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Biographisches Lexikon

Aschheim, Selmar
* 1. Oktober 1878 in Berlin
† 15. Februar 1965 in Paris
Arzt/ Gynäkologe

A. legte das Abitur am Askanischen Gymnasium in Berlin ab und studierte Medizin. Von 1912 bis 1935 leitete er des Laboratorium der Charité- Frauenklinik und vollbrachte Pionierleistungen auf dem neuartigen medizinischen Fachgebiet der Sexualendokrinologie. Ab Mitte der 20er Jahre wandte er sich gemeinsam mit Bernhard Zondek verstärkt der Erforschung der Hormone des Ovariums zu. Beide entwickelten 1927 den ersten biologischen Frühschwangerschaftest durch Hormonnachweis im Urin (»Aschheim- Zondek- Reaktion«, AZR) und erlangten internationale Anerkennung. 1931 erhielt A. eine Honorarprofessur an der Charité, während er 1935 als »Nichtarier« beurlaubt wurde. 1936 emigrierte er nach Paris und fand eine Anstellung am Collège de France. Die Humboldt- Universität zu Berlin verlieh ihm 1960 die Ehrendoktorwürde.

Böß, Gustav August Johann Heinrich
* 11. April 1873 in Gießen
† 6. Februar 1946 in Bernried (Starnberger See)
Jurist, Volkswirt, Kommunalpolitiker

B. wurde als Sohn eines Prokuristen geboren und studierte in seiner Heimatstadt Jura und Volkswirtschaft. Seine berufliche Entwicklung begann im hessischen Finanzdienst, später setzte er sie bei der preußisch- hessischen Eisenbahnverwaltung fort. 1910 übernahm er kommunale Funktionen wie Verkehrsstadtrat in Schöneberg und 1912 Stadtkämmerer in Berlin. Am 20. Januar 1921 trat er das Amt des Oberbürgermeisters von Berlin an. Er schuf die einheitliche Groß- Berliner Verwaltung und einen arbeitsfähigen Magistrat. Berlin hat seiner Amtstätigkeit eine Reihe von Errungenschaften zu verdanken, so das im Februar 1922 vorgelegte Programm zur Schaffung von Parks, Spiel- und Sportplätzen. Da die Vorhaben auch durch Spenden aus der Wirtschaft finanziert wurden, entsprang daraus der Vorwurf unzulässiger Verquickung von amtlichen und geschäftlichen Interessen. Es entstanden unter anderem das Poststadion, die Sportplätze in Charlottenburg am Rande des Grunewalds und im Volkspark Jungfernheide, der Dominicus- Sportplatz. Mit gleichem Engagement sorgte sich B. um die Beseitigung sozialer Mißstände, die Kunstpflege und die Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Stadt. Berlin wurde in den zwanziger Jahren zu einem Messe- und Ausstellungsort ausgebaut, 1926 fand erstmals die »Grüne Woche« statt. Sein Name spielte im Skandal um die Sklarek- Brüder eine Rolle, weshalb er sich 1930 in den Ruhestand versetzen ließ. Die Stadt ehrte ihn mit der Gustav- Böß- Straße am Roten Rathaus.

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Bruch, Max Karl August
* 6. Januar 1838 in Köln
† 2. Oktober 1920 in Berlin
Komponist und Dirigent

Die frühe musikalische Ausbildung erhielt B. bei seiner Mutter, die Musiklehrerin war. Bereits im 14. Lebensjahr stellte er seine erste eigene Sinfonie öffentlich vor. Er galt zu seiner Zeit als »Wunderkind der Musik«. In den Jahren von 1853 bis 1857 war er Meisterschüler von F. Hiller und K. Reineck in Köln. Dann erhielt B. ein Stipendium von der Mozartstiftung in Frankfurt (Main). Er unterrichtete bis 1861 in Köln. Von 1862 bis 1870 war er als Kapellmeister bzw. Hofkapellmeister in verschiedenen deutschen Städten engagiert. 1871 kam er nach Berlin, wo er zwei Jahre lang wirkte. 1878 kehrte er nach Berlin zurück und unterrichtete am Konservatorium, das 1850 in Berlin, Friedrichstraße 225, vom Musikdirektor J. Stern gegründet worden war. Im Jahre 1880 heiratete B. die Sängerin Clara Taczek. Von 1883 bis 1890 hatte er Engagements bei der Philharmonic Society in Liverpool und war Leiter des Breslauer Orchestervereins. 1891 ließ er sich endgültig in Berlin nieder. Im Jahre 1908 erhielt der Komponist den Pour le mérite der Friedensklasse für sein Werk. Ab 1910 leitete Professor Bruch die Meisterklasse für Komposition an der Akademie der Künste. Er schrieb drei Sinfonien und drei Violinkonzerte. Ferner gehören Opern wie »Loreley« und »Hermione« zu seinem Werk, von dem allerdings nur sein Violinkonzert g-Moll aus dem Jahre 1868 heute noch häufig gespielt wird. B. vertonte unter anderem Schillers »Lied an die Glocke«. B. verstarb als Friedenauer Ehrenbürger 1920 in der Albestraße 3 (Gedenktafel). Sein Ehrengrab befindet sich auf dem Alten St.-Matthäus- Kirchhof, Schöneberg.

