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Heiko Schützler
Staudämme in U-Bahn-Tunneln

Der Zustand des öffentlichen Personennahverkehrs 1945

Der gegenwärtige Umbau Berlins zum Regierungssitz und damit zur Hauptstadt Deutschlands provoziert eine kritische Betrachtung. Nachdem die autogerechte Stadt der sechziger Jahre gescheitert ist, setzen die Neuplanungen im Zuge von baulicher Verdichtung und Straßenrückbau verstärkt auf den öffentlichen Personennahverkehr. Zwar steht die gegenwärtige Verkehrspolitik der Preiserhöhungen und Linienausdünnungen diesem Ziel entgegen, doch hat die Stadt speziell mit U- und S-Bahn Potential genug zur Lösung aller Verkehrsprobleme. Daß ein funktionierendes Verkehrssystem für eine Großstadt überlebenswichtig ist, zeigt eine Betrachtung der Ausgangssituation am Ende des Zweiten Weltkrieges.
     Das Verkehrswesen erfüllt in einer Großstadt wie Berlin die Aufgabe, Personen in großer Zahl in kürzestmöglicher Zeit über relativ große Distanzen zu befördern. Hierbei kommt dem sogenannten Berufsverkehr, dem Transport von Arbeitskräften vom Wohnort zur Arbeitsstelle und zurück, die

Hauptbedeutung zu. Berlin besaß bis zu seiner Zerstörung ein hochgradig effizientes Verkehrssystem, das in Europa beispielgebend gewirkt hat. Insbesondere die enge Verknüpfung der einzelnen Komponenten S-Bahn, U-Bahn, Straßenbahn und Omnibus war vorbildlich.
     Die von der Deutschen Reichsbahn betriebene S-Bahn bestand im wesentlichen aus drei Abteilungen: der Ringbahn, der Stadtbahn und der Nord-Süd-Bahn. Hinzu kamen radial bis ins Umland geführte Vorortlinien. Die Ringbahn war die älteste Einrichtung. Für die Erschließung der Innenstadt kam zunächst die Stadtbahn dazu, die gleichzeitig eine Verbindung der östlichen mit den westlichen Vororten gewährleistete. Bei ihrer Anlage hatte man das Glück, für die Trasse einen Spreearm zuschütten zu können. Für die im Folgenden immer notwendiger werdende direkte Verbindung der nördlichen und südlichen Vororte war diese Möglichkeit nicht gegeben, es ergab sich die Notwendigkeit der Untertunnelung der Innenstadt. Wegen der damit verbundenen Komplikationen und nicht zuletzt Kosten ließ dieses Projekt lange auf sich warten, erst in Vorbereitung der Olympischen Spiele konnte es im Jahre 1934 in Angriff genommen werden.
     Die städtische, zur BVG gehörige U-Bahn, deren bis dahin letzte Ausbaustufe im Jahre 1930 abgeschlossen war, wies ein enges Netz auf, welches vorrangig die innere Stadt be-
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diente und nur an einigen Stellen bis zur Peripherie vorstieß.
     Für den Verteilerverkehr, besonders für die Verbindung der S- und U-Bahn- Stationen mit von diesen entfernter liegenden Zielen, waren Straßenbahn und Omnibus zuständig, beide ebenfalls in städtischer Regie.
     Das Verkehrswesen Berlins war 1945 auf dem Stand, den es während der NS-Zeit erreicht hatte. Um die Zerstörungen betrachten zu können, sei daher zunächst auf den Status ante eingegangen.
     Die Verkehrsplanung der NS-Zeit hatte zunächst wenig Änderungen in bezug auf die zwanziger Jahre erfahren. Bestehende Projekte waren allerdings teilweise modifiziert worden. Der Flughafen Tempelhof erlebte eine für die damalige Zeit großzügige Neugestaltung, da er nun als Luftkreuz Europas gedacht war. Die Avus wurde an den Autobahnring angeschlossen, die Elektrifizierung der S-Bahn im Innenstadtbereich verstärkt vorangetrieben und die schon länger angedachte Nord-Süd- Verbindung von 1934 bis 1939 hergestellt. Am 12.Mai 1937 war für die Planung und Realisierung eines im Rahmen der Germania- Planungen neu zu gestaltenden Eisenbahnnetzes die Reichsbahnbaudirektion Berlin gegründet worden. Die 1929 gegründete BVG wurde am 1. Januar 1938 in einen Eigenbetrieb der Stadt Berlin umgewandelt. Aus dem Jahre 1939 existiert eine umfangreiche U-Bahn- Streckenneuplanung, die teil-
weise weit über das heutige Netz hinausging.
     Im Zuge der Neugestaltung der Berliner Wasserstraßen fand der Umbau der Mühlendammschleuse mit Verbreiterung des Mühlendammes bei Abriß des Ephraimpalais statt.
     Viele Planungen blieben jedoch im Anfang der Ausführung stecken, so existieren von der geplanten Verbindung des Görlitzer Bahnhofes mit den anderen Innenstadtbahnhöfen nur zwei Tunnelstümpfe in der unterirdischen S-Bahn- Station Anhalter Bahnhof. Daß die weiteren Planungen, insbesondere die Speerschen, keineswegs utopisch waren und daß sie weiter voranschritten, als sich heute am Objekt nachvollziehen läßt, darauf verweisen zahlreiche Abrisse, Kündigungen von Sportplatznutzern und Entwidmungen von Friedhöfen.
     Nach Kriegsende war es für Berlin und damit für die Wirtschaft der Stadt überlebenswichtig, die Verkehrsstruktur wiederherzustellen. Im Bericht der Abteilung für Verkehr führte Stadtrat Fritz Kraft aus, daß der Berliner Verkehr mit Beginn der Kampfhandlungen in der Umgebung der Stadt allmählich zum Erliegen gekommen sei und daß der öffentliche Nahverkehr beim Ende der Kämpfe geruht habe. Gerade jetzt, wo das Zusammenfassen und einheitliche Einsetzen aller Arbeitskräfte notwendig seien, fehlten Transportmöglichkeiten, was in vielen Fällen stundenlange Fußmärsche zur Erreichung des Arbeitsortes nötig machte.
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Im Folgenden sollen die wichtigsten Berliner Verkehrsträger im einzelnen untersucht werden.

