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Frank Eberhardt
Ohm, Ohm oder Ohm?

In Berlin-Mitte gibt es eine kleine, kaum 150 Meter lange Straße, die Ohmstraße. Sie erstreckt sich südlich der Spree von der Köpenicker Straße bis zur Rungestraße. An ihrer Ostseite gibt es sieben, an der Westseite gar nur vier Hausnummern. Nur einige der Häuser stehen noch, große Lücken sind seit Kriegsende nicht geschlossen worden. Eine lange Baracke des Heizkraftwerkes und die verwahrloste Fläche einer ehemaligen Kohlenhandlung machen den ungepflegten Eindruck der schmalen Straße noch deutlicher. Einzelne sanierte Häuser zeigen, wie schön dieses Ensemble einst war.
     Der Name Ohmstraße erinnert natürlich an den Physiker Georg Simon Ohm, nach dem das Ohmsche Gesetz benannt wurde. Widerstand = Spannung zu Stromstärke (R = U / I) lautet die Gleichung, die Ohm 1826 aufgestellt hat. Da die Ohmstraße bereits 1827 ihren Namen (damals noch Ohmgasse) erhalten hat, ergibt sich die Frage, ob denn Ohm in Berlin damals schon so berühmt war, dass man eine Straße nach ihm benannte. Um diese Frage beantworten zu können, ist es notwendig, den Lebenslauf zu verfolgen.


Dr. Martin Ohm

Georg Simon Ohm wurde am 16. März 1789 in Erlangen geboren. Sein Vater war Schlossermeister an der Universität, der sich nebenbei große Kenntnisse in Mathematik erworben hatte. Georg besuchte das Gymnasium und begann 1806 ein Mathematikstudium, das er nach drei Semestern wegen fehlender Mittel abbrechen musste. Er arbeitete als Erzieher in der Schweiz und kehrte 1811 nach Erlangen zurück, wo er trotz der kurzen Studienzeit im selben Jahr promovierte.