Dohm, Hedwig Marianne Adelheide (Adelaide), geb. Schlesinger
* 20. September 1833 in Berlin
† 4. Juni 1919 in Berlin
Schriftstellerin

Sie war die Tochter des Tabakfabrikanten Gustav Adolph Gotthold Schlesinger. Die revolutionären Ereignisse im Berlin des Jahres 1848 weckten bei der Fünfzehnjährigen ein lebhaftes Interesse an Politik. Ab 1851 absolvierte sie eine Lehrerinnenausbildung. Im Jahre 1852 heiratete sie den Publizisten Wilhelm Ernst Dohm (eigtl. Levy, Elias, 1819-1883), der in den Jahren von 1849 bis 1883 Redakteur des »Kladderadatsch« war. Das Ehepaar wohnte (1859) in der Matthäikirchstraße 4 in Tiergarten. Es zog später in die Potsdamer Straße 27a (heute Nummer 72) um. D. kam mit den Varnhagens, Fontane, der Familie Humboldt und Fanny Lewald in Kontakt. Ab 1872 publizierte sie engagierte Beiträge für die juristische und gesellschaftliche Gleichstellung der Frauen, so unter anderem ihre 1873 verfaßte Kampfschrift »Jesuitismus im Hausstande«, mit der sie die wirtschaftliche, geistige und politische Unabhängigkeit der Frau forderte. D. verfügte über enge Kontakte zu den Frauenrechtlerinnen Alice Salomon und Helene Lange. Sie selbst hatte für fünf Kinder zu sorgen und lebte - vor allem nach dem frühen Tod ihres Ehemannes - zurückgezogen in Berlin. Sie bezog 1883 das Haus Nummer 28 in der Matthäikirchstraße (Tiergarten). Im Jahre 1895 erschien ihr erster Roman »Sibilla Dalmar«. Ferner veröffentlichte sie 1874 die »Wissenschaftliche Emanzipation der Frau«. Sie wohnte ab ungefähr 1900 in der Tiergartenstraße 19. Im Jahre 1915 plädierte sie mit der Schrift »Mißbrauch des Todes. Senile Impressionen« konsequent für den Pazifismus. Sie war die Großmutter mütterlicherseits von Katia Mann, geborene Pringsheim. D. wurde auf dem Friedhof der St. Matthäi- Gemeinde, Großgörschenstraße 12 14, bestattet. Eine Oberschule in Tiergarten wurde nach ihr benannt.

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Grosz, George (eigtl. Groß, Georg Ehrenfried)
* 26. Juli 1893 in Berlin
† 6. Juli 1959 in Berlin
Maler

