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Vom Wiener Kongeß (1815) war in einem Gebiet, das seinen polnischen Charakter in besonderem Maße behalten hatte, das
preußische »Großherzogtum Posen« gebildet worden.
Für die Wiederherstellung der Unabhängigkeit Polens Nationale Auseinandersetzungen waren dort an der Tagesordnung. Bereits 1846 hatten sie bis an einen Aufstand herangeführt, doch die preußische Polizei konnte ihn
noch einmal verhindern. In der aufkommenden revolutionären Stimmung von 1848
breitete sich in Kreisen der radikalen polnischen Intelligenz, unter dem Kleinadel, bei Handwerkern und Bauern die Idee eines nationalen Aufstandes für die Wiederherstellung der Unabhängigkeit Polens immer mehr aus. Sie richtete sich gegen den Staat, der hinter den preußischen
Großgrundbesitzern stand, sowie gegen das
»Völkergefängnis« der Habsburger Monarchie, bedrohte
jedoch auch den russischen Zarismus.
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Barbara Preuß
Die »schwierige polnische Angelegenheit« Liest man Berichte über die Revolution von 1848, etwa das interessant
geschriebene Buch zur Hundertjahrfeier der Märzrevolution »Berlin 1848«, verfaßt im Auftrag
des Magistrats vom damaligen Direktor des Stadtarchivs, Dr. Ernst Kaeber, so ist fast beiläufig von der »polnischen
Angelegenheit« die Rede.1) Gemeint ist eine
Bewegung, die den Zeitgenossen als »Posenscher
Bürgerkrieg« durchaus geläufig war.
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liberalen Bürgertums und des katholischen Klerus ein gemäßigtes polnisches
Nationalkomitee ins Leben gerufen, das im Streben nach einem Kompromiß Ruhe und
Besonnenheit anmahnte. Gleichzeitig wurde in Berlin von den begnadigten Polen ein revolutionäres Komitee für ein
selbständiges Polen gegründet, das für ein
Bündnis zwischen einem einigen Deutschland
und einem freien Polen gegen das zaristische Rußland eintrat.
Die preußischen Beamten wurden verjagt Die Bewegung selbst schien sich um beide Komitees und ihre Proklamationen wenig zu scheren. Sie verlief heftig und spontan.
| Eine Delegation des Nationalkomitees verhandelte daraufhin mit dem preußischen Hof um die Autonomie des
Großherzogtums, um die Bildung eines polnischen Korps (innerhalb der preußischen Armee), eine stärkere Beteiligung der Polen an der
Verwaltung und die offizielle Anerkennung der polnischen Sprache. Getroffen von ihrer Niederlage am 18. März, versprach die
preußische Regierung alles und sagte eine
tiefgreifende Reform im Großherzogtum Posen zu. Dem Nationalkomitee genügte
das, wuchs ihm doch daheim die Bewegung der bewaffneten Bauern und Handwerker
über den Kopf. Täglich warteten in Posen 20
000 bis 30 000 von ihnen auf das Signal zum Losschlagen, doch das Nationalkomitee befaßte sich mit der Bildung des (legalen) polnischen Korps, in welchem es ein Druckmittel gegen die preußische Regierung sah. Um für das Korps Bauern zu rekrutieren, wurde ihnen anfangs sogar Land
und die Befreiung von allen feudalen Lasten versprochen.
