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und verwaltete Berlin wurden
zunächst nicht bedacht, obwohl sie absehbar waren.
Die Kommunalpolitik im Jahre 1947 war dadurch gekennzeichnet, daß sich alles darum drehte, ob Berlin nach dem Willen der SED in die »antifaschistisch- demokratische Ordnung« der SBZ integriert oder nach den Wünschen der drei demokratischen Parteien an die westdeutsche Entwicklung angeschlossen werden sollte. Die Alternative lautete also: Ost- oder Westintegration. In praxi lähmte dieser Streit zunehmend die gesamtstädtische Verwaltung, zumal auch in der Alliierten Kommandantur immer weniger Einigungen in wichtigen Angelegenheiten erfolgten und immer öfter das Vetorecht zur Anwendung kam. Als Aus- oder besser: Umweg bediente man sich sektoraler Lösungen. Die Westmächte hatten schon im Sommer 1945 damit begonnen, in ihren Sektoren unerwünschte Bestimmungen und Zustände aus der Zeit der alleinigen sowjetischen Kontrolle, vor allem im Bereich von Wirtschaft, Verwaltung und Justiz, zu beseitigen. Seit Oktober 1946 griff der sowjetische Kommandant wiederholt mit Befehlen ein, um den Ostsektor enger an die Ostzone zu ketten. Die Tendenz zur sektoralen Trennung (Sektoralisierung) setzte sich am frühesten in der Wirtschaft, in der Justiz- und Polizeiverwaltung durch. Sie nahm zunehmend Züge einer Separierung an und verschärfte das Spannungsverhältnis zwischen Ost und West. | |||||
Gerhard Keiderling
Vertreibung oder kalkulierter Rückzug? Zur Spaltung der Berliner Stadtverwaltung vor 50 Jahren Die zahlreichen Veröffentlichungen zu den Luftbrückenfeiern 1998 gingen mit
wenigen Ausnahmen nur marginal auf die Spaltung Berlins im Herbst 1948 ein. Dabei standen beide Vorgänge in einem
ursächlichen Zusammenhang. Die im Kalten
Krieg wurzelnde Weise, die Verantwortung für
die Zerreißung der städtischen Einheit der
jeweils anderen Seite anzulasten, führte in der Vergangenheit zu dem Klischee: »imperialistische Spalter« versus
»kommunistische Rollkommandos«.
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Der politische Machtkampf um die
Führung und Orientierung der Stadtverwaltung war also spätestens nach den
Oktoberwahlen von 1946 in vollem Ausmaß entbrannt. Die sich gegenüberstehenden
Positionen ließen sich eindeutig bestimmen.
In Stalins Plänen spielte das in seiner Zone gelegene Berlin eine wichtige Rolle. Von der Hauptstadt aus wollte er seine Interessen und Absichten hinsichtlich Deutschlands durchsetzen; der letzte, mißlungene Versuch war die Volkskongreßbewegung, die im Dezember 1947 ins Leben gerufen wurde. Um diesen strategischen Wert Berlins nicht zu verlieren, bemühte man sich, die seit Sommer 1945 fortschreitende Erosion des sowjetischen Einflusses in der Stadt, besonders im Westteil, zum Stillstand zu bringen. Der SED wurde aufgetragen, den verlorengegangenen Boden durch Aktionseinheitsofferten an die SPD wiederzugewinnen. In dieses Konzept paßten keine abspalterischen Ziele hinein. Das separate Vorgehen im Ostsektor begründete man damit, daß dort, wo die Machtverhältnisse es zuließen, das Vorbild für die gesamte Stadt geschaffen werden müsse. Auf westalliierter Seite standen die Vorbereitungen zum Weststaat im Vordergrund. Man begann über eine »Frontbegradigung« im Kalten Krieg nachzudenken. Vorausblickende Kreise erkannten, daß die Sowjetunion mit Berlin ein Faustpfand in der Hand hielt, das sie gegen den Westen ins Feld | führen konnte. Sie empfahlen daher
den Rückzug, zumal ein Ausharren auf dem Berliner »outpost« viele Risiken und
unangemessenen Aufwand mit sich brächten.
