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Jutta Schneider
22. März 1877:
Der Wrangelbrunnen wird eingeweiht

Mit einem Tag Verspätung geht am Kemperplatz im Tiergarten der Wrangelbrunnen in Betrieb. Am 22. März 1877 meldet die »Vossische Zeitung«, daß die Einweihung am Vortage »wegen schlechten Wetters und unvermutheter Hindernisse« nicht stattfinden konnte. »Die überraschten Spaziergänger im Tiergarten konnten aber schon eine Probe der Springfähigkeit erhalten.« Der Wrangelbrunnen gilt als eine der bedeutendsten erhalten gebliebenen Anlagen des 19. Jahrhunderts in Berlin und als Vorläufer des Neptunbrunnens von Reinhold Begas. Anwohner des Pariser Platzes hatten 1863 den spätklassizistischen Schalenbrunnen in Auftrag gegeben. Benannt ist er nach seinem Hauptstifter, dem preußischen Generalfeldmarschall und Ehrenbürger der Stadt Berlin, Friedrich Heinrich Ernst Graf von Wrangel (1784–1877), der für die Bereitstellung der Mittel gesorgt hatte. Nach 25 Jahren, 1902, mußte er dem Rolandbrunnen weichen und wurde auf seinen heutigen Standort in den Anlagen der Grimmstraße in Kreuzberg umgesetzt.

Der Brunnenaufbau in einem runden Granitbecken von sieben Meter Duchmesser ist 6,5 Meter hoch. Vier überlebensgroße bronzene Hauptfiguren, eine männliche und drei weibliche, lagern auf Granitpostamenten vor dem Brunnenstock unterhalb der großen Brunnenschale. Dargestellt werden ein rebenumkränzter Vater Rhein mit dem Schwert in der Hand, um den Erbfeind Frankreich abzuwehren; die Elbe mit dem Dampfschiff »Königin Elisabeth« unter dem Arm, ein Hinweis auf den Dampfschiffbau in Buckau; die Oder, die die Eingangsgestaltung zur Festung Küstrin in der Hand hält; die Weichsel mit einem Flößeruder in Anspielung auf den damals üblichen Transport der Holzflöße auf den Fluß. Vier Putten, die die obere Brunnenschale tragen, stehen für Kunst und Wissenschaft, Handel und Industrie.
     Das Wasser tritt aus einem Pinienzapfen an der Spitze des Brunnens nach oben aus, läuft über den Rand der oberen Schale in die untere und von dort in das Becken ab. Die Unterseiten beider Brunnenschalen sind mit reichen Ornamenten verziert.
     Modelliert wurde der Wrangelbrunnen vom Berliner Bildhauer Hugo Hagen (1818–1871), Gehilfe Christian Daniel Rauchs (1777–1857) von Mitte der 40er Jahre bis zu dessen Tod. An der Ausführung der letzten Werke Rauchs hat Hagen