57 Porträt | Ehrenbürger von Müffling |
Dagmar Girra »Übermüthig im Glück,verzagt im Unglück« Ehrenbürger Ferdinand von Müffling (17751851) Was mag den Berliner Magistrat und die Stadtverordneten bewogen haben,
Friedrich Carl Ferdinand von Müffling die
Ehrenbürgerschaft anzutragen? Einem vielfältig
begabten, hochkonservativen Militär, der sich jedoch keine Gelegenheit entgehen ließ, die »Zivilisten« der Berliner
Gemeindebehörden militärisch zu disziplinieren.
Doch konnte man dem Präsidenten des Staatsrates und Militärgouverneur von Berlin
diese Ehre vorenthalten?
| |||
Ferdinand von Müffling | |||
Chancen für eine militärische Karriere
zu haben. Nach der Ausbildung in Halle trat Müffling als Junker in das
Füsilier- Bataillon von Schenck, mit dem er 1790 nach
Schlesien und zwei Jahre später in das
Rheinland marschierte.
Um 1792 lernte er seine künftige Gattin, eine Freiin Wilhelmine von Schele, in Osnabrück kennen, die er 1799 heiratete. Der einzige Sohn, Friedrich Ludwig Eduard Georg Karl von Müffling, wurde 1801 zu Osnabrück geboren. | |||
58 Porträt | Ehrenbürger von Müffling |
Müffling, der sich besonders für die
Mathematik und das Landvermessungswesen interessierte und sich hierüber selbst eindrucksvolle Kenntnisse erarbeitete,
führte seine ersten Vermessungsarbeiten in
Westfalen durch. Dort war er nach dem Frieden von Basel (15. 4. 1795) an der
Demarkationslinie stationiert. Um 1799 arbeitete er
auch an dem dann in Leipzig veröffentlichten militärischen Wörterbuch mit.
Als der Preußische Generalstab in Potsdam neu geschaffen wurde, berief man ihn im Rang eines Quartiermeister- Leutnants dorthin, wo er von 1802 bis 1803 diente. Im Jahre 1804 war er in Weimar und wirkte in Thüringen an Vermessungsarbeiten mit. 1805 findet man Müffling erneut im Generalstab, nun im Rang eines Kapitäns. Ein Jahr darauf wurde er wieder nach Thüringen kommandiert, um an den Kämpfen gegen die napoleonischen Heere teilzunehmen. Hier hoffte man, seine zuvor erworbenen Terrainkenntnisse nutzen zu können. Nach dem Frieden von Tilsit 1807 trat von Müffling in die Zivildienste des Herzogs von Sachsen- Weimar ein und beaufsichtigte bis 1813 die Chausseebauten. Von 1813 bis 1814 nahm er an den entscheidenden Schlachten der Befreiungskriege teil und wurde nach der Völkerschlacht von Leipzig zum Obersten ernannt. Seit dem Waffenstillstand mit Frankreich fungierte von Müffling im Generalstab unter Gneisenau als Generalquartiermeister. |
Zeitgenossen beschrieben ihn als einen sehr ordnungsliebenden, in seinen Arbeiten außerordentlich genauen Menschen, der alle Erfolge und Mißerfolge vorausgesehen haben wollte, wobei er allerdings nur die Erfolge für sich buchte, da er ja Mißgeschicke in weiser Voraussicht vermieden hätte. Gneisenau äußerte sich über
Baron von Müffling in einem Brief an
Clausewitz: »... übermüthig im Glück, verzagt im
Unglück; wenn es gut ging, wollte er Alles an sich reißen, wenn es schlecht ging, ward er so hinfällig, daß er keine Arbeit mehr verrichten konnte«. Obgleich er seine militärischen Erfolge während der
Befreiungskriege unter den Anhängern und
Gestaltern der Stein- Hardenbergschen Reformen erfocht, blieb er stets, was er war: ein
erzkonservativer, vielseitig begabter Militär.
Die preußischen Könige wußten dies nach
1815 durchaus zu würdigen.
1815 kämpfte Müffling in Wellingtons Stab, und nach der Besetzung von Paris war er mehr als vier Monate Gouverneur der französischen Metropole. 1821 wurde er zum Chef des Generalstabs in Berlin ernannt. Im gleichen Jahr wurde der Generalstab dem König direkt unterstellt. Dies hatte nicht nur zur Folge, daß von Müffling unmittelbares Vortragsrecht beim König besaß. Viel bedeutender war verfassungsrechtlich die Trennung des Generalstabes vom Kriegsministerium, wenngleich damals technische Gründe geltend gemacht wur- | ||
59 Porträt | Ehrenbürger von Müffling |
den. Tatsächlich war der unmittelbare
Zugriff des Königs auf den Generalstab eine Finte, die Armee auch nach dem Erlaß
einer Verfassung als »Königsheer« zu erhalten.
Von Müffling entwickelte als Generalstabschef eine bemerkenswerte Tätigkeit. Er unternahm alljährlich Übungsreisen mit seinen Offizieren und organisierte kriegsgeschichtliche Forschungen. Zu den Ergebnissen gehört eine erste Geschichte des Siebenjährigen Krieges. Des weiteren beauftragte ihn Friedrich Wilhelm III. bis 1829 mit unterschiedlich komplizierten diplomatischen Missionen, worunter ihn eine 1829 zu Sultan Mahmud II. führte. Es gelang dem Diplomaten Müffling, zwischen den kriegführenden Parteien Rußland und Türkei zu vermitteln. Im gleichen Jahr wurde von Müffling kommandierender General des VII. Armeekorps in Münster und dann Gouverneur von Berlin. Dieses Amt trat er allerdings erst an, nachdem der König ihm ausdrücklich versichert hatte, daß er in dieser Funktion zugleich Chef der obersten Militärbehörde der Hauptstadt sein werde. Seine eigene Überhebung über die Berliner Zivilbehörden bereitete ihm einige Schwierigkeiten. Die Herabsetzung alles Nichtmilitärischen, die schnöde Behandlung der Berliner Verwaltung hatten keinen geringen Einfluß auf die wachsenden Spannungen zwischen der Zivilbevölkerung und dem Militär im Verlaufe der vierziger Jahre. |
Am 2. April 1838 wurde Baron von
Müffling zum Präsidenten des Staatsrates
ernannt. Ein Machtzuwachs für den karrierebewußten von Müffling erwuchs daraus
allerdings nicht mehr. Der Staatsrat hatte
längst seinen herausragenden Einfluß auf die
Geschicke Preußens, wie dies bis zu
Hardenbergs unmittelbaren Nachfolgern der Fall war, verloren.
Seit 1827 machten sich in Müfflings Beinen Lähmungserscheinungen bemerkbar, die ihn im Verlauf der Jahre immer mehr behinderten. Zudem kam eine allgemeine Schwäche der Augen hinzu, die ihn schließlich 1847 zwang, um seinen Abschied zu bitten. Der unmittelbare Anlaß war sicherlich der Umstand, daß der greise Gouverneur während der April- Unruhen von 1847 zu schlaff reagierte, es an militärischem Durchsetzungsvermögen fehlen ließ. Von Müffling, der in Berlin zunächst Unter den Linden 3 und später in der Oberwallstraße 4 wohnte, zog sich auf sein Gut Ringhofen in Thüringen zurück, wo er am 16. Januar 1851 verstarb. Bildquelle: Archiv LBV | ||
© Edition Luisenstadt, 1998
www.luise-berlin.de