zeit bestaunen. Es entstand eine Meierei, die dem Hof Milchprodukte und auch manch harten Taler lieferte. Das von einem Graben umgebene Schloss wurde von Blumen und Bäumen eingefasst, und auch der Gemüse-, Hopfen- und Obstanbau erlebte einen bis dahin ungekannten Aufschwung. Prächtig wurde der Schlossgarten mit Figuren, Brunnen, Grotten und Bögen ausgestattet. Der Kurfürst ließ sein eigenes Denkmal direkt vor dem Schloss aufstellen, so dass man es schon von weitem sehen konnte.
Kurfürstin Luise Henriette - das restaurierte Denkmal vor dem Oranienburger Schloss
In ihren Privatgemächern sammelte Luise Henriette asiatisches Porzellan, damals ein unerhörter Luxus, der weit und breit seinesgleichen suchte. Später erhielten die Hohenzollern durch die »oranische Erbschaft« Kunstwerke von unschätzbarem Wert - Gemälde, Plastiken, Kunsthandwerk, Bücher und sogar Prunkmöbel aus Elfenbein, die Niederländer als wagemutige Händler und Seefahrer aus fernen Ländern geholt hatten. Niederländische Bauern und Handwerker mit vielen Privilegien

Während die kurfüstliche Haupt- und Residenzstadt Berlin durch die Anlage neuer repräsentativer Steingebäude, eines figurengeschmückten Lustgartens unweit des Renaissanceschlosses, der neuen Straße Unter den Linden und eines Befestigungskranzes »verholländert« und ausgebaut wurde,

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Medaille von Erasmus Thomas Reuss zur Vermählung des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm mit Luise Henriette von Nassau- Oranien im Jahre 1646.
Auf der Rückseite die Inschrift »Gott erhalte Baum und Landt, Und verbesser ieden Standt«; Durchmesser 57 mm, Silber
siedelte Friedrich Wilhelm unter dem Einfluss seiner Gemahlin Luise Henriette auf dem platten Land zahlreiche niederländische Bauern und Handwerker an und stattete sie mit vielfältigen Privilegien aus. Gutsbesitzer wurden ermuntert, den Neuankömmlingen attraktive Entwicklungsmöglichkeiten zu geben und ihnen Land zu schenken. Erkundung der Strömungsverhältnisse im Wasser

Mit großer Bewunderung schrieb Theodor Fontane in den »Wanderungen durch die Mark Brandenburg«, die »agrorkulturkundigen« Holländer seien von den Tagen Luise Henriettes, von der Gründung Oranienburgs und dem Auftreten der kleveschen Familie Hertefeld an »die eigentlichen landwirtschaftlichen Lehrmeister für die Mark, speziell für das Havelland« gewesen.

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Bei der Nutzung niederländischer Erfahrungen und der Anlage von Musterwirtschaften tat sich der kurfürstliche Oberjägermeister Freiherr von Hertefeld besonders hervor. In der Gegend von Liebenwalde ließ er Sumpfgebiete urbar machen. Die Fama erzählt, der Gutsbesitzer sei an windstillen Tagen im Kahn über das Luch gefahren und habe anhand ausgeworfener Papierschnitzel Strömungsverhältnisse im Wasser erkundet. Auf Grund solcher Beobachtungen ließ Hertefeld von niederländischen Kanalarbeitern Gräben ausheben. Er machte es seinen Neusiedlern zur Pflicht, am Dammbau mitzuwirken und wild wachsende Bäume und Sträucher zu roden. Im Gegenzug stattete er die Ankömmlinge reichlich mit Land aus und entband sie weitgehend von Abgaben und Lasten, sodass es die Holländer mit den Jahren zu einem nicht geringen Wohlstand brachten. Die auf Grund des Edikts von Potsdam (1685) ins Land geholten französischen Hugenotten wurden ebenfalls fürstlich mit Privilegien und Aufstiegschancen bedacht, sodass es mit ihrer Hilfe gelang, die allgemein verlachte märkische Streusandbüchse zu kultivieren und aus Berlin das vielgelobte »Spree- Athen« zu machen. Wohlstand, wie ihn die Niederlande kannten

Mit Fug und Recht lässt sich sagen, dass die Niederländer zu Trägern des Fortschritts in der kurmärkischen Streusandbüchse wurden. Fontane beschrieb das Wirken der Kurfürstin Luise Henriette, die 1667 im Alter von 40 Jahren in Berlin starb, als Versuch, Wohlstand, wie ihn die Niederlande kannten, hier »ins Dasein« zu rufen. »Kolonisten wurden ins Land gezogen, Häuser gebaut, Vorwerke angelegt und alle zur Landwirtschaft gehörigen Einzelheiten alsbald mit Emsigkeit betrieben.« Ob das auch so geworden wäre, wenn Friedrich Wilhelm die Schwedin geheiratet hätte, bleibt Spekulation.

Fotos: Autor

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 1/2001
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