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Es erhielt seinen Standort in bester Ortslage: in Sichtweite des alten Dorfkerns und unweit des neuen urbanen Zentrums um den damaligen Wagnerplatz (seit 1935 Roedeliusplatz). Es wurde in einer städtebaulich idealen Lage im Kreuzungsraum von vier Straßen, der Straßenführung angepaßt, über einem spitzwinkligen Grundriß mit zwei Flügeln an der Dorfstraße (seit 1910 Möllendorffstraße) und Rathausstraße, erbaut. Der architektonisch gelungene neogotische Prachtbau mit seiner auffälligen Klinkerverblendung im Stil der norddeutschen Backsteingotik wurde gleichsam zur steinernen Mahnung an die Obrigkeit: Verleiht dieser Landgemeinde endlich die Stadtrechte!
     Als das Rathaus errichtet wurde, war die Gemeinde schon über 600 Jahre alt. Das Dorf war im Zuge der deutschen Kolonisation des Barnim um 1230 entstanden. Erstmals wurde Lichtenberg in einer Urkunde vom 24. Mai 1288 erwähnt, in der der Streit über die Grenze zwischen dem der Stadt Berlin gehörenden Dorf Stralau und dem Dorf Rosenfelde (später Friedrichsfelde) beigelegt wird. Der der Natur entlehnte Name »Lichtenberg(e)« wird von den großen Waldungen abgeleitet, die bis tief hinein in das Mittelalter den ganzen Barnim bedeckten und als »Ansiedlung zum lichten, hellen Berg«, als hochgelegene helle Waldstelle (Lichtung), gedeutet. Werden und Wachsen des Dorfes Lichtenberg steht in enger Ver-
Herbert Schwenk
Wer baute das Rathaus in Lichtenberg?

Am 11. November 1898 wurde das Rathaus Lichtenberg feierlich eingeweiht. Es gehört zu jenen Rathäusern, die um die Jahrhundertwende in den damaligen Städten und Landgemeinden im Umkreis von Berlin zu Hauf gebaut wurden. Mehr als 20 Kommunen hatten sich dort in der Zeit zwischen 1895 und 1914 entschlossen, eigene Rathäuser zu bauen. Das Lichtenberger jedoch unterscheidet sich in dreifacher Hinsicht von allen anderen. Erstens: Während Charlottenburg, Köpenick, Rixdorf, Schöneberg, Spandau und Wilmersdorf ihre Rathäuser errichteten, nachdem sie schon mehr oder weniger lange ihre Stadtrechte besessen hatten, erhielt Lichtenberg vor 100 Jahren sein Rathaus neun Jahre vor der Verleihung der Stadtrechte! Zweitens: Von allen Landgemeinden, die um die Jahrhundertwende ihre Vorstadt- Rathäuser erbauten, war Lichtenberg mit 38 418 Einwohnern (1898) das größte Dorf! Drittens: Keines der übrigen Rathäuser erreicht hinsichtlich Grundriß und Architektur die Signifikanz des Lichtenberger Rathauses!