Seine Karikaturen machten ihn in den 20er Jahren zum bekanntesten Satirezeichner Deutschlands. Er war das dritte Kind des Gastwirtes der »Bauern- Schänke« Ehrenfried Groß in der Jägerstraße 63. Nach einem Studium von 1909 bis 1912 an der Sächsischen Kunstakademie in Dresden setzte G. seine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule in Berlin bei Emil Orlik bis zum Ausbruch des Weltkrieges fort. Er meldete sich am 11. November 1914 freiwillig zum Militär, doch wich seine Kriegsbegeisterung bald einem überzeugten Pazifismus. 1915 wurde er wegen Krankheit aus dem Heer entlassen. Im gleichen Jahr traf er mit Wieland Herzfelde, John Heartfield, Johannes. R. Becher, Walter Benjamin und anderen zusammen. Er zeichnete für Pfemferts »Die Aktion«. In jenen Jahren 1915/16 änderte er auch seinen Namen in George Grosz. 1916 arbeitete G. gemeinsam mit W. Herzfelde an der 1915 übernommenen Zeitschrift »Neue Jugend«, und später zeichnete er für Herzfeldes Malik- Verlag. Im April 1918 gründete G. in Berlin den ersten »Dada- Club« mit. Er trat in die gerade gegründete KPD ein. In den Jahren von 1921 bis 1928 wohnte er Hohenzollerndamm 201. In den zwanziger Jahren wurde er wegen seiner Satiren mehrmals zu Geldstrafen wegen »Verunglimpfung der Reichswehr« und »Gotteslästerung« verurteilt. Er schuf auch Gemälde, Photomontagen auch zusammen mit John Heartfield sowie Illustrationen für Bücher zeitgenössischer Autoren und Bühnenbilder. 1932 erhielt G. eine Gastdozentur an der Art Students Leage in New York, wo er während des NS-Regimes lebte. G. gründete in den USA eine eigene Kunstschule. In Deutschland wurden seine Bilder verboten, 285 von ihnen wurden verbrannt. 1938 wurde Grosz ausgebürgert. Erst 1959 kam er nach West-Berlin zurück und wohnte am Savignyplatz. Er starb durch einen Unfall.
     Sein Ehrengrab befindet sich auf dem Landeseigenen Friedhof Heerstraße (Charlottenburg), Gedenktafeln am Savignyplatz 5 (Charlottenburg) und Trautenaustraße 12 (Wilmersdorf).

Hirschfeld, Magnus
* 14. Mai 1868 in Kolberg
† 14. Mai 1935 in Nizza
Arzt/ Sozialmediziner

Seit 1896 praktischer Arzt in Berlin- Charlottenburg, widmete er sich frühzeitig der wissenschaftlich- medizinischen Aufklärung der Homosexualität. Die Abschaffung des § 175 StGB unter dem Leitsatz: »Durch Wissenschaft zur Gerechtigkeit« betrachtete er als lebenslange Aufgabe. H. gründete 1897 das »Wissenschaftlich- humanitäre Komitee« (WhK), das er 30 Jahre leitete. Ab 1919 initiierte, finanzierte und leitete er das »Institut für Sexualwissenschaft«, das In den Zelten 10 bis zur Plünderung durch die Faschisten 1933 existierte. Zahlreiche Homosexuelle fanden hier auch unentgeltlich sexualmedizinische Beratung. Im Widerspruch zu Gesellschaft, Staat und Kirche stehend, verfocht er die dem Willen der Betroffenen entzogene Naturhaftigkeit der Homosexualität. Sie sei weder Laster noch strafwürdig. Sein Institut wurde zwar zur Heimstatt für Homosexuelle, im öffentlichen Leben und von der offiziellen Wissenschaft jedoch gemieden. 1924 genehmigte die preußische Regierung die Wandlung des Instituts in eine gemeinnützige Stiftung. Von 1921 bis 1932 fanden unter Leitung von H. fünf »Internationale Tagungen für Sexualreform auf wissenschaftlicher Grundlage« statt. 1928 erfolgte durch H. die Gründung der »Weltliga für Sexualreform«, die sich mit seinem Tod auflöste. Er lebte seit Mai 1932 im Exil in Frankreich; seine Bücher wurden am 10. Mai 1933 auf dem Opernplatz verbrannt. Gedenktafeln befinden sich am Spreeuferweg/ In den Zelten 8-10 (Tiergarten) und Otto-Suhr- Allee 93 (Charlottenburg).

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   202   Lexikon   Voriges BlattNächstes Blatt
Jacobsohn, Siegfried
* 28. Januar 1881 in Berlin
† 3. Dezember 1926 in Berlin
Publizist

