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Horst Wagner
1. Februar 1987
Erstmals Fahrverbot wegen Smog

»2 500 Berliner Autofahrer von der Polizei bestraft: Jeder mußte 40 Mark Buße zahlen.« So lautete eine der Schlagzeilen, die die bei Ullstein- Springer erscheinende »BZ« am 2.Februar 1987 ihrem Bericht vom Vortag voranstellte. Hatte es schon im Januar in West-Berlin zweimal Smogwarnung gegeben, so sah sich der Umweltsenator gezwungen, am frühen Morgen des 1. Februar, einem Sonntag, die Smog- Alarmstufe 1 auszurufen. Schon am Vorabend war bei Bodentemperaturen von -12 bis -15 °C°und starkem Dunst der Schwefeldioxyd- Grenzwert von 1,4 Milligramm je Kubikmeter Luft überschritten worden. »Nach Angaben der Meteorologen«, so der »Tagesspiegel«, »hatte ein schwacher Südwestwind die Schadstoffe aus den Industriegebieten in Sachsen und Thüringen Richtung Berlin geweht.«
     Mit der Alarmstufe 1 galt seit Sonntagmorgen erstmals »Fahrverbot für alle Personenkraftwagen, die nicht als schadstoffarm eingestuft sind oder eine Sondergenehmigung haben«. Ausgenommen waren Taxis, Polizei- und Hilfsfahrzeuge. Freie Fahrt gab es auch »für alle,

die nach Ost-Berlin oder ins Bundesgebiet fahren wollen«. Wie die »BZ« berichtete, hatte die BVG am 1. Februar 175000 Fahrgäste mehr als an anderen Sonntagen. 11000 Autofahrer mußten ihre Wagen auf Smog- Parkplätzen zwangsparken. Bei denen, die das Fahrverbot mißachteten, reichten die Ausreden von der angeblichen Beerdigung der Großmutter bis zum gebrochenen Bein der Freundin. Aus Angst vor der dicken Luft verzichteten viele Berliner auf ihren Sonntagsspaziergang und öffneten auch ihre Fenster nicht.
     Auch am Montag, dem 2. Februar, bestand das Fahrverbot fort. Die Luft war inzwischen noch dicker geworden. Zwar waren die Autofahrer nun besser informiert, die über 600 eingesetzten »Smog-Polizisten« mußten aber wieder 3500 Fahrzeuge aus dem Verkehr ziehen und 2700 Verwarnungen aussprechen. In der Straßenverkehrs- Behörde bemühten sich 1800 PKW-Fahrer um Sondergenehmigungen und mußten dabei stundenlange Wartezeiten in Kauf nehmen. Die BVG erhöhte ihre Verkehrsdichte und mietete zusätzlich Busse an. In den Schulen wurde der Unterrichtsbeginn auf 9.45 Uhr verlegt. Die Kitas öffneten zwar pünktlich, aber den Eltern wurde geraten, ihre Kinder möglichst zu Hause zu behalten. Großbetriebe und öffentliche Gebäude wurden angewiesen, die Heizung auf 18 °C zu drosseln, und an die Bevölkerung wurde appelliert, auch in den Wohnungen an Heizenergie zu sparen.
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Zeitweilig wurde befürchtet, die Alarmstufe 2 ausrufen zu müssen, was bedeutet hätte, daß Betriebe mit hohem Schadstoffausstoß ihre Produktion hätten einstellen müssen. Dazu kam es aber nicht. Einsetzender stärkerer Ostwind trieb die dicke Luft schließlich auseinander, und der Smogalarm konnte aufgehoben werden.
     Bürgermeister Diepgen und Oppositionsführer Momper nahmen den Smog zu Beginn des Berlin- Jubiläumsjahres zum Anlaß, sich gemeinsam für den schnellen Abschluß eines innerdeutschen Umweltabkommens einzusetzen. Denn: »In der DDR«, so der »Tagesspiegel« vom 3. Februar 1987, »ist Smog-Alarm offiziell kein Thema ... Daten zur Umweltbelastung unterliegen schon seit Jahren strikter Geheimhaltung.« Während im Westen über schärfere Kriterien für Verkehrsbeschränkungen diskutiert werde, »tuckern in Ost-Berlin die ohnehin schadstoffverdächtigen PKW munter weiter«.

Berliner Medien reagieren aufgeregt
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 2/2000
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