Das BVG-Gebäude war völlig zerstört

Während der schweren Luftangriffe zwischen dem 18. und dem 23. November 1943 war das zentrale Verwaltungsgebäude der BVG in der Köthener Straße völlig zerstört worden. Dabei war auch der größte Teil der Geschäftsunterlagen verlorengegangen, darunter fast alle technischen Unterlagen und Statistiken und einige tausend Zeichnungen. Die daraufhin in einem städtischen Gebäude in der Klosterstraße neubezogene Unterkunft fiel bei den Kämpfen um Berlin dem Artilleriebeschuß sowie umfangreichen Brandschäden zum Opfer. Hierbei gingen der Rest der noch erhaltenen Unterlagen und die neu geschaffenen Geschäftsvorgänge verloren. Durch Wassereinbruch bei Kriegsende wurde diese Stelle völlig überschwemmt, was gleichzeitig zum Verlust der hier nach der Zerstörung des alten Verwaltungsgebäudes eingerichteten Ersatz- Fernsprechzentrale führte.
     Gemäß Befehl Nr. 6 des sowjetischen Stadtkommandanten vom 13. Mai 1945 wurde ohne Verzug zunächst in Eigeninitiative, dann mit Billigung des Stadtkommandanten unter zentraler Leitung mit Wiederherstellungsarbeiten an den Verkehrsanlagen