Er war der Sohn einer wenig begüterten Kaufmannsfamilie. J. war Gasthörer an der Berliner Universität in der Fachrichtung Germanistik. 1901 wurde er bei der »Welt am Montag« Theaterkritiker. Er heiratete Edith Schiffer. 1905 gründete er »Die Schaubühne«, eine der einflußreichsten Theaterzeitschriften jener Zeit. Sie erschien ab 1913 mit erweitertem Inhalt und dem Untertitel »Wochenzeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft«. Nach der Novemberrevolution erhielt sie im April 1919 die Bezeichnung »Weltbühne«. Die »Weltbühne« entwickelte sich zum führenden Organ der pazifistischen Linken in der Weimarer Republik. J. gewann bereits 1913 Kurt Tucholsky als wichtigsten Mitarbeiter der Zeitschrift. J. war ein konsequenter Förderer neuer Dramatik und ein bedeutender Stilist. Nachdem er 1926 einen Artikel über die Beziehungen der Reichswehr zur illegalen Schwarzen Reichswehr geschrieben hatte, wurde er noch kurz vor seinem Tode des Landesverrats angeklagt. Zu seinen Werken gehören unter anderen »Das Theater der Reichshauptstadt« (1904), »Max Reinhardt« (1910), die zehn Bände »Das Jahr der Bühne« (1912-1921) und »Der Fall Jacobsohn« (1913). Sein Ehrengrab befindet sich auf dem Südwestfriedhof in Stahnsdorf.

Lange, Helene E.
* 9. April 1848 in Oldenburg
† 13. Mai 1930 in Berlin
Politikerin

Sie war die Tochter des Oldenburger Kaufmanns Carl Theodor Lange. Sie wuchs, da sie sehr früh Waise wurde, in einem Pfarrhaushalt auf. L. besuchte eine höhere Mädchenschule zur Vorbereitung auf das Lehrerinnenseminar. Ab 1871 lebte sie in Berlin. 1876 übernahm L. die Leitung eines Berliner Lehrerinnenseminars, die sie insgesamt 15 Jahre innehatte. Sie trat für gemäßigte bürgerliche Frauenrechte ein. Bald war sie eine anerkannte Autorität auf dem Gebiet der Mädchenausbildung in Deutschland. Gemeinsam mit anderen Frauenrechtlerinnen sandte sie 1887 die Petition »Die höhere Mädchenausbildung und ihre Bestimmung« (Gelbe Broschüre) an das Preußische Abgeordnetenhaus. Diese Schrift wurde zugleich der Öffentlichkeit übergeben. Sie arbeitete als Oberlehrerin an einer privaten Töchterschule, wo 1896 erstmals sechs Schülerinnen das Abitur ablegen durften. Gemeinsam mit Auguste Schmidt gründete L. 1890 den »Allgemeinen Deutschen Lehrerinnenverein«. 1898 lernte sie ihre spätere Lebensgefährtin Gertrud Bäumer kennen. Gemeinsam gaben sie von 1901 bis 1906 das »Handbuch der Frauenbewegung« in vier Bänden heraus. 1902 wurde sie Vorsitzende des Allgemeinen deutschen Frauenvereins, der 1865 in Leipzig als Dachorganisation der Frauenbildungsvereine gegründet worden war. Während des Ersten Weltkrieges engagierte sie sich an der »Heimatfront« und unterstützte eine nationalistische Politik. Im November 1918 trat sie der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) bei und war von 1925 bis 1930 deren Ehrenvorsitzende. Sie wohnte (1926) Hansaufer 7. Ihr Ehrengrab befindet sich auf dem Landeseigenen Friedhof Heerstraße (Charlottenburg), eine Gedenktafel in der Kunz-Buntschuh- Straße 7 in Wilmersdorf.

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   203   Lexikon   Voriges BlattNächstes Blatt
Lehmbruck, Wilhelm
* 4. Januar 1881 in Duisburg- Meiderich
† 25. März 1919 in Berlin
Bildhauer

Der Sohn des Bergarbeiters Wilhelm Lehmbruck (1845-1899) studierte zuerst bis 1901 an der Kunstgewerbeschule Düsseldorf, war dann ab Mai 1901 an der Kunstakademie in Düsseldorf Meisterschüler. Er heiratete 1908 Anita Kaufmann. Nach einem Aufenthalt in Italien ließ er sich 1910 in Paris nieder. Er schuf Plastiken und lebensgroße Marmorfiguren. Bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges ließ sich L. in Berlin nieder und wurde 1916 Kriegsmaler in Straßburg. Durch Kriegserfahrungen war er tief deprimiert, was sich u.a. in seiner Plastik »Der Gestürzte« von 1915/16 widerspiegelte. Weitere Werke: »Mutter und Kind« (1917), »Große Sinnende« (1913/14), »Emporsteigender Jüngling«, »Die Kniende«, »Die Rückblickende«, »Die Badende«, »Gesenkter Frauenkopf«. Er wählte 1919 den Freitod.
     Die Lehmbruckstraße ( Friedrichshain) ist nach ihm benannt.