Ein Schlüsseldokument für diese Bemühungen war das Memorandum »Die politische Position Berlins« vom 8. Juli 1947.1) Eingangs wurde der Wert eines freien, nichtkommunistischen Berlins für die westalliierte Politik aufgelistet: »Informationsquelle« für sowjetische Intentionen, »Grundlage für den Widerstand der Ostzonen- Bevölkerung«, »Aufklärung« über den Sowjetkommunismus und »Organisationszentrum« der nichtkommunistischen Parteien. Dann malte das Papier in düsteren Farben die Wirkungen einer »Räumung Berlins« aus: »Aufrollung der gesamteuropäischen Frage«, Auftrieb der prosowjetischen Kräfte und »völlige Bolschewisierung der europäischen Wirtschaft bis zur Elbe- Fulda- Linie mit all den propagandistischen Einflüssen, die etwa auf die sehr empfindsame Arbeiterschaft des Ruhrgebietes zu erwarten wären.« Mit allem Nachdruck wurde verlangt, »Berlin zu halten, damit von hier aus nicht eine bolschewistische Welle über Europa geht«. Die Konsequenzen dieser Politik für die Stadtverwaltung wurden nicht aufgezeigt. Es dürfte den Verfassern jedoch klar gewesen sein, daß trotz »konzentriertem und wirksamem Einsatz von Mitteln« bis zur letzten Entschlossenheit die Sowjetunion niemals auf die inmitten ihrer Zone gelege- | |||
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ne Stadt verzichten und die
Westmächte über ihre Zuständigkeit in den
Westsektoren hinaus nicht noch die Verantwortung
für den Ostsektor übernehmen würden.
Was das Memorandum nicht ansprach, demonstrierte der Magistrat in der Praxis. Die Beziehungen zur Bizone betrafen nur die Westsektoren.2) Da der Magistrat sich aus politischen Gründen des Kontaktes zur SBZ begab, verzichtete er weitgehend auf Mit- und Einwirkung im Ostsektor. Sein Programm hieß von nun an Westintegration bei gleichzeitiger Ostentflechtung, was mit der Aufrechterhaltung der städtischen Einheit nicht vereinbar war. Weil ein gesamtberliner Magistrat auf das Zusammenwirken aller vier Besatzungsmächte angewiesen war, konnte er auf Dauer nicht für die Realisierung westlicher Ziele benutzt werden. Die entscheidende Zäsur erfolgte mit der Einleitung der Weststaatsgründung im Frühjahr 1948. Der Trennschnitt in der deutschen Frage zog zwangsläufig einen Trennschnitt in der Viersektorenstadt nach sich. Die am 18. Juni 1948 verordnete Währungsreform für die Westzonen machte das Berliner Dilemma deutlich. Im »Währungskampf« (Ernst Reuter) drehte sich alles um die städtische Einheit. Als am 24. Juni 1948 die Westmächte in ihren Sektoren die »Doppelwährung« einführten3), waren deren nachteilige Auswirkungen sofort spürbar. Dennoch beteuerte man: »Die Berliner Verwaltung nimmt die Schwierigkeiten einer | Spaltung der Währung in Kauf und
sieht sich in der Lage, sie zu
meistern.«4) Auch in dem Memorandum an die Westmächte
vom 13. August 1948, das die sofortige
Einführung der DM (West) als alleiniges
gesetzliches Zahlungsmittel der Westsektoren
verlangte, damit diese »politisch unabhängig und
ein Hort demokratischer Freiheit bleiben«,
vertraten die Spitzen von SPD, CDU und LDP sowie UGO im Namen der Berliner
Bevölkerung die Ansicht, daß dadurch »die
Gefahr einer Spaltung der Stadt nicht stärker in Erscheinung treten würde, als es durch die sowjetischen Wirtschafts- und
Verwaltungsmaßnahmen bisher schon geschehen
ist«. 5) Die Westmächte präferierten eine
Umstellung auf DM (West) prinzipiell, um einen Abfluß der Westwährung und der
Luftbrückengüter in den Ostbereich zu
unterbinden, warteten aber noch auf einen
günstigen Zeitpunkt. Für die Kompromißvariante
in der Moskauer Währungsdirektive vom 30. August 1948, den Umlauf der Ostwährung in ganz Berlin unter den
Bedingungen einer Viermächte- Kontrolle zu
gestatten, war eine gesamtberliner Verwaltung unerläßlich.
Solange die vier Mächte also verhandelten, waren auf kommunalpolitischer Ebene noch keine Entscheidungen zu erwarten. Die Situation änderte sich schlagartig, als die Berliner Gespräche der vier Oberbefehlshaber zur Ausführung der Moskauer Direktive in der ersten Septemberwoche scheiter- | ||||
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ten. Der »Währungskampf« ging nun in
den »Kampf um das Rathaus« über.