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bindung mit seiner besonderen Lage im berlinnahen Raum und an der alten Fernhandelsstraße zwischen Berlin und der Oder. Das Dorf, das zu den größeren im Umkreis von Berlin zählte und nach dem Landbuch Kaiser Karls IV. (1316–1378, Kaiser seit 1355) von 1375 mit 62 Hufen (mutmaßlich damals je 7 bis 13,5 ha) ausgestattet war, durchlebte alle Höhen und Tiefen der vielhundertjährigen märkischen Geschichte.
     Wie andere Dörfer geriet auch Lichtenberg seit 1391 durch Kauf als Kämmereidorf unter die Verwaltung der Berliner Ratskämmerei. Zudem betrieb Berlin in Lichtenberg eine Gutswirtschaft, ein sogenanntes Vorwerk. Kriege, Pest, Brände und Heuschreckenplagen setzten auch Lichtenberg schwer zu. Über Jahrhunderte stagnierte die Bevölkerung: 1624 wurden 219 Dorfbewohner gezählt, 1801 erst 371 (mit den Kolonien auf der Lichtenberger Gemarkung 437). Im 18. und 19. Jahrhundert ließen begüterte wohlhabende Familien aus Berlin in Lichtenberg Landsitze errichten, darunter um 1780 Feldmarschall Wichard Joachim Heinrich Graf von Möllendorff (oder Möllendorf, 1724–1816), seit 1783 Gouverneur von Berlin. Lichtenberg wurde ein Villen- und Ausflugsvorort Berlins. Unter dem Einfluß zunehmender Industrialisierung und der Stadterweiterung Berlins wandelte sich der dörfliche Charakter seit den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts und erhielt immer mehr städtisches Gepräge.
In großem Umfang kauften kapitalstarke Terrain- und Baugesellschaften sowie Bauspekulanten Guts- und Bauernland auf und errichteten neue Wohnviertel mit billigen Unterkünften in Mietskasernen. 1882 setzte eine erste bedeutende Randwanderung der Berliner Industrie ins Alt-Berliner Umland ein, die auch Lichtenberg stark veränderte. Erheblich gefördert wurde der Anschluß des Lichtenberger und Boxhagen- Rummelsburger Gebiets an die Berliner Stadtentwicklung durch direkte Verkehrsanbindung an die Ring-, Stadt- und Vorortbahnen. Hatte Lichtenberg 1871 3 244 Einwohner, so stieg die Zahl schon bis 1875 auf 12 379, bis 1890 auf 22 905 und schließlich im Jahre 1900 auf die stattliche Zahl von 43 371. 1901 erhielt die Gemeinde Lichtenberg nördlich der Magistrale Frankfurter Allee/ Alt-Friedrichsfelde und südöstlich des alten Dorfkerns einen neuen zentralen Mittelpunkt um den Wagnerplatz, der seit 1935 Roedeliusplatz heißt. Während die Nord- und Westseite des Platzes erst in den zwanziger Jahren durch Wohnbauten und Verwaltungsgebäude geschlossen wurde, erhielt das neue Zentrum mit dem ehemaligen Lichtenberger Königlichen Amtsgericht, 1903–1906 nach Entwürfen von Regierungsbaurat Rudolf Mönnich (1854–1922) und Paul Thoemer (1851–1918) ausgeführt, sowie der wuchtigen Glaubenskirche mit ihrem 61 Meter hohen Turm, 1903–1905 in Anlehnung an Formen der
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Spätgotik erbaut, unübersehbar städtisches Ambiente.
     Krönung und sichtbarstes Zeichen dieses erwachten städtischen Selbstbewußtseins aber wurde das Rathaus. Praktischer Grund des Baus waren die gewachsenen Anforde-
Widerstand gegen den Rathausbau geleistet – und war gescheitert. Schon ein halbes Jahr nach dem Ausscheiden Roeders, am 1. Oktober 1896, wurde der Bau des Rathauses beschlossen. In relativ kurzer Zeit von zwei Jahren wurde der Bau mit einem
rungen an die Verwaltung der Kommune mit ihrer hohen Bevölkerungszahl. Die zunehmende Zahl des Beamtenpersonals erforderte in größerem Umfang neue Räumlichkeiten. »Zugpferd« des Projekts wurde der seit 1896 amtierende Gemeindevorsteher Oskar Ziethen (1858–1932), der als »der eigentliche Schöpfer des modernen Lichtenberg« gilt (Ernst Kaeber: Lichtenberg. Bausteine zur Geschichte eines Weltstadt- Bezirks, Berlin 1935, S. 140). Sein Amtsvorgänger Hermann Leo Roeder (1826–1896), seit 1856 Besitzer des Rittergutes Lichtenberg, das im Bereich zwischen der alten Dorfstraße und der Siegfriedstraße lag, ab 1872 parzelliert und als Bauland verkauft wurde, hatte zusammen mit seinen Anhängern heftigen