Liepmann, Wilhelm
* 5. Dezember 1878 in Danzig
† 18. März 1939 in Istanbul
Arzt/ Gynäkologe und Geburtshelfer

L. erhielt 1929 an der Charité den ersten Lehrstuhl für »Soziale Gynäkologie« in Deutschland. An der Frauenklinik Cecilienhaus in Charlottenburg widmete er sich in Zusammenarbeit mit den Krankenkassen der wissenschaftlichen Bearbeitung sozialgynäkologischer Probleme. 1923 wurde er Mitglied der Gesellschaft für »Freunde des neuen Rußland« und Gründer des Museums für Frauenkunde als Beitrag zur Gesundheitserziehung. Als »Nichtarier« wurde ihm am 3. Mai 1933 der Lehrauftrag entzogen, weshalb er in die Türkei emigrierte und dort an die Universitäts- Frauenklinik Istanbul berufen wurde.

Lubitsch, Ernst
* 29. Januar 1892 in Berlin
† 30. November 1947 in Los Angeles
Filmregisseur

L. besuchte das Sophiengymnasium und begann dann in der Konfektionsfirma Hoffmann & Co. eine Lehre. Er trat bereits zu dieser Zeit in kleineren Kabaretts auf. Die Bekanntschaft mit dem Schauspieler Victor Arnold bestärkte ihn in seinem Wunsch, ganz zur Bühne überzuwechseln. L. nahm Schauspielunterricht und war ab 1911 am Deutschen Theater bei Max Reinhardt als Schauspieler engagiert. Seine erste Filmrolle spielte Lubitsch 1913 in »Die ideale Gattin«, die erste Filmregie führte er 1914 in dem Film »Blinde Kuh«. Die damals gerade gegründete Union- Film engagierte ihn als Regisseur und Schauspieler. Er drehte dann eine Reihe von Komödien (unter anderem »Die Austernprinzessin«, »Die Augen der Mumie Ma«), deren künstlerische Qualität seinen Ruf als bedeutender Filmschöpfer begründeten. 1922 heiratete er die Schauspielerin Irni (Helene, Leni) Kraus. Sein großer Erfolg mit dem Film »Madame Dubarry« 1919 war das Sprungbrett für Hollywood. Er bekam einen Vertrag mit den »Warner Brothers«. 1928 wechselte er zur »Paramount«. Im Jahre 1933 erhielt er die Staatsbürgerschaft der USA. In den Jahren von 1933 bis 1936 war er Produktionschef der »Paramount«, wo er unter anderem mit Marlene Dietrich den Film »Angel« produzierte. Sein Film »To Be or not To Be« wird als eine der bedeutendsten Anti-Hitler- Satiren gewertet.
      Eine Gedenktafel befindet sich Schönhauser Allee 183 (Prenzlauer Berg).

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   204   Lexikon   Voriges BlattNächstes Blatt
Sahm, Heinrich
* 12. September 1877 in Anklam
† 2./3. Oktober 1939 in Oslo
Jurist, Kommunalpolitiker

Der Sohn des Kaufmannes Heinrich Sahm studierte nach dem Abitur, das er 1896 an einem Stettiner Gymnasium abgelegt hatte, Rechts- und Staatswissenschaft an der Münchner Universität. Er setzte sein Studium dann in Berlin und Greifswald fort. S. erhielt 1906 in Magdeburg eine Anstellung als Stadtrat. Im Jahre 1912 wurde er zweiter Bürgermeister von Bochum. Dieses Amt übte er bis 1915 aus. Während des Ersten Weltkrieges war er von August 1915 bis Februar 1918 Kommunalreferent bei der Zivilverwaltung in Warschau. In Stettin heiratete er Dora Rolfss. Am 25. Februar 1919 wurde der Parteilose zum Oberbürgermeister von Danzig gewählt, ein Jahr später zum Danziger Staatsoberhaupt. Im Jahre 1930 musste S. von seinem Amt zurücktreten. Er kam nach Berlin und wurde am 14. April 1931 als Nachfolger von Gustav Böß zum Oberbürgermeister gewählt. 1933 wurde ihm der Nazi Julius Lippert an die Seite gestellt. S. war gezwungen, demokratisch gesinnte Stadtbeamte und alle diejenigen, die den Nazis nicht genehm waren, zu entlassen. Am 9. Dezember 1935 wurde sein Rücktritt vom kommunalen Amt als Staatskommissar offiziell bekanntgegeben. Die Hitler- Regierung ernannte S., der nach wie vor keiner Partei angehörte, zum Gesandten in Oslo, wo er verstarb. Sein Ehrengrab befindet sich auf dem Städtischen Waldfriedhof in Dahlem.

