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Maria Curter
14. August 1660:
Die erste Brunnen- und Gassenordnung

Mit der Begründung »Was die in der Stadt, und auff öffentlichen Gassen liegende Unsauberkeit für einen bösen Geruch verursache: offtmals die Luft inficiret, und dadurch allgemeiner Stadt einige Kranckheit, zugezogen werden könne«, erließ Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst (1620-1688, Kurfürst ab 1640), am 14. August 1660 die erste »Brunnen- und Gassenordnung beyder Residentz- und Hauptstädte Berlin und Cölln an der Spree«. Mit dieser Ordnung - bestehend aus neun Artikeln mit bis zu 14 Paragraphen je Artikel - wurde nichts dem Zufall überlassen. Sie regelte fortan akribisch, detailreich, wie es mit den Brunnen, den Bürgersteigen, dem Müll, der Straßenreinigung, den Bäumen und Weinstöcken sowie den »Schweinekoven gehalten werden soll« und welche Strafen für die einzelnen Vergehen drohten. Damit auch alle Bewohner von dieser Ordnung Kenntnis bekamen, erhielten die Gewerke und Gilden je ein gedrucktes Exemplar, das halbjährlich vom Meister bei der Morgensprache »abgelesen werden« sollte. Die Druckkosten dafür sollten der »Contribution- Cassa einer jeden Stadt« entnommen werden.

Zwar hatten schon die Vorgänger des Großen Kurfürsten versucht, Herr der Lage zu werden: So befahl Kurfürst Johann Georg (1525-1598, Kurfürst ab 1571) im Jahre 1583 den an der Spree wohnenden Bürgern, ihre Höfe sauber zu halten, und übertrug ab 1587 dem Scharfrichter die Straßenreinigung. Eine Bauordnung aus dem Jahre 1641 verbot unter anderem das Halten von Schweinen auf dem Molkenmarkt. Aber alles fruchtete nichts; und der Dreißigjährige Krieg tat sein übriges.
     Als die neue Ordnung in Kraft trat, verfügten die Berliner über 238 und die Cöllner über 141 Brunnen auf ihren Höfen. Des weiteren gab es 51 öffentliche »Gassenbrunnen«. Mit Artikel I wurden die Bewohner aufgefordert: »ein jeder, welcher einen Brunnen auf seinem Hofe hat, denselben beybehalten, und bey 10 Thalern Straffe nicht vergehen lassen«, und »die Gassenbrunnen seyn rein und sauber zu halten. Solte sich aber jemand, es sey bey Tage oder bey Nachte, unterstehen, etwas in solche Brunnen zu werffen, derselbe sol mit Gefängniß gestrafet werden«. Artikel II beschrieb die »Brunnen- Herren, und dero Ampte«. Wer von den Bürgern für ein solches Amt vorgesehen war, sollte dies mindestens vier Jahre »zu verwalten schuldig seyn« und konnte dies nur »bei Strafe drey Thaler« ablehnen. »Zu einem jeden Brunnen sollen von dem Rath zweene Brunnen- Herren ihre Ampt versehen«, hieß es weiter.
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Sie hatten die Gehäuse, Geschlinge, Kübel und Schlitten in Ordnung zu halten, bei Feuer sofort am Brunnen zu sein, die Einnahmen und Ausgaben einmal jährlich abzurechnen. Weiterhin wurde namentlich aufgeführt, wer für welchen Brunnen zuständig ist: »der andere Brunnen steht an H. D. Fritzens Hause, die Brunnenherren sind Johann Buhde, Becker, und Peter Meißner, ein Schuster«.
     »Wie es auf den Gassen sol gehalten werden«, regelte Artikel V.
     »Ein jeder, wer in diesen churfürstl. Residentz- Städten ein eigen Hauß hat, sol nach Publication dieser Ordnung inner sechs Wochen und so offte es Noth, bey zweene Thaler Straffe, das Pflaster für seiner Thüre, so weit sein Hauß gehet, bis an die Rönne inclusive, dergestalt anfertigen lassen, damit bei Regenhafftigem Wetter, daß Wasser ablauffen könne, und nicht das eine hoch, daß ander niedrig oder grubicht seyn möge.«
     Im § 2 hiess es, dass »ein jeder es für seinem Hause fein rein und sauber halten (sol); Wann das Gesinde für den Thüren feget, solches Müll nicht nahe an die Gassen Rönne, damit dieselbige nicht dadurch verstopffet werde, bringen lassen, und da er ja wegen Mangelung des Raumes einigen Mist, Müll und dergleichen aus seinem Hause bringen und auf die Gassen schütten lassen müßte, solches dem Gassenmeister sofort ansagen lassen, damit er solches wegführen, und nicht eine Nacht über auf der Gassen liegen möge.«