begonnen. Als erstes wurden dabei die Schäden systematisch erfaßt. Von dem behelfsmäßigen Quartier aus, das der Stadtkommandant der BVG zugewiesen hatte (zwei kleine Zimmer in einer Privatwohnung am Kaiserdamm 95/Ecke Rognitzstraße, 4. Stock, deren Mieter die Stadt verlassen hatten), wurde die Organisation langsam wieder aufgebaut, und man arbeitete die ersten zentralen Planungen für den Wiederaufbau aus. Im eigens eingerichteten Geschäftslokal, einem Laden im Zuge der Rognitzstraße, wurden die verbliebenen Arbeiter und Angestellten erfaßt und ihnen Tätigkeiten zugewiesen.
     Natürlich konnte dieser Zustand nicht von Dauer sein, und so ließ die BVG durch Mitarbeiter ein zentral gelegenes, nicht mehr benutztes, weitgehend erhalten gebliebenes Verwaltungsgebäude suchen. Dieses wurde in der Potsdamer Straße 188–192 gefunden und gehörte ursprünglich der Reichsautobahnverwaltung. Zunächst einfach »besetzt«, wurde die Übernahme in den Folgetagen legalisiert, indem ein sich in Tempelhof befindender höherer Beamter ebendieser Verwaltung eine provisorische Genehmigung vorbehaltlich eines endgültigen Vertrages erteilte. Schon am 16. Mai zogen erste Abteilungen ein, am 22. Mai folgten die übrigen, und am 29. Mai nahm die BVG ihre Tätigkeit dort auf.
     Im November 1945 konnte die BVG bereits 5570000 RM an die Stadt abführen.
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Bahnhof Nollendorfplatz um 1900
35 U-Bahnhöfe waren überflutet

Mit Stand vom 16. April 1945 hatte man an den Bauwerken der Berliner U-Bahn 248 Schäden gezählt. Dazu kamen während der Straßenkämpfe noch 189 weitere Schadensstellen. Die Hochbahnhöfe Nollendorfplatz und Hallesches Tor sowie die unterirdischen Bahnhöfe Kaiserhof, Hausvogteiplatz, Strausberger Platz und Stadtpark (jetzt Rathaus Schöneberg) waren durch Sprengungen vollständig zerstört, am Gleisdreieck war der obere Bahnsteig unbenutzbar. Allein die Tunnel- und Brückenbauten wiesen etwa 150 Schadensstellen auf, davon 40 schwere,