Salomon, Alice
* 19. April 1872 in Berlin
† 30. August 1948 in New York
Nationalökonomin

Ihr Lebenswerk besteht in der Begründung des Berufs der medizinisch und soziologisch geschulten Gesundheitsfürsorgerin im Rahmen der bürgerlichen Frauenbewegung. 1902 begann sie an der Friedrich- Wilhelm- Universität Berlin das Studium der Nationalökonomie, das sie 1906 mit der Promotion zum Dr. phil. abschloß. Bereits 1893 war sie Mitglied der »Mädchen- und Frauengruppe für soziale Hilfsarbeit«; ab 1899 deren Vorsitzende. 1900 wurde sie Mitglied des Vorstandes des »Bundes Deutscher Frauenvereine«, in dem sie bis 1920 als 2. Vorsitzende fungierte. Am 15. Oktober 1908 gründete sie die erste »Soziale Frauenschule« in Berlin, in der Frauen aus dem Bürgertum fachliche Kenntnisse für sachkundige Fürsorge vermittelt wurde. Ebenfalls 1908 erfolgte die Wahl in den Vorstand des »Internationalen Frauenbundes« in Genf, dessen Vizepräsidentin sie bis 1920 war. Ihre rege publizistische Tätigkeit brachte u.a. 1921 »Leitfaden der Wohlfahrtspflege« und 1926 »Soziale Diagnosen« hervor. 1925 erfolgte die Wahl zur Vorsitzenden der neugegründeten deutschen »Akademie für soziale und pädagogische Frauenberufe«. 1932 erhielt sie die preußische »Silberne Staatsmedaille« und die Ehrendoktorwürde der Charité, ehe sie 1933 als Jüdin von den Faschisten aus allen Ämtern entlassen wurde und 1937 nach England und später in die USA emigrieren musste. Eine Gedenktafel befindet sich in der Goltzstraße 43/44 (Schöneberg), der Alice-Salomon- Platz in Hellersdorf.

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   205   Lexikon   Voriges BlattNächstes Blatt
Schönberg, Arnold
* 13. September 1874 in Wien
† 13. Juli 1951 in Los Angeles
Komponist

S. bildete sich autodidaktisch zum Komponisten aus. Er war von der Musik Richard Wagners so beeindruckt, dass er sich 1898 taufen ließ. Ende des Jahres 1901 kam er als Dirigent ans Kabarett »Überbrettl« nach Berlin. Zugleich war er hier Lehrer für Musiktheorie am Stern'schen Konservatorium. In den Jahren von 1908 bis 1921 sind seine kompositorischen Werke durch freie Tonalität und hohe Expressivität charakterisiert. Er lebte von 1913 bis 1915 in der Sembritzkistraße 33. Im folgenden Schaffensabschnitt widmete sich S. der Methode der Zwölftontechnik, was die Musikentwicklung insgesamt nachhaltig beeinflußte.
     Im Jahre 1925 wurde S. an die Preußische Akademie der Künste berufen, wo er die Meisterklasse für musikalische Komposition leitete. Im Juni 1930 wurden seine Opern »Erwartung« und »Die glückliche Hand« in der Kroll-Oper in Berlin erstaufgeführt. Er vollendete in Berlin eines seiner wichtigsten Werke, die Suite op. 29. In den Jahren zwischen 1930 und 1932 schrieb er seine Oper »Moses und Aron«, die unvollendet blieb. Im Mai 1933 war er gezwungen, nach Frankreich zu emigrieren, später in die USA. Am 9. Dezember 1933 wurde S. als Mitglied der Akademie suspendiert.
     Eine Gedenktafel befindet sich Sembritzkistraße 33 (Steglitz); in Weißensee trägt der Arnold- Schönberg- Platz, in Neukölln der Schönbergweg seinen Namen.

