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55 Probleme/Projekte/Prozesse
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Heiko Schützler
Berlin - eine sterbende Stadt Probleme der Bevölkerungsstruktur nach Kriegsende Als die Waffen endlich schwiegen, wagten sich die Berliner aus den Kellern ihrer teils schwer getroffenen Häuser wieder ans Tageslicht. Nicht zuletzt der Hunger trieb sie dazu. Die Stadt war beschädigt, die inneren Bezirke gar zur Hälfte vernichtet. Doch in den Ruinen lebten sie, die Berliner der »Stunde Null«. Immerhin noch 2,5 Millionen von über 4 Millionen, die 1939 bei der Volkszählung ermittelt worden waren. Die Stadtverwaltung ließ zum internen Gebrauch im Sommer 1946 von einem Mitarbeiter der Generaldirektion Kraftverkehr und Straßenwesen namens Erdmann Müller eine Studie erstellen. Anhand von unveröffentlichtem Zahlenmaterial legte Müller ausführlich dar, welche Auswirkungen der Zweite Weltkrieg auf die Berliner Bevölkerung gehabt hatte.
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Von diesen kehrte die Mehrzahl nach dem Ende der Kampfhandlungen langsam zurück. Einige blieben gleich an ihren Evakuierungsorten wohnen. Im Dezember wurde bereits die Drei- Millionen- Grenze überschritten.
Die steigenden Zahlen können jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Berlin eine aussterbende Stadt war, die allein aus den Geburten ihre Bevölkerungsziffer nicht mehr halten konnte. Kamen im September 1938 noch 12 Gestorbene auf 1 000 Einwohner, so lag die Zahl im Juli 1945 bei 57. Wenngleich sich dieser Trend auch verlangsamte, so starben im April 1946 auf 1 000 mit 29 Personen doch noch doppelt so viele wie 1938. Berlin war dringend auf einen beständigen Zustrom von außen angewiesen. Zusätzlich zu den Evakuierten kamen auch Kriegsgefangene nach Berlin, mit wenigen Ausnahmen alles ehemalige Einwohner der Stadt. Bei diesen Rückkehrern überwogen für den Zeitraum von Oktober 1945 bis Mai 1946 allerdings die 30- bis 50- jährigen mit über 60 Prozent, ihnen standen lediglich 23 Prozent 20- bis 30- jährige gegenüber. An weiblichen Personen kehrten vorwiegend Mütter mit ihren Kindern zurück, denn auf die Altersgruppen 30 - 50 entfallen fast 30 Prozent, das sind in diesen Altersgruppen insgesamt zwei Drittel der weiblichen Heimkehrer. In den Monaten Oktober 1945 bis Mai 1946 nahm die Einwohnerzahl um 126 000 Personen zu, während 237 000 Kriegsgefangene und Evakuierte zurückkehrten. |
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Hiervon noch den Sterbeüberschuss von 68 500 Personen abgesetzt, verbleibt ein Rest von 42 500 Personen, die Berlin in dieser Zeit wieder verlassen haben.
Weil die Zerstörungen in den zentralen Bezirken am stärksten waren, füllten sich diese Stadtteile langsamer wieder auf als der Rest der Stadt. Bereits der Erste Weltkrieg hatte wesentliche Verschiebungen in der Bevölkerungsstruktur gezeitigt, der Zweite jedoch rief tief einschneidende Veränderungen hervor. Bei der ersten Volkszählung nach Kriegsende stellte sich erwartungsgemäß ein beträchtlicher Frauenüberschuss heraus. |
Im Mai 1939 kamen im Gesamtdurchschnitt aller Altersjahre auf 1 000 Männer noch 1 200 Frauen, am 12. August 1945 waren es schon 1 700. Dieser Überschuss wurde in den folgenden Monaten durch die aus der Kriegsgefangenschaft Zurückgekehrten etwas heruntergedrückt, denn von deren Gesamtzahl sind 68 Prozent männlich und 32 Prozent weiblich. So kamen bereits im April 1946 nur noch 1 500 Frauen auf 1 000 Männer.
Die Gliederung des Altersaufbaus der Berliner Bevölkerung nach dem Stande vom 12. August 1945 lässt erkennen, dass ausgerechnet der leistungsfähige Kern der Erwerbsbevölkerung, die jüngeren Männer, größtenteils fehlten. | |
Quelle: Berlin in Zahlen, 1945, hrsg. v. Statistischen Amt der Stadt Berlin 1947 |
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Vom 18. bis zum 60. Lebensjahr waren die Männer gewaltig dezimiert, ihr Verhältnis zur weiblichen Bevölkerung teilweise auf ein Drittel bis ein Viertel abgesunken:
Die hohe Anzahl der Kinder unter 6 und von 6 bis unter 14 zeigt, wie wirksam deren Evakuierung gewesen war. Wie Kurt Pritzkoleit (Berlin. Ein Kampf ums Leben, Düsseldorf 1962) feststellt, war der Anteil der Kinder und Jugendlichen sogar höher als vor dem Krieg. In den Altersklassen von 14 bis unter 30 - arbeitsfähige erwerbstätige Bevölkerung - war die Anzahl dagegen unnatürlich gering. Das bedeutet, dass die Last der Berufsarbeit auf den Altersklassen zwischen 30 bis unter 70 lag.
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Nach Geschlecht war ein Verlust von etwa 800 000 Männern und Jungen sowie von 400 000 Frauen und Mädchen entstanden, der unmittelbar durch Kriegseinwirkungen, durch Kriegsgefangenschaft, Evakuierung und Umsiedlung entstanden war. Berechnet auf die Jahrgänge zwischen dem 18. und dem 40. Lebensjahr fehlten hier 209 000 Männer und 527 000 Frauen, was einen Geburtenrückgang zur Folge hatte.
Die Rückwanderung der Evakuierten aus dem Osten füllte hauptsächlich die nicht mehr voll arbeitsfähigen Altersklassen auf, und in der Mehrzahl kamen Frauen, Kinder und Greise. Daher fehlten arbeitsfähige Männer für den Wiederaufbau der Wirtschaft, weshalb verstärkt Frauen in Männerberufen tätig werden mussten. So stellten 40 000 Frauen als Bauhilfsarbeiter die Hälfte aller Berufstätigen im Baugewerbe. Die Hauptlast jener Zeit lag bei den Frauen. Quellen:
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 12/2000
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