70 mittlere und 40 leichtere Schäden. Die Tunneldecken waren mancherorts auf bis zu 140 Meter Länge zerstört – so durch Einsturz zwischen Nürnberger und Hohenzollernplatz oder durch Sprengung zwischen Bayerischem und Innsbrucker Platz – und die Hochbahnbrücken auf bis zu 90 Meter Länge eingestürzt oder vernichtet. Der mittlere Teil der Oberbaumbrücke war gesprengt worden. Die östlich und nördlich gelegenen Eingänge der U-Bahnhöfe Alexanderplatz, Jannowitzbrücke sowie Neanderstraße hatte man zugeschüttet, um zu verhindern, daß feindliche Panzer durch die Tunnel ins Stadtzentrum gelangten. Fast ein Drittel der unterirdischen Bahnstrecken mit 35 Bahnhö-
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   40   Probleme/Projekte/Prozesse Staudämme in U-Bahn- Tunneln  Vorige SeiteNächste Seite
fen war überflutet. Die Linie A stand zwischen Potsdamer und Alexanderplatz unter Wasser, die Linie C zwischen Bahnhof Wedding und Belle-Alliance- Straße (heute Mehringdamm) bzw. Gneisenaustraße. Die Linie D war zwischen Weinmeisterstraße und Jannowitzbrücke, die Linie E zwischen Alexanderplatz und Samariterstraße überflutet. Hierbei kam die Hauptwassermenge von der Sprengung des Nord-Süd- S-Bahn- Tunnels unter dem Landwehrkanal. Das eindringende Wasser lief am Bahnhof Friedrichstraße durch den dortigen Verbindungsgang in die U-Bahn und verteilte sich über die Streckenteile. Eine zweite Wasserein- bruchstelle befand sich zwischen den Bahnhöfen Klosterstraße und Märkisches Museum. Hier kreuzte die Linie A die Spree. Durch Bombentreffer im Spreebett während des Luftangriffes in der Nacht vom 2. zum 3.April 1945 waren hier Risse in der Tunnelwand entstanden. Das eindringende Wasser von 250 Kubikmetern je Stunde konnte bis zum Beginn der Kampfhandlungen in der Stadt durch die Feuerwehr permanent soweit abgepumpt werden, daß der Tunnel begehbar blieb. Auch hatte man mit provisorischen Abdichtungsarbeiten begonnen. Auf Grund von Treibstoffmangel und weil die Feuerwehr abgezogen wurde, stieg das Was-
Gleisdreieck und Brücke über den Potsdamer Außenbahnhof 1902
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ser wieder an und verbreitete sich beidseitig sowohl in Richtung Potsdamer Platz als auch in Richtung Alexanderplatz. Zusätzlich zu diesen Stellen drang durch Zerstörung der Tunnelwände an zahlreichen Punkten Grundwasser in die Anlagen ein. Außerdem floß Wasser aus zerstörten und noch nicht abgesperrten Wasserleitungs- und Kanalisationsrohren in die U-Bahn- Tunnel.
     Bei Wiederaufnahme des Betriebes war auf Grund des Fehlens sämtlicher Nachrichtenmittel noch gar nicht bekannt, welche Gefahr dem Netz durch den Wassereinbruch drohte. Erst allmählich verdichteten sich entsprechende Informationen, und es konnten Gegenmaßnahmen eingeleitet werden. Um eine weitere Ausbreitung des Wassers zu verhindern, wurden zwischen den Bahnhöfen Gardepionierplatz (heute Südstern) und Gneisenaustraße sowie am Bahnhof Rosenthaler Platz Staudämme errichtet. Ebenfalls durch einen Staudamm wurde am Bahnhof Friedrichstraße der überflutete Nord-Süd- S-Bahn- Tunnel von den Anlagen der U-Bahn getrennt. Unter größten Schwierigkeiten wurden Pumpen ausfindig gemacht und teilweise in stundenlangen Fußmärschen mit Handwagen herbeigeschafft.
     Mit dem Auspumpen konnte am 1. Juni 1945 begonnen werden. Das Wasser wurde dabei teils in die Spree, teils in die Kanalisation abgeleitet. In der Folge waren bis zu 25Pumpen mit einer Leistung von 3350Kubikmetern je Stunde im Einsatz. Bis zum
23.Juni wurden so 980000 Kubikmeter Wasser, die nach der Abdichtung verbleibende Menge, aus den Tunneln entfernt. Zur Grundwasserabsenkung konnten bis zum 31.Juli 1945 an den Bahnhöfen Potsdamer Platz und Hermannplatz sowie am Hohenstaufenplatz je fünf, am Bahnhof Memeler Straße (heute Weberwiese) vier und am Bahnhof Samariterstraße zwei Tiefbrunnen mit einer durchschnittlichen Tiefe von 20Metern eingebaut werden.
     Nach Beseitigung des Wassers wurde mit dem Räumen der Tunnel begonnen. Viele Stellen waren dabei durch Anhäufung von Munition, Ausrüstungsgegenständen und Bekleidungsstücken zunächst nicht zu passieren. Hinzu kamen Sperrmauern und Minenfelder. Zusätzlich erschwert wurde die Arbeit durch das Fehlen von elektrischem Licht, man war auf Fackeln und Karbidlampen angewiesen. Von den im Tunnel liegenden Leichen ging zudem starker Verwesungsgeruch aus.
     Ziel war es, zunächst wieder einen eingleisigen Betrieb zu ermöglichen. Hierzu waren Gleisbauarbeiten wie Gleis- und Schwellenwechsel oder der Ersatz gesprengter Weichen erforderlich. Besonders problematisch gestalteten sich die Arbeiten auf der Linie E. Hier waren die Sprengtrichter in der Tunneldecke mit Bauschutt verfüllt worden, um die Straße zwischen Friedrichsfelde und Alexanderplatz passierbar zu machen. Mangels entsprechenden Gerätes mußten
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hier 8500 Kubikmeter Schutt und Boden mit Eimerketten von Hand herausgeschafft werden. Brauchbares Material wurde dabei sichergestellt und wiederverwendet. Bei den Hochbahnstrecken mußte jede einzelne zerstörte Verstrebung ersetzt werden.
     Die Stromversorgungsanlagen und elektrischen Streckenanlagen waren weitgehend zerstört. Erhebliche Schäden hatte das Kraftwerk Unterspree erlitten, das einen Teil der Linien A und B versorgte. Die Kohleförderanlage und der Kran waren zerstört, der zweite Schornstein, durch Beschuß zerstört, hatte im Umfallen Teile der Kesselanlagen, der Werkstatt, des Lagers sowie der Kohleförderung zertrümmert. Die Hochbehälter der Kühl- und Gebrauchswasseranlagen sowie der Kohlebunker wiesen zahlreiche Granateinschläge auf. Hochdruckdampfleitungen und Kabel waren ebenfalls getroffen. Die Umformerwerke Senefelderplatz, Bismarckstraße sowie Hermannplatz waren unbeschädigt geblieben. Die Werke Zehlendorf, Alexanderplatz, Pankstraße und Lichtenberg waren beschädigt, aber betriebsbereit. Schwere Schäden am Gebäude und Verluste an den Hochspannungsschaltanlagen hatte das Werk Gleisdreieck erlitten. Die Maschinenanlage war aber in Ordnung geblieben. Völlig unbrauchbar waren auf Grund des Wassereinbruches die Werke Wedding und Hallesches Tor. Ebenso waren im Zusammenhang mit den Zerstörungen und Überschwemmungen die Zuführungsanla-
gen für Triebstrom, die Signal-, Beleuchtungs- sowie Fernmeldeanlagen zerstört.
     Priorität hatte zunächst das Wiedereinsetzen der Stromlieferungen. Das Kraftwerk Unterspree wurde daher wieder in Betrieb genommen, wobei man die Gebäude und Anlagen notdürftig wiederherstellte. Kohle war zunächst noch genügend vorhanden, um den zunächst relativ geringen Strombedarf zu decken. Mit dem Kraftwerk Unterspree konnte auch das in der Bismarckstraße wieder in Betrieb gehen. Am Gleisdreieck waren zunächst Wiederherstellungsarbeiten erforderlich, um von den dort vorhandenen fünf Maschinen wenigstens eine benutzen zu können. Trotz Kriegsschäden konnten auch die von der BEWAG gespeisten Umformerwerke Hermann-, Alexander- und Senefelderplatz sofort wieder in Betrieb gesetzt werden. In den Werken Lichtenberg und Pankstraße waren Aufräumungsarbeiten zu leisten. Am Halleschen Tor und im Werk Wedding waren die Arbeiten auf Grund des Wassereinbruches wesentlich schwieriger. Nach Abpumpen des Wassers mußten die Werke zunächst trockengelegt werden, bevor man mit Instandsetzungen beginnen konnte. Da sich die Arbeiten über einen längeren Zeitraum erstrecken würden, setzte man für den nördlichen Teil der Linie C, den Zuständigkeitsbereich des Werkes Wedding, zwei fahrbare Umformwerke ein. Den südlichen Teil übernahm in Vertretung des Werkes am Halleschen Tor das Werk Hermannplatz.
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148 U-Bahn-Wagen mit Totalschaden