Schwechten, Franz Heinrich
* 12. August 1841 in Köln
† 11. August 1924 in Berlin
Architekt

S. studierte ab 1861 an der Königlichen Bauakademie in Berlin. Im Jahre 1869 erhielt er vom Architektenverein für seinen Entwurf zum »Parlamentshaus für Preußen« den Schinkel- Preis und unternahm daraufhin eine einjährige Italienreise. Er vervollkommnete 1869 sein Wissen und seine Fähigkeiten in den Ateliers von Martin Gropius und August Stüler in Berlin. 1871 war Schwechten Leiter des Projektierungsbüros der Berlin- Anhalter Eisenbahngesellschaft. Nach seinen Plänen wurde zwischen 1875 und 1880 der Anhalter Bahnhof gebaut. Ferner entstanden nach seinen Entwürfen Industriebauten, 1881 der Erweiterungsbau der Kriegsakademie und der Konzertsaal der Philharmonie, 1891 die Schultheiß- Brauerei in der Schönhauser Allee und von 1891 bis 1895 die Kaiser- Wilhelm- Gedächtniskirche. 1885 wurde er ordentliches Mitglied der Königlich Preußischen Akademie der Künste zu Berlin. Drei Jahre später wurde er deren Senatsmitglied und Königlicher Baurat. Ab 1885 lehrte Schwechten auch als Dozent an der Technischen Hochschule Charlottenburg. 1918 wurde er Ehrenvorsitzender des Architektenverbands Deutschlands. Zu seinen Werken gehören die Apostel-Paulus- Kirche in Schöneberg sowie die St.-Simeons- Kirche.
     Sein Grab befindet sich auf dem Alten Friedhof der Paul-Gerhardt- Kirche in Schöneberg, Hauptstraße 47.

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   206   Lexikon   Voriges BlattNächstes Blatt
Ury, Lesser
* 7. November 1861 in Birnbaum (Provinz Posen)
† 18. Oktober 1931 in Berlin
Maler

Nach einer abgebrochenen Lehre in der Berliner Konfektionsbranche ging L. an die Akademie nach Düsseldorf, setzte seine Ausbildung in Brüssel und Paris fort. Als Maler und Grafiker begann er Sujets der Bibel und des jüdischen Familienlebens zu malen. 1887 ließ er sich in Berlin als Maler nieder. U. gründete gemeinsam mit Max Liebermann, Walter Leistikow, Lovis Corinth und anderen 1898 die Berliner Secession, die ihn 1921 zu ihrem Ehrenmitglied ernannte. Bei der Einweihung des neuen Secessions- Ausstellungsgebäudes, Kurfürstendamm 208/209, wurde 1905 eine Auswahl seiner Werke gezeigt. Ab Ende des 19. Jahrhunderts wohnte und arbeitete U. in der Dachgeschoßwohnung des Hauses Nollendorfplatz 1. Er malte vor allem im impressionistischen Stil Landschaften der Mark. Ähnlich wie Liebermann ließ er sich von Malern der französischen Moderne inspirieren. Er gewann dem Alltag der Großstadt Berlin seine Motive ab. Zu seinen Werken gehören »Jerusalem« (1896), »Adam und Eva nach der Vertreibung« (1901) sowie seine Bilder aus dem Straßenleben von Berlin, wie »Cafe Bauer«, »Tiergartenstraße«, und »Bahnhof Friedrichstraße«. Zeitgenossen schätzten U. als Sonderling ein, der wenig angepasst und dadurch zurückgezogen lebte. Sein Werk wurde jahrzehntelang missachtet. Die Nationalgalerie zeigte erst nach seinem Tod Gemälde von ihm. Während der NS-Diktatur wurde eine Vielzahl seiner Bilder zerstört. U. wurde auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee bestattet, wo ihm die Jüdische Gemeinde von Berlin in der Ehrenreihe einen Gedenkstein setzte und die Stadt Berlin ihm ein Ehrengrab widmete. Eine Gedenktafel befindet sich am Nollendorfplatz 1 (Schöneberg)

Waldeyer-Hartz, Heinrich Wilhelm Gottfried von
* 6. Oktober 1836 in Hehlen an der Weser (Kreis Minden)
† 23. Januar 1921 in Berlin
Arzt/ Anatom