Das Rathaus um 1900

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Kostenaufwand von 396 664,89 Mark errichtet. Die gesamte Gemeindeverwaltung war nunmehr in einem Gebäude mit Ratssaal und Sitzungszimmern konzentriert – Traum vieler Kommunalverwaltungen bis in unsere Zeit!
     Das Rathaus Lichtenberg gehört zu den bedeutendsten Bauwerken der Backsteingotik in Berlin. Die beiden dreigeschossigen, zehnachsigen (d. h. zehnfenstrigen) Seitenflügel an der heutigen Möllendorff- und der Rathausstraße werden jeweils durch zwei einachsige Giebelrisalite (d. h. Vorsprünge) geschmückt. Die zwei Flügel sind durch einen segmentförmigen rückseitigen Trakt miteinander verbunden. Architektonischer Kernbereich ist der Kopfbau: die zur dreiachsigen Eingangsfront gestaltete »Spitze« des Rathauses zur heutigen Möllendorffstraße. Diese Eckfront wird von runden Türmchen flankiert, durch hohe Staffelgiebel abgeschlossen und mit Blendenschmuck verziert. Dahinter erhebt sich ein Turmaufsatz mit einer zu einem Spitzhelm auslaufenden verkupferten Laterne (d. h. einem turmartigen, von Fenstern durchbrochenen Aufsatz) auf einem steilen Walmdach. Der Kopfbau birgt die Eingangshalle mit allegorischen Malereien in sechs Rundfeldern an den Wänden. Über dem Eingangsflur befindet sich der Ratssaal. Auch die Treppenhaushallen tragen Wand- und Gewölbedekorationen. Das Rathaus, das 1945 in einem Zentrum des Endkampfes
um Berlin lag, erlitt durch Bombenangriffe und den Straßenkampf einige Beschädigungen. Sie wurden in den fünfziger Jahren beseitigt, die Wand- und Deckendekorationen 1981/84 durchgreifend restauriert und renoviert.
     So stattlich sich das gotisierende Bauwerk auch noch nach 100 Jahren dem bewundernden Betrachter darbietet, so verwunderlich ist das Geheimnis um seinen Schöpfer. Zwar wird in renommierten einschlägigen Werken, darunter bei »Dehio« (1994, S. 297) und im »Architekturführer Berlin« (1994, S. 335), als Architekt des Lichtenberger Rathauses Gemeindebaumeister Ernst Knipping bzw. Knippling genannt – aber diese Angabe scheint dem neuesten Stand der Erkenntnisse nicht mehr Stand zu halten. In der Publikation »Rathaus Lichtenberg«, die 1994 in der Nicolaischen Verlagsbuchhandlung erschienen ist und vom Bezirksamt Lichtenberg herausgegeben wurde, heißt es unzweideutig auf Seite 29: »Der Architekt des Lichtenberger Rathauses ist unbekannt.« Die Verfasser begründen ihre These mit dem jugendlichen Alter des vermeintlichen Architekten des Lichtenberger Rathauses. Franz Emil (nicht Ernst) Knipping sei 1875 in Essen geboren worden, habe 1898 (also im Jahr der Einweihung des Lichtenberger Rathauses) an der TH Charlottenburg das Diplom abgelegt und sei 1906 – nach zunächst anderen Tätigkeiten – Leiter des Bauamtes und 1908 Stadtbaurat in Lichten-
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berg geworden. »Es wäre erstaunlich, wenn Knipping mit 22 Jahren und noch während seines Studiums einen so aufwendigen Bau erstellt hätte, und noch überraschender, wenn ein Rathausbau dieser Größenordnung und im engsten Umfeld der Reichshauptstadt in keiner der Biographien Knippings Erwähnung gefunden hätte.«
     Eine Vermutung aus dem Jahre 1983, daß der bedeutende Architekt Max Hasak (1856–1934) Schöpfer des Lichtenberger Rathausbaus gewesen sein könnte, ist nicht belegt worden. Hasak, der u. a. 1884–1887 zusammen mit Richard Cramer (1847–1906) am Umbau der Hedwigskathedrale am heutigen Bebelplatz und 1897–1904 zusammen mit Ernst von Ihne (1848–1917) am Bau des Bodemuseums (ehemals Kaiser- Friedrich- Museum) auf der Museumsinsel mitwirkte, hat in seinen eigenen Schriften das Lichtenberger Rathaus nicht erwähnt.
     Das Rathaus indes trug seinen guten Teil dazu bei, nun erst recht die Verleihung der Stadtrechte für Lichtenberg einzufordern. Erste Pläne zur Fusion von Berlin und Lichtenberg waren gescheitert, weil Berlin damals nur an einer Eingemeindung des innerhalb der Ringbahn gelegenen Gebiets von Lichtenberg interessiert war, übrigens jenes Terrains, das bei der »Umbezirkung« 1938 an den Bezirk »Horst Wessel«, so hieß Friedrichshain von 1933–1945, fiel. Nachdem in Potsdam ein Wechsel in der Regierungspräsidentschaft stattgefunden
hatte, war der Weg zur Verleihung der Stadtrechte an Lichtenberg endlich frei. Seit Juli 1900 hatte Gemeindevorsteher Oskar Ziethen die Verleihung der Stadtrechte durch die Staatsregierung beantragt. Am 20. Februar 1907 stimmte der Provinziallandtag der Provinz Brandenburg dem Antrag Lichtenbergs auf Annahme der Städteordnung von 1853 zu, und dies wurde schließlich per Allerhöchsten Erlaß vom 15. Oktober 1907 gestattet. Mit der Veröffentlichung der Kabinettsorder am 4. November 1907 in Nr. 263 des Deutschen Reichs- und Königlich Preußischen Staatsanzeigers erhielt Lichtenberg die Stadtrechte und bildete 1908 einen eigenen Stadtkreis. Zum ersten Bürgermeister wählte die Stadtverordnetenversammlung Oskar Ziethen, der 1911 bei der Grundsteinlegung des später nach ihm benannten Krankenhauses (BM 9/98) zum Oberbürgermeister Lichtenbergs ernannt wurde. Am 1. Januar 1908 hatte die neue Stadtgemeinde Lichtenberg laut Meldeamt 70 150 Einwohner. 1920, im Jahr der Eingemeindung Lichtenbergs nach Berlin, stieg die Einwohnerzahl auf 145 000 an. Das Rathaus Lichtenberg wurde Sitz der neuen Bezirksverwaltung – und ist es bis heute geblieben.

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