Stimuliert von Blockade und Luftbrücke, vollzog sich das Spaltungsdrama in drei Akten. Der erste Akt dauerte von der kapitulantenhaften Hinnahme der Währungsreformen durch die städtischen Körperschaften am 23. Juni bis Ende August 1948. Die »Atomisierung der Berliner Verwaltung«, wie es Willy Brandt formulierte,6) schritt unaufhaltsam voran. In den Westsektoren wurde die Bildung eines »administrativen Notausschusses für die besonderen Bedürfnisse der Westsektoren« erwogen, um in der »Stunde X« eine arbeitsfähige Verwaltung für Westberlin zu haben. In Ostberlin lagen noch keine Pläne für eine gewaltsame Absetzung des legitimen Magistrats vor. Die von SED und FDGB organisierten Aufmärsche von einigen Tausenden vor dem Neuen Stadthaus, die am 26. August wieder einsetzten und im Grunde keine ernsthafte Bedrohung darstellten, sollten »Volkszorn« demonstrieren und Stadtparlament und Magistrat einschüchtern. Der Vorhang zum zweiten Akt hob sich am 6. September 1948. Da wieder Demonstranten vor dem Neuen Stadthaus erschienen und sogar den Sitzungssaal besetzten, verlegte der Stadtverordnetenvorsteher Dr. Otto Suhr (SPD) die 81. Stadtverordnetenversammlung in den britischen Sektor, wo sie in den Abendstunden ohne SED- Fraktion tagte. Die Versammlung kehrte nicht wieder | in den Bezirk Mitte (sowjetischer Sektor) zurück. Das Datum gilt seither als Beginn der Spaltung der Berliner Verwaltung.
Die allgemeine Lesart, wonach kommunistische Rollkommandos das frei gewählte Stadtparlament aus seinem rechtmäßigen Sitz gewaltsam vertrieben hatten, bedarf einer Hinterfragung. Es ist unbestritten, daß Gewalttätigkeiten im Stadthaus erst auftraten, als die Demonstranten auf sogenannte Magistratsordner stießen. Es handelte sich dabei um Polizisten aus Westberlin, um Mitglieder der »Black Guard«, einer amerikanischen Hilfstruppe, und der Jugendorganisationen von SPD und CDU, die Bürgermeister Friedensburg (CDU) illegal das Stadthaus unterstand der Polizeikontrolle Ostberlins geholt hatte. Gravierender war die Tatsache, daß eine Verlegung der städtischen Körperschaften vom Bezirk Mitte (sowjetischer Sektor) nach Charlottenburg (britischer Sektor) seit längerem geplant und von den westlichen Kommandanten sogar gewünscht war. Zum Hauptmotiv, frei von östlichen Pressionen sein zu wollen, kamen politische Zeitzwänge hinzu. Am 1. September 1948 trat in Bonn der Parlamentarische Rat zusammen, und das Berliner Parlament hatte seine Vertreter noch nicht gewählt. Wenn noch im laufenden Jahr Wahlen stattfinden sollten, so mußte das Parlament jetzt darüber entscheiden. Und schließlich sollte der Umzug ein Zeichen setzen, daß aus Magistratssicht die Fortführung der Viermächte- Währungs- | |||
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verhandlungen sie endeten ergebnislos am 7. September 1948 nicht erwünscht sei. Vor den Spitzen der Berliner SPD plädierte Suhr am 4. September dafür, die fällige Stadtverordnetenversammlung erst einmal zum 6. September ins Neue
Stadthaus einzuberufen, dann »bei
Fehlschlagen Vertagung und kurzfristige Einberufung
an einem anderen Ort«.7) Da die Briten die
Benutzung des Reichstages ablehnten, wurden Räume im Studentenhaus der
Technischen Hochschule am Steinplatz vorbereitet.
Der Ablauf des 6. September brachte so gesehen keine Überraschungen.