W.-H. studierte 1856 bis 1859 Medizin und Mathematik in Göttingen und promovierte 1861 in Berlin. Bis 1883 war er als berufener Anatom in Breslau, wo er Emilie Dillenburger heiratete, in Königsberg und in Straßburg tätig. 1833 erfolgte der Ruf zum Ordinarius für Anatomie an die Charité. Er spezialisierte sich als topografischer Anatom und Anthropologe. Von 1896 bis 1919 fungierte er als Sekretär der mathematisch- physikalischen Klasse der Akademie der Wissenschaften. 1898/99 wurde er Rektor der Friedrich- Wilhelm- Universität Berlin. Er publizierte vor allem über Nervenfasern, über das Gehörorgan, die Eierstöcke sowie über die Augenbindehaut. W.-H. unterrichtete mehr als 20 000 Studenten im Fach Anatomie und schuf den Begriff »Neuron« für die kleinste selbständige Einheit im Nervensystem. Von 1896 bis 1919 fungierte er als Sekretär der Physikalisch- Mathematischen Klasse der Königlich- preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Bei W.-H., 1916 geadelt, findet sich eine extrem ablehnende Einstellung zum Studium von Frauen, für die er nach deren Zulassung zum Medizinstudium 1908 einen separaten Präpariersaal einrichten ließ. Er wohnte in der Lutherstraße 35 (1892). Nach ihm ist die Waldeyerstraße in Friedrichshain benannt.

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Wermuth, Adolf
* 23. März 1855 in Hannover
† 11. Oktober 1927 in Berlin
Jurist

Nach dem Jurastudium war er als Richter und danach in zahlreichen Regierungsämtern tätig. Im Reichsamt des Inneren wurde er 1908 Wirklicher Geheimer Rat und ein Jahr später Staatssekretär im Reichsschatzamt. Seine staatsdienstlichen, diplomatischen und Verhandlungserfahrungen bewog die Berliner Stadtverordnetenversammlung, ihn am 15. Mai 1912 zum Oberbürgermeister zu wählen. Dieses Amt übte er während des Ersten Weltkrieges und in den Anfangsjahren der Weimarer Republik aus. Seiner Amtsführung oblag ab 1915 die strengste Rationierung von Lebensmitteln infolge des Krieges, die im Kohlrübenwinter 1917 ihren Höhepunkt fand. W. setzte sich für die flächenmäßige Vergrößerung Berlins ein und erwarb Lanke, Grunewald, Teile der Tegeler, Grünauer und Schmöckwitzer Forsten noch vor dem Krieg. An der Bildung des Zweckverbandes Berlin 1912 und der Schaffung Groß-Berlins 1920 war er maßgeblich beteiligt. Als politischer Realist begrüßte er die Weimarer Republik, ohne jemals einer Partei angehört zu haben. Begraben wurde der 1920 aus dem Amt geschiedene W. auf dem Friedhof in Berlin- Buch. Der Wermuthplatz (Lichtenberg) und der Wermuthweg (Neukölln) wurden nach ihm benannt.

Ziethen, Friedrich Wilhelm Oskar
* 7. August 1858 in Stettin
† 26. Januar 1932 in Berlin
Jurist

Nach dem Jurastudium war Z. am Amtsgericht Stettin und beim Magistrat von Greifswald beschäftigt. 1892 wurde er Bürgermeister von Naugard (Pommern). Von 1896 bis 1921, nach der Neugliederung der Stadtgemeinde Berlin, stand er ununterbrochen als Amts- und Gemeindevorsteher, Bürgermeister und Oberbürgermeister an der Spitze Lichtenbergs. Seinem Organisationstalent verdankt Lichtenberg maßgeblich die Entwicklung vom Ort zum Dorf und zur Stadt und schließlich zu einem Bezirk der Reichshauptstadt. Unablässig kämpfte er um die Stadtrechte, die dann 1907 (mit Wirkung zum 1. 1. 1908) verliehen wurden. Z. verfolgte stets die Absicht, Lichtenberg baldmöglichst in Berlin einzugemeinden. Bereits 1908 wohnten 70000 Menschen in der Kommune. Unter seiner Amtsführung entstanden 1898 das Rathaus und 1914 das Hubertus- Krankenhaus, das am 20. Januar 1933 nach ihm benannt wurde. Am 3. November 1911 erhielt Z. den Titel Oberbürgermeister. Von 1908 bis 1913 war er preußischer Landtagsabgeordneter der freikonservativen Fraktion. Seine Grabstätte befindet sich auf dem Städtischen Friedhof in der Gotlindestraße.
     Berlin ernannte ihn 1924 zum Stadtältesten und benannte außer dem Krankenhaus auch eine Grundschule in Lichtenberg nach dem Bürgermeister.

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 6/2000
www.berlinische-monatsschrift.de