182 Geschichte und Geschichten | »Adlerschild« des Reiches |
Wolfgang Steguweit
Der »Adlerschild des Deutschen Reiches«1) Der Weimarer Republik war ein Konflikt in die Wiege gelegt worden, der seine Auswirkungen auch in den Bereichen Kunst und staatliche Repräsentation offenbarte. Gefordert war der entschiedene Bruch mit dem Pomp und der obrigkeitsstaatlichen Zurschaustellung der herrschenden Persönlichkeiten des Kaiserreiches; aber gleichermaßen notwendig war eine neue Identifizierung mit dem republikanischen Staat und seinen höchsten Repräsentanten in der Öffentlichkeit sowie eine symbolische Integrationskraft im föderalen System.
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Zeichen einer neuen, republikanischen Symbolwirkung gesetzt. Reichspräsident Ebert hatte am 11. August das »Lied der Deutschen« von Hoffmann von Fallersleben zur Nationalhymne erklärt.
Am 15. November verlieh der Präsident erstmals den so genannten Adlerschild an Gerhart Hauptmann (1862-1946) zu dessen 60. Geburtstag. Der 15. November 1922 wurde damit zum Tag der Stiftung dieser nicht tragbaren, höchsten Auszeichnung des Reiches, also eines verfassungskonformen Äquivalentes außerordentlicher staatlicher Ehrengeschenke der Weimarer Republik. Diese Ehrengabe verlieh der Reichspräsident mit einem Handschreiben an verdienstvolle Persönlichkeiten auf den Gebieten der Kunst und Kultur, der Geistes- und Naturwissenschaften, aber auch der Wirtschaft, die in der Regel das 70. oder 75. Lebensjahr erreicht hatten. Der Adlerschild selbst war eine 108 mm große bronzene Gußmedaille, montiert auf einem Bronzesockel und rückseitig mit Zweckinschrift versehen. Die Inschrift wurde auf die geehrte Persönlichkeit individuell zugeschnitten. Reichskunstwart Edwin Redslob (1884-1973), dessen nach der Revolution im Jahre 1920 neu geschaffenes Amt maßgeblich an der Schaffung dieser Medaille beteiligt war, hatte in einer Presseerklärung die neue Form der Auszeichnung und die neue Gestaltung des Reichsadlers der Öffentlichkeit vorgestellt: |
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»Die Schaffung einer Ehrenmedaille des Reichspräsidenten ... bot einen willkommenen Anlass, das bisher Erreichte in feinerer Abstimmung nun einmal in größerem Maßstab und in edlem Metall zur Ausführung zu bringen. Der Fortschritt gegenüber dem Münzadler ist ohne weiteres deutlich: die Vereinfachung des Adlerbildes der Vorderseite hinsichtlich der Formgebung des Gefieders, die straffere Zusammenfassung von Rumpf, Hals und Kopf des Tieres konnte die Geschlossenheit des Ganzen bedeutend steigern. Auch die Ausführung in einem kräftigen Relief bedeutet für die Medaille eine wertvolle Bereicherung, die sich naturgemäß nicht ohne weiteres auf Münzen wird übertragen lassen, weil hier der Reliefhöhe durch technische Forderungen sehr enge Grenzen gezogen sind ...«3) Redslob hatte den in München tätigen Bildhauermedailleur Josef Wackerle mit der Gestaltung der Medaille beauftragt. Wackerle war im Jahre 1921 aus einem Münzwettbewerb des Finanzministeriums |
als Sieger hervorgegangen, seine Formgebung des Reichsadlers wurde zum Vorbild für zahlreiche Münz- und Medaillengestaltungen in der Weimarer Republik. Der Adler Wackerles war nachdrücklich gewürdigt worden:
»In dem an einen gotischen Spitzbogen erinnernden Zusammenschlus der Schwingen und in der gestrafften und schlanken Anordnung des Ganzen, welche die aufsteigenden Linien betonen, ist ein Sinnbild geschaffen, das nicht nur ein Wappentier abbildet, sondern darüber hinaus den Reichsgedanken selbst zum Ausdruck bringt.«4) Der Adlerschild war in der Weimarer Republik insgesamt 19mal vergeben worden. Vorschlagsrecht an das über die Vergabe zu entscheidende Innenministerium hatte Reichskunstwart Redslob; die Auszeichnung und die Anfertigung der einzelnen Medaillen wurden in seinem Büro im Auftrag des Reichspräsidenten vorbereitet. | |
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Zu diesen Tätigkeiten gehörten die Auswahl der Künstler für die Gestaltung der jeweiligen individuellen Schriftseite und die Beauftragung für die Gießerei.
Gegossen wurden die Adlerschilde in der Berliner Bildgießerei Hermann Noack (Friedenau), die auch heute noch besteht und nach dem Zweiten Weltkrieg unter anderem durch die Wiederherstellung von Teilen der Quadriga auf dem Brandenburger Tor und des Kantdenkmals in Kaliningrad (ehemals Königsberg) ihre Qualität nachweisen konnte. Der Entwurf der Schriftseite war zumeist dem Berliner Grafiker und Schriftgestalter Karl-Tobias Schwab übertragen worden. Der Verbleib der meisten Adlerschilde - mit Ausnahme zu Gerhart Hauptmann und Friedrich Schmidt-Ott - konnte nicht ermittelt werden. Vermutlich ist ein Großteil seit Kriegsende verschollen. So ist der Adolf von Harnack im Jahre 1926 verliehene Schild nach Vermutung der Familie im Bombenhagel auf Berlin mit Teilen des Nachlasses vernichtet worden, auch Nachforschungen zu Max Liebermann blieben erfolglos. |
Verzeichnis der Ausgezeichneten (in chronologischer Folge):
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Interessanterweise wurde der von Reichspräsident Ebert 1922 eingeführte nichttragbare »Adlerschild des Deutschen Reiches« auch im Dritten Reich weiter verliehen. Nach 1934 wurde die Adlerform Wackerles allerdings durch einen »zeitgemäßen« Hoheitsadler ersetzt. Größe der Medaille und Sockel blieb dagegen unverändert. Die Bezeichnung wurde in »Der Führer und Reichskanzler«, ab 1940 nur noch »Der Führer«, abgewandelt. |
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Im Dritten Reich wurden bis 1944 insgesamt 38 Adlerschilde verliehen. Aus dieser Zeit konnte zwar kein vollständiges Exemplar nachgewiesen werden, jedoch haben sich in der Bildgießerei Noack die Zinnmodelle der Schriftseiten erhalten.
Die Gesamtzahl aller von 1922 bis 1944 verliehenen Adlerschilde beträgt somit 57. Folgenden Personen wurde der Adlerschild von 1933 bis 1944 verliehen:
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Quellen:
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 6/2000
www.berlinische-monatsschrift.de