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In den Nachschlagewerken werden zwei unterschiedliche Daten für die Gründung der DDP genannt: einmal der 16., ein andermal der 20. November 1918. Geht man der Sache nach, so stellt sich unschwer heraus: Am Sonnabend, dem 16. November, genau eine Woche nach der Revolution in Berlin, erschien in der Morgenausgabe des »Berliner Tageblattes« unter der Überschrift »Die große demokratische Partei« der von Theodor Wolff verfaßte und von 60 namhaften Persönlichkeiten unterzeichnete Gründungsaufruf. Und am 20. November 1918 haben sich – so wörtlich im »Tageblatt« und fast gleichlautend in der mit der neuen Partei ebenfalls sympathisierenden »Vossischen Zeitung« – »die Fortschrittliche Volkspartei und ein erheblicher Teil der Nationalliberalen mit den Unterzeichnern des Aufrufes vom 16. November auf die Grundsätze dieses Aufrufes vereinigt. Die neue große demokratische Linkspartei, die auf dem Boden der republikanischen Staatsform steht und sich zu einer neuen sozialen und wirtschaftlichen Politik bekennt, wird den Namen tragen: Deutsche Demokratische Partei.«
     Begeistert von den Ereignissen des 9. November 1918, hatte Theodor Wolff im Leitartikel des »Tageblattes« vom 10. November geschrieben: »Die größte aller Revolutionen hat wie ein plötzlich losbrechender Sturmwind das kaiserliche Regime mit allem, was oben und unten dazugehörte, gestürzt. Man kann sie die größte aller Revolutionen nen-
Horst Wagner
Die Gründung der DDP 1918

Zugegeben: Der Name Deutsche Demokratische Partei, abgekürzt DDP, ist nicht ganz so bekannt wie die fast gleichlautende, meist mit dem Kürzel DDR gebrauchte Staatsbezeichnung. Und auch in der heutigen F.D.P. beruft sich kaum noch jemand auf die Traditionen dieser liberal- demokratischen, von vielen als linksliberal verstandenen Partei. Dabei gehörte der von der F.D.P. gestellte erste Bundespräsident Theodor Heuss immerhin zu den prominentesten Reichstagsabgeordneten der DDP. Und die Gründung der DDP vor nunmehr 80 Jahren war die »erste echte Parteigründung unter dem Einfluß der (November-) Revolution«, wie Sigmund Neumann in seiner Studie über die Parteien der Weimarer Republik formulierte. Bemerkenswert auch, daß zu den Gründern dieser Partei zwei der damals berühmtesten Berliner jüdischer Herkunft gehörten: das Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften Albert Einstein und der als Gentleman- Demokrat hochangesehene Chefredakteur des »Berliner Tageblattes« Theodor Wolff (BM 4/94). Letzterer kann sogar als der eigentliche Initiator der Deutschen Demokratischen Partei angesehen werden.

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nen, weil niemals eine so fest gebaute, mit soliden Mauern umgebene Bastille so in einem Anlauf genommen worden ist ...« Eine Nationalversammlung müsse frei und souverän darüber entscheiden, in welcher Form Deutschland künftig »seine neuen Wege beschreiten soll«. Am gleichen Tage hatte er, wie Wolfram Köhler in seiner lesenswerten Theodor- Wolff- Biographie beschreibt, in seiner Wohnung am Tiergarten sechs Herren empfangen, die ihm antrugen, die Gründung einer neuen demokratischen Bürgerpartei in die Hand zu nehmen, weil er dazu »wegen seiner Haltung während des Krieges der richtige Mann sei« und weil »die alten liberalen Parteien, also die schon im Reichstag vertretene liberale Fortschrittliche Volkspartei (FVP) und die mehr rechten Nationalliberalen ihre Rolle ausgespielt hätten; jetzt müßte eine neue Partei das Bürgertum sammeln und zu politischem Handeln führen, und zwar Schulter an Schulter mit der Arbeiterschaft«. Wolff erklärte sich sofort bereit, »eine Anzahl gut ausgesuchter, nicht kompromittierter Personen« für die Parteigründung zu gewinnen und einen entsprechenden Aufruf zu verfassen.