Die Eidesformel des Gassenmeisters von 1660

 
Ein weiterer Paragraph beschrieb die Pflichten der Hausbesitzer. »Ein jeder Haußwirth sol für seiner Thüre das Müll dergestalt zusammenbringen lassen, damit der Gassenmeister, wann er mit dem Karren kömmt nur solches aufladen dörffte: Wie dann ein jeder Wirth dahin sehen sol, daß, wo er sonst das Müll auf seinem Hofe im Gefässe halten kann, solches bis der Gassenmeister ümbfähret, daselbst verwahre, damit die Gassen umb so vielmehr allezeit sauber bleiben mögen.«

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Die Berliner und Cöllner wurden somit verpflichtet, vor ihren Häusern Bürgersteige zu bauen, sie sauber zu halten, den Unrat auf den Höfen in Gefäßen zu sammeln und diese dann in den Wagen des Gassenmeisters zu entleeren. Bürgern, die sich nicht daran hielten, wurde der Unrat durchs Fenster ins Haus geworfen. Mit Gefängnis, im Wiederholungsfalle mit dem Pranger, wurden diejenigen bestraft, die auf dem Markt oder der Langen Brücke und anderen öffentlichen Gassen in »heimlicher Weise etwas für die Thüre schütten«. Baumaterial und Bauschutt sollte nicht auf der Straße liegen bleiben, weil, »die Pflasterung könnte verdorben werden«! »Alles, was an Mist, Müll und dergleichen, auf den Gassen gebracht wird, soll der Gassenmeister alleine wegführen, und sich daran kein Fuhrmann, bei Straffe eines Thalers vergreiffen«, hieß es in § 14.
     Außerdem verfügte Friedrich Wilhelm:
»Alle Schweinekoven, Ställe und dergleichen so einigen Stanck geben könnten, sollen von öffentlichen Gassen weggeschaffet: ferner auch an den Orten, woselbst nicht allbereit itzo bey Publication dieser Ordnung etwas herausgebauet ist, ferner nichts hingebauet werden, weil allgemeiner Stadt Wohlfahrt daran hänget, daß die Gassen raum und weit verbleiben, und nicht zugebauet werden.«
     Ein weiterer Artikel der Brunnen- und Gassenordnung - »Wie es hinter der Mauer auch für den Thoren zu halten« - verbot das wilde Abladen von Müll an der Stadtmauer und den Bau von Schweineställen dort.
Der Große Kurfürst setzte einen Gassenmeister ein, der zwei Karren erhielt und die Aufgabe hatte, täglich bimmelnd durch die Straßen zu fahren und den vor den Häusern zusammengetragenen Unrat und Kehricht aufzuladen und nur an dem Ort abzuladen, den ihm alljährlich der Rat der Stadt zuwies. Zu den weiteren Pflichten des Gassenmeisters gehörten, »in solchem seinem Dienst sol er fleißig seyn: sich des vollsauffens enthalten: das Pferd in acht nehmen«. Er hatte den Karren instand zu halten, bei Krankheit für Vertretung zu sorgen und einen Eid zu leisten.
     Die Beleidigung oder Verspottung des Gassenmeisters - einer Amtsperson - wurde mit 10 Talern geahndet.
     Mit § 13 des Artikels V wurde gewarnt: »Es sol sich keiner frevelhafftig unterfangen, die Bäume, oder Weinstöcke, so für den Thüren allbereit gepflanzet, oder noch künfftig möchten auf den Gassen gesetzet werden, zu beschädigen, oder zu behauen. Solte jemand dessen überwiesen werden, sol er, er sey, wer er wolle, andern zum Abscheu mit Abhawung der Faust gestraffet werden.«
     Mit dieser Gassenordnung waren klare Regelungen getroffen für das Verhalten der Bürger. Doch 20 Jahre später erließ der Große Kurfürst eine weitere Brunnen- und Gassenordnung. Diese unterschied sich von der ersten in der Erhöhung der Strafen.

Bildquelle: Archiv Autorin

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 8/2000
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