Die Hauptwerkstätte für das Kleinprofil im Grunewald war durch Bombentreffer völlig zerstört. Man hatte jedoch bereits während des Krieges begonnen, in einer danebengelegenen Wagenhalle eine Ersatzwerkstatt aufzubauen. Diese wies bei Kriegsende 75 Prozent ihrer Leistungsfähigkeit auf. Die Betriebswerkstatt für die Wagenunterhaltung des Großprofiles in der Seestraße war völlig zerstört. Ihr Betrieb war von der benachbarten, unzerstörten Hauptwerkstatt mit übernommen worden. Aus diesen Gründen war

zunächst keinerlei Betriebsführung mehr möglich. Hinzu kam, daß durch die Kriegseinwirkungen 496 U-Bahn- Fahrzeuge in Mitleidenschaft gezogen worden waren, 148 wiesen Totalschaden auf. Nur noch 608 Wagen (55 Prozent) waren betriebsfähig. Von Mai bis Ende Juli 1945 gelang es, zusätzlich 100 Wagen wieder betriebsfähig zu machen. Allerdings mußten 120 Großprofilwagen an die Moskauer Metro abgegeben werden, was erstens einen großen Verlust an rollendem Material bedeutete und zweitens zur Folge hatte, daß der Betrieb auf den Großprofillinien bis auf weiteres mit umgebauten Kleinprofilwagen durchzuführen war.