Der Auszug der Fraktionen von SPD, CDU und LDP paßte in die taktischen Pläne der SED, weil er die Möglichkeit der Einsetzung eines sowjethörigen Magistrats für die ganze Stadt an traditionellem Ort begünstigte. Wenngleich sich beide Seiten sofort gegenseitig der Spaltung bezichtigten, so hatten ihre unterschiedlichen Bestrebungen unabsichtlich zu gleichgerichtetem Handeln geführt, nämlich die funktionslos gewordenen gesamtberliner Organe endgültig abzubauen und durch politisch klar determinierte Verwaltungen zu ersetzen. Die einen gewannen die realistische Erkenntnis, daß nur in Westberlin unter westalliiertem Schutz Freiheit und Demokratie zu behaupten waren,8) die anderen gaben sich der illusionären Erwartung hin, mit Hilfe ihrer Schutzmacht ganz Berlin in die SBZ integrieren zu können. Während die SED im Herbst 1948 ungedul- | dig auf einen sowjetischen Ukas wartete,
der ihr die Mittel zum »revolutionären
Handeln« geben sollte, ging in der
Hauptverwaltung die Absetzbewegung in die
Westsektoren, teils freiwillig, teils unfreiwillig, d. h.
unter östlichen Pressionen, voran. Der
Magistrat verlegte am 13. Oktober 1948 seinen
Amtssitz in den britischen Sektor. Die
Magistratsabteilungen für Wirtschaft, Verkehr und
andere folgten, vielfach auf direkten Druck der sowjetischen Kommandantur. Eine
informelle Beratung der Westberliner Politiker mit Spitzen der US- Militärregierung am 31. Oktober 1948 trug zur Beschleunigung der Abspaltung
bei.9) Wenn in diesem Zusammenhang von politisch motivierten
Massenentlassungen bei Verwaltungen, Polizei und anderen Ämtern im Ostsektor
gesprochen wird, so muß daran erinnert
werden, daß Deprivation und personalpolitische Säuberung ein nach 1945 auf beiden Seiten probates Mittel zur Einflußsicherung
und Machtdurchsetzung waren.
Der dritte und letzte Akt des Spaltungsdramas wurde Ende November 1948 von den Sowjets eingeläutet. In Abwägung der berlin- und deutschlandpolitischen Lage entschlossen sie sich zu dem spektakulären Akt der »Absetzung« des 1946 rechtmäßig gewählten Magistrats. Die unangenehme Prozedur übertrugen sie der SED. Auf einer außerordentlichen Stadtverordnetenversammlung am 30. November 1948 sie setzte sich neben den 26 Mitglieder der SED- Fraktion aus | ||||
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rund 1 600 »Delegierten« aus den Reihen
der SED, der Blockparteien und Massenorganisationen zusammen wurde ein
»provisorischer demokratischer Magistrat für
Groß-Berlin« unter dem Oberbürgermeister
Friedrich Ebert (SED) eingesetzt, der realiter nur für den Ostsektor amtieren konnte. Die
Charakterisierung dieses undemokratischen, weil dekretierten Vorganges als »Putsch« erscheint im Rückblick unzutreffend. Zum einen verfügte die SED zu keinem
Zeitpunkt über Mittel und Kräfte, um mittels
»Putsch«, Generalstreik oder sonstiger
Massenaktion die Stadtgewalt usurpieren zu
können.10) Auch das seit dem Frühjahr 1948
immer wieder im Westen beschworene »Gespenst von
Prag«11) stellte sich als eine Chimäre,
bestenfalls als Propagandaeffekt heraus, denn die Sowjets konnten die Wiederholung
eines solchen Gewaltaktes in der von ihnen blockierten Viermächtestadt niemals wagen.
Im übrigen handelte die UdSSR wie jede andere Siegermacht: Sie machte unter
Zuhilfenahme ihrer deutschen Stellvertreter von
ihrer obersten Befehlsgewalt in ihrem
Besatzungsgebiet Gebrauch. Die Westmächte
verstanden dies sofort; sie protestierten pro forma,
stellten sich ansonsten auf das Fait accompli ein.
Zur gleichen Zeit kam die Separierung der Westsektoren zum Abschluß. Die verfassungsmäßig anstehenden freien Wahlen vom 5. Dezember 1948 brachten einen überwältigenden Erfolg für die demokratischen Parteien; die SED hatte es verständlicher- | weise vorgezogen, sich gar nicht erst
den Wählern zu stellen. Der Magistrat unter Oberbürgermeister Ernst Reuter (SPD)
übernahm die schwierige Aufgabe, das
isolierte Westberlin durch die Höhen und Tiefen
des andauernden Kalten Krieges zu steuern.