Trotz ihrer Versprechen bereitete sich die preußische Monarchie auf die Vernichtung der polnischen Unabhängigkeitsbewegung vor. Am 3. April verhängte die liberale Regierung Camphausen/Hansemann den Belagerungszustand in Posen und entsandte Truppen in die Provinz. »Um bewaffnete Zusammenstöße zu provozieren, besetzten sie Städte und Dörfer, terrorisierten die Bevölkerung, holten die polnischen Fahnen | |||||
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von den Verwaltungsgebäuden,
brachten wieder die verhaßten preußischen
Hoheitszeichen an, lösten die polnischen
Komitees auf und setzten die preußischen
Verwaltungsbehörden wieder ein.«2)
Das Nationalkomitee, immer noch darauf bedacht, sich nicht provozieren zu lassen, verhandelte unterdessen mit dem Sonderbeauftragten des preußischen Königs, General von Willisen, über eine Reorganisation des Großherzogtums und die Einführung einer polnischen Verwaltung. Dieser aber forderte ultimativ binnen drei Tagen die Auflösung aller polnischen Komitees sowie aller bewaffneten Abteilungen, die sich unterdessen in fünf Lagern vereinigt hatten. 20 000 polnische Bauern waren bereit zum Kampf Das Komitee, nunmehr bereit, Stärke zu demonstrieren, rief die Bauern auf, sich in den Lagern zusammenzufinden, und innerhalb dreier Tage erhöhte sich die Zahl der Kämpfer auf 15 000 bis 20 000 Mann. Preu-ßische Truppen umschlossen diese Lager und bereiteten sich zum Angriff vor. Das Komitee kapitulierte und schloß am 11. April mit Willisen die Konvention von Jaroslawiec ab. Sie sah vor, daß innerhalb von drei Tagen alle polnischen Abteilungen entwaffnet und aufgelöst werden sollten. In den Lagern kam es dar | über zu Protesten und sogar zu Meutereien.
Während sich auf polnischer Seite die Auseinandersetzungen zwischen rebellierenden Bauern und dem National- komitee hinzogen, verfügte der preußische König am 14. April die Teilung des Großherzogtums Posen in einen östlichen, polnischen Teil und einen westlichen »deutschen«, für den keinerlei Reorganisation zutraf und der sofort dem Deutschen Bund zugeschlagen wurde. Am 26. April wurden durch königlichen Erlaß weitere Gebiete von der Reorganisation ausgeschlossen. Preußische Beamte und Gendarmen terrorisierten die polnische Bevölkerung und verfolgten alle national-gesinnten Polen. Durch die königlichen Maßnahmen und die ständigen Überfälle herausgefordert, begannen die Aufständischen den bewaffneten Kampf gegen die preußische Macht und waren anfangs sogar erfolgreich. Zunehmend wirkten sich dann jedoch die sozialen Gegensätze zwischen den adligen Offizieren und den vorwiegend bäuerlichen Kämpfern in den aufständischen Abteilungen aus. Vollständige Besetzung des Großherzogtums Posen Differenzen unter den Aufständischen und die militärische Übermacht Preußens führten am 9. Mai zur Kapitulation der aufstän- dischen Abteilungen. Ein großer Teil von | |||||
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ihnen entkam und begann in den
Wäldern nördlich, südlich und südwestlich von
Posen einen Partisanenkampf. Überlegene preu-ßische Truppen besetzten nun das Großherzogtum Posen vollständig, entwaffneten die polnische Bevölkerung und
terrorisierten die geschlagenen Aufständischen in brutalster Weise. Man schor den Gefangenen die Köpfe und brannte ihnen mit
Höllenstein Male auf Hände und Ohren.
Der Widerstandskampf der polnischen Bevölkerung gegen die preußische Vorherrschaft hat seinerzeit in Deutschland wenig Unterstützung gefunden. Auf das Schicksal der bürgerlichen Revolution in Deutschland hatte er keinen nachweisbaren Einfluß, wenn auch ängstliche bourgeoise Gemüter »Juden, Polen und Franzosen« der revolutionären Propaganda in Berlin verdächtigten3); die Zeitung »Zeitungshalle« verlor in der Provinz Abonnenten, weil sie für ein freies Polen eintrat.4) Das scharfe Reagieren des preußischen Militärs zeigte jedoch an, in welche Bedrängnis die Hohenzollernmonarchie geraten war, als nicht nur in der Haupstadt, sondern auch in ihrer östlichsten Provinz das Volk revoltierte. Die österreichische Regierung wurde durch die revolutionäre Bewegung in Galizien 1848 gezwungen, eine Bauernreform durchzuführen. Preußen kam daran vorbei um den Preis von zehn Millionen Talern und einer festeren Bindung an die Russen und die deutsche Reaktion.5) | Quellen:
1 Ernst Kaeber: Berlin 1848. Berlin 1948, S. 186 2 H. Helmert, H. J. Usczeck: Bewaffnete Volks- kämpfe in Europa 1848/49. Berlin 1973, S. 102 3 Ernst Kaeber a. a. O., S. 110 4 Ebenda, S. 102 5 »Neue Rheinische Zeitung« Nr. 65 vom 4. August 1848 | |||||
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© Edition Luisenstadt, 1998
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