Die Ruine des Portals des Anhalter Bahnhofs,
Aufnahme 1992

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Es fanden Demontagen statt, so mußten vom 18. Juni bis 6. Juli 1945 20 bis 25 Prozent der Stromversorgungsanlagen wie Großgleichrichter, Transformatoren und Schnellschalter abgeliefert werden, was den zu dieser Zeit sehr geringen U-Bahn- Verkehr jedoch nicht behinderte. Es erfolgten für einen zu erwartenden stärkeren Betrieb sofort entsprechende Neubestellungen. Im Juni wurden zudem die Werkstattmaschinen und maschinellen Anlagen der Großprofil- Hauptwerkstatt in der Seestraße demontiert.
     Trotzdem konnte bereits am 14. Mai der Betrieb in Neukölln wiederaufgenommen werden. Auf den Strecken zwischen Hermannplatz und Bergstraße (heute Karl-Marx- Straße) sowie zwischen Schönlein- und Boddinstraße wurde ein Pendelbetrieb eingerichtet. Drei Tage später wurde die Strecke vom Knie zum Richard-Wagner- Platz eröffnet. Ende Mai wurden täglich 170000 Fahrgäste befördert; es konnten bereits 29Prozent der Berliner U-Bahn- Strecken wieder befahren werden. Ende Juni waren es 66Prozent, Ende Juli 81,3 Prozent (61,7 Kilometer). In Betrieb befanden sich zu dieser Zeit 89 Bahnhöfe (85,4 Prozent). Ende Oktober waren 92 Prozent der Gesamtstrecke wieder in Betrieb (76 von 80,2 Kilometern), und es wurden 72000 Streckenkilometer gefahren (1944: 150000). 1945 wurden pro Tag 820000 Personen befördert (1944: 900000) Bei nur etwa der Hälfte der gefahrenen Streckenkilometer sind 1945 fast wieder ge-
nauso viele Fahrgäste wie im Jahr zuvor befördert worden. Durch die hohe Leistung beim Wiederaufbau wurde für den gesamten Nahverkehr Berlins ein großer Erfolg erzielt. Große Teile der Innenstadt waren nun wieder – wenn auch unter Schwierigkeiten und wiederholtem Umsteigen – mit der U-Bahn erreichbar. Somit bildete die U-Bahn eine wichtige Grundlage für die Wiederaufrichtung des Berliner Wirtschaftslebens.
     Die Strecken Gleisdreieck– Bülowstraße– Nollendorfplatz und Hallesches Tor– Gleisdreieck blieben noch längere Zeit außer Betrieb. Das ist verständlich, hatte doch an dieser Stelle die U-Bahn durch Zerstörung des Hochbahnviaduktes in der Bülowstraße während des Luftangriffes am 19. Juli 1944 einen der größten Schäden zu verzeichnen. Eine schwere Luftmine hatte den Viadukt hochgehoben und die Pfeiler außerhalb ihrer Fundamente wieder abgesetzt. Das hatte eine Verwerfung der gesamten Anlage zur Folge. Der Viadukt mußte auf seiner ganzen Länge zunächst gehoben werden, um die Fahrstrecke wieder verlegen zu können. Die Station Bülowstraße wurde daher erst am 15.September 1946 wiedereröffnet, der Hochbahnhof Nollendorfplatz konnte notdürftig erst wieder am 24. Mai 1947 in Betrieb gehen. Seine endgültige, vereinfachte Wiederherstellung erfolgte zehn Jahre nach Kriegsende.
(Wird fortgesetzt)

Bildquellen:
»Illustrirte Zeitung« 1902, LBV Archiv, LBV Uhlenhut

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© Edition Luisenstadt, 1998
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