Ende 1948 war das Werk der Spaltung Berlins nahezu vollendet. Der »Trennschnitt zwischen der Oststadt und der Weststadt« (Friedensburg) war so tief wie möglich und so scharf wie nötig vollzogen. Stadtrat Gustav Klingelhöfer (SPD) konstatierte: »Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, daß Berlin geteilt sein wird, als wären es zwei Städte.«12) Dieser Zustand belastete in der Folgezeit das Verhältnis der beiden Teilstädte zueinander aufs schwerste. Mit der Spaltung Berlins war der Wendepunkt in der Berlinkrise erreicht. Die widerstreitenden Seiten hatten ihre Einfluß- und Machtsphäre säuberlich abgesteckt. Das war eine Vorbedingung für die Beendigung der ersten Berlinkrise, für die Aufhebung der Blockade und für die Demontage der Luftbrücke im Mai 1949 zu Konditionen, die beiden Seiten das Gesicht wahrte. In diesem Kontext offenbarte das Spaltungsdrama ein krisenlösendes Element, wenngleich es schon wieder den Keim zu einer neuen langwierigen Krise legte. Im Verlauf des Konflikts hatte sich die Interessenlage der unversöhnlichen Kontrahenten in bezug auf Beibehaltung oder Preisgabe der städtischen Einheit eher aus | ||||
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taktischen als aus prinzipiellen
Erwägungen heraus wiederholt gewandelt. Als
Quintessenz bleibt festzuhalten, daß beide Seiten
auf ihre Weise und gemäß ihren
gegensätzlichen strategischen Zielsetzungen die
Spaltung Berlins, mehr oder weniger gewollt, vorangetrieben und von ihr profitiert hatten.
Wer nach dem Sinn solcher Politik fragt, muß
den Widersinn des Kalten Krieges ergründen.
Es fällt auf, daß die eigentliche Geschichte der Spaltung/Teilung der Berliner Stadtverwaltung in allen ihren Bereichen noch gar nicht geschrieben ist. Die in der Fachliteratur vorzufindenden Darstellungen beschreiben das Problem vorwiegend als einen Unterabschnitt des großen Kapitels »Blockade und Luftbrücke«, wobei sie sich auf die spektakulären Ereignisse in der Stadtverordnetenversammlung im August/September und um die Konstituierung der beiden Magistrate im November/Dezember 1948 beschränken. Was darüber hinaus in der Hauptverwaltung, in den Bezirksverwaltungen, in den städtischen Betrieben, in Wirtschaft, Verkehr, Kultur usw. geschah, harrt noch einer soliden Forschungsarbeit. Quellen und Anmerkungen:
| 6 Vgl. Bericht W. Brandts an den
SPD- Parteivorstand in Hannover vom 20. Juli 1949, in:
Archiv der sozialen Demokratie, Bonn- Bad
Godesberg, Bestand Schumacher, A 126 b. Der
SPD- Landesvorstand Berlin stellte am 17. Juli 1948 fest, »daß nicht nur eine Spaltung zwischen Ost
und Westberlin im Gange war, sondern auch in Westberlin die Wirtschaft und Verwaltung auseinanderzufallen drohten«.
Jahresbericht 1948/49 des Landesverbandes Groß-Berlin
der SPD, o. O., S. 10 f.
7 Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv (SAPMO-BArch), NY 4182, Nr. 857, Bl. 268 8 In der SPD- Vorstandssitzung vom 4. September 1948 erklärte Ernst Reuter: »Die Spaltung Berlins ist 99 % sicher. Die Russen bauen den Ostsektor zu ihrer Bastion aus. Von hier aus werden sie alles unternehmen, um Vorstöße in das westliche Berlin zu versuchen ... Der Schnitt ist jetzt vorzunehmen.« Ebenda, Bl. 269 9 Vgl. Bundesarchiv Koblenz, NL 114, Nr. 34, Bl. 86 f. 10 Vor dem SED- Landesvorstand gestand sein Vorsitzender Hermann Matern am 3. Oktober 1948 ein: »Unser Einfluß wächst nicht, weil kein Vertrauen zu uns vorhanden ist.« Der anwesende Parteivorsitzende Wilhelm Pieck ergänzte: »Unsere Massenkundgebungen sind gut, größer als die der Spalter, aber an Einfluß sind sie uns überlegen.« SAPMO-BArch, NY 4036, Nr. 692, Bl. 260 f. 11 »Berlinische Monatsschrift« 2/98, S. 24 ff. 12 Der Sozialdemokrat, Berlin, 24. November 1948 | ||||
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© Edition Luisenstadt, 1998
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