     Zu den Unterzeichnern des Aufrufes vom 16. November gehörten neben Wolff und Einstein u. a. der Nationalökonom Alfred Weber (ein jüngerer Bruder des Soziologen Max Weber), der dann auch erster Parteivorsitzender wurde, die Frauenrechtlerin Minna Cauer, der in dieser Zeit schon am Entwurf
einer neuen Reichsverfassung arbeitende Rechtswissenschaftler Hugo Preuß, der preußische Minister für Handel und Gewerbe Otto Fischbeck, der Bankier und spätere Finanzminister Hjalmar Schacht, der Jenaer Fabrikant Schott, der Lokomotivführer Mende aus Niederschöneweide, der Kaulsdorfer Gemeindevorsteher Rheinhold, der Journalist Hellmut von Gerlach von der »Welt am Montag«, Wolffs Verleger Rudolf Mosse, der Chefredakteur der ebenfalls bei Mosse erscheinenden »Berliner Volkszeitung« und spätere stellvertretende Ministerpräsident der DDR Otto Nuschke. Ein paar Tage danach schloß sich dem Aufruf auch der 1860 in Störmthal bei Leipzig geborene Theologe und Gründer der Berliner Staatsbürgerschule Friedrich Naumann an, der im Juli 1919 zum Vorsitzenden der DDP gewählt wurde und nach dem die heutige F.D.P. die ihr nahestehende Stiftung benannt hat. Im Aufruf zur Gründung der DDP heißt es, »daß wir die Freiheit nicht von der Ordnung, der Gesetzmäßigkeit und der politischen Gleichberechtigung aller Staatsangehörigen zu trennen vermögen, und daß wir jeden bolschewistischen, reaktionären oder sonstigen Terror bekämpfen ...« Die Zeit erfordere, »für monopolistisch entwickelte Wirtschaftsgebiete die Idee der Sozialisierung aufzunehmen, die Staatsdomänen aufzuteilen und zur Einschränkung des Großgrundbesitzes zu schreiten«. Gefordert werden auch eine »stärkste Erfassung des
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Kriegsgewinnes« und eine »einmalige progressive Vermögensabgabe«.
     Ganz im Sinne dieses Gründungsaufrufes beteiligen sich dann Vertreter der DDP als »Demokratische Fraktion« neben denen der SPD und USPD am ersten Reichskongreß der Arbeiter- und Soldatenräte vom 16. bis 20. Dezember 1918 im Gebäude des Preußischen Landtages in Berlin. Sie unterstützen dort die Mehrheitsforderungen nach einer parlamentarischen statt einer Räterepublik und für baldige Wahlen zu einer Nationalversammlung. Bei diesen Wahlen, die am 19. Januar 1919 stattfinden, wird die DDP mit 18,6 Prozent der Stimmen überraschend drittstärkste Partei nach der SPD (37,9 Prozent) und der Zentrumspartei (19,7 Prozent). Sie kann 75 von 416 Abgeordneten der Weimarer Nationalversammlung stellen. Weit abgeschlagen mit nur 4,4 Prozent der Stimmen wird die Deutsche Volkspartei, die noch Ende 1918 von Gustav Stresemann aus jenen FVP-Angehörigen und Nationalliberalen gebildet worden war, die sich der DDP nicht angeschlossen hatten. Theodor Wolff hat es als »eine abscheulich peinliche Situation« beschrieben, daß Stresemann, der spätere Reichsaußenminister und Friedensnobelpreisträger, bei einer Vorbesprechung zur Gründung der DDP am 18. November 1918 abgewiesen wurde, weil man in ihm damals noch einen Unterstützer kaiserlicher Machtpolitik und des U-Boot- Krieges sah.
     Die Differenzierung in der ursprünglich
als bürgerliche Sammlungsbewegung gedachten DDP, die mit der Abspaltung der Deutschen Volkspartei begann, setzte sich nach dem viel zu frühen Tod Friedrich Naumanns am 24. August 1919 fort. Obwohl die DDP von 1919 bis 1932 in fast allen Reichsregierungen vertreten war – u. a. durch den mit Theodor Wolff eng befreundeten, am 24. Juni 1922 von Rechtsradikalen ermordeten Außenminister Walther Rathenau –, ging ihr Stimmenanteil bei Reichstagswahlen konkontinuierlich zurück. 1920 betrug er 8,3 Prozent, 1928 4,8 Prozent. 1930 fusionierte eine Mehrheit der DDP, darunter auch Theodor Heuss, mit anderen kleineren Gruppen und nannte sich in »Deutsche Staatspartei« um. Nachdem im März 1933 ihre letzten fünf Abgeordneten (u. a. auch Th. Heuß) für Hitlers Ermächtigungsgesetz gestimmt hatten, löste sich die Partei am 28. Juni 1933 selbst auf.
     Theodor Wolff hatte bereits am 4. Dezember 1926 seinen Austritt aus der Deutschen Demokratischen Partei erklärt. Anlaß dafür war die Zustimmung eines Teiles der DDP- Reichstagsabgeordneten zu verschärften Zensurbestimmungen gegen sogenannte Schmutz- und Schundliteratur. Wolff sah darin einen Zutreiberdienst für »reaktionäre und muckerische Geisteshüter« und betonte in diesem Zusammenhang, daß er sich nicht »an schlechten Kompromissen und an jeder Preisgabe der demokratischen Ideen« beteiligen werde. Eine Haltung, die an Aktualität nichts eingebüßt hat.
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