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Drei Semester lehrte er dort als Privatdozent Mathematik, bis ihn wiederum finanzielle Verhältnisse zwangen, eine Stellung als Lehrer in Bamberg anzunehmen. Vier Jahre später wechselte er als Oberlehrer für Mathematik und Physik an das Gymnasium in Köln. Neun entscheidende Jahre seines Lebens wirkte er dort. Er konnte die ausgezeichnete Ausstattung der Lehranstalt mit physikalischen Apparaten nutzen, um experimentelle Untersuchungen zur Natur des elektrischen Stroms durchzuführen. Dort schuf er auch die theoretischen Grundlagen des später nach ihm benannten Gesetzes.
     Um wissenschaftlich arbeiten zu können, erbat sich Ohm 1826 einen einjährigen Forschungsurlaub und ging zu seinem Bruder nach Berlin. Sein Ziel war die akademische Laufbahn, die es ihm ermöglicht hätte, intensiver seinen Forschungen nachzugehen. Doch ausgerechnet in Berlin wurde Ohms wissenschaftliche Leistung nicht anerkannt. Es kam zu einer Konfrontation zwischen ihm und dem zuständigen Ministerialreferenten, die ihn bewogen, sogar die Rückkehr in die Stellung als Lehrer in Köln aufzugeben.
     Ohm blieb dennoch in Berlin. Er wohnte in der Oranienburger Straße 69 und unterrichtete drei Wochenstunden Mathematik an der hiesigen Allgemeinen Kriegsschule. Sechs Jahre vergingen, die auch zu einer Unterbrechung seiner wissenschaftlichen Arbeit führten. Erst 1833 wurde er durch ein Dekret König Ludwigs I. von Bayern zum Professor für Physik an der polytechnischen Schule in Nürnberg ernannt.
1839 übernahm er für zehn Jahre an dieser Schule auch das Rektorat.
     Inzwischen war seine Entdeckung weltweit anerkannt worden. Nun häuften sich auch die Auszeichnungen. Ohm erhielt die Goldene Preismedaille der englischen Royal Society und wurde zu ihrem auswärtigen Mitglied ernannt. Auch die Akademien zu Turin, München und nun sogar Berlin wählten ihn zu ihrem Mitglied.
     1849 erhielt Ohm die Stelle eines Konservators der mathematisch-physikalischen Sammlungen bei der Akademie der Wissenschaften in München mit der Verpflichtung, als außerordentlicher Professor an der Universität Vorlesungen über Physik zu halten. 1852 wurde er ordentlicher Professor für Experimentalphysik an der dortigen Universität.
     Anfang 1854 erlitt Ohm einen Schlaganfall. Er erholte sich zwar und konnte auch die Vorlesungen wieder aufnehmen, aber seine Kräfte nahmen zusehends ab. Am 6. Juli 1854, nach einem zweiten Schlaganfall, starb Georg Simon Ohm.
     Ohms Arbeiten wurden zunächst nicht anerkannt, mitunter auch heftig kritisiert oder missverstanden. Die Verbindung zwischen Experimentalphysik und Mathematik war in Deutschland noch kaum entwickelt. Daraus ergibt sich, dass die 1827 benannte Ohmstraße ihren Namen nicht von Georg Simon Ohm herleiten kann.
     Der Familie Ohm entstammten zwei Söhne. Der jüngere, Martin Ohm, wurde am 6. Mai 1792 ebenfalls in Erlangen geboren.
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Auch er studierte nur kurze Zeit und wurde bereits mit 19 Jahren Privatdozent für Mathematik in Erlangen. 1817 ging er als Oberlehrer an das Gymnasium in Thorn (heute Torun). 1821 wurde er als Privatdozent nach Berlin berufen, drei Jahre später zum außerordentlichen und 1839 zum ordentlichen Professor ernannt. Martin Ohm vereinte Professuren an der Bauschule, an der Vereinigten Artillerie- und Ingenieurschule und an der Allgemeinen Kriegsschule. Er war in Berlin - im Gegensatz zu seinem Bruder - so bekannt und geschätzt, dass er 1849 von einem Berliner Wahlkreis sogar ins Preußische Abgeordnetenhaus entsandt wurde.
     Wissenschaftlich hatte Martin Ohm versucht, ein »vollkommen consequentes System der Mathematik« in neun Bände (Nürnberg 1822-1852) zu pressen, wobei er schon in seinen älteren Jahren erkennen musste, dass die Zeit über sein Werk hinweggegangen war. Martin Ohm starb am 1. April 1872 in Berlin.
     Dieser Martin Ohm lebte also über fünfzig Jahre in Berlin. In den Adressbüchern erscheint sein Name ab 1823 in der Alten Jakobstraße, ab 1826 in der Köpenicker Straße 73 als Eigentümer.
     Die Adresse des Martin Ohm in der Köpenicker Straße führte zu Verwirrungen. In der Köpenicker Straße 70 wohnte nachweislich seit 1812 ein Gärtner Ohm. Seine Gärtnerei auf dem Gelände des vordem Spielbergschen Gartens befand sich an der Stelle, wo die Ohmstraße durchgebrochen worden war.
War dieser Gärtner der Namensgeber der Ohmstraße?
     Über diese Frage entspann sich in der Zeitschrift »Der Bär« 1879/80 eine Diskussion. Sowohl für den Gärtner als auch für den Mathematikprofessor sprachen gute Gründe. Die Entscheidung traf ein Magistratssekretär, der die Akten einsah. Er stellte fest, dass Prof. Dr. M. Ohm am 1. August 1827 beim Polizeipräsidenten beantragt hatte, der Nebengasse, welche zwischen Nr. 73 und 74 der Köpenicker Straße hindurchgeht und nach der Wassergasse (jetzt Rungestraße, F. E.) führt, einen Namen zu geben. Das Polizeipräsidium hat diesen Antrag befürwortet und den Namen »Ohmgasse« vorgeschlagen. Dieser Name ist durch Kabinettsorder genehmigt worden und seit 8. Oktober 1827 gültig. Am 4. April 1895 wurde die Ohmgasse in Ohmstraße umbenannt.
     Damit könnte die Geschichte enden. Doch auch nach dem berühmten Bruder Simon Ohm wurde in Berlin eine Straße benannt. Zwar ist sie ähnlich klein wie die Ohmstraße in Mitte, nur gut 100 Meter lang, aber sie befindet sich in guter Gesellschaft. Am Siemensdamm in Charlottenburg zweigt die Ohmstraße nach Süden ab, begleitet von der Reis-, Volta- und Wattstraße.

Bildquelle: Humboldt-Universität Berlin

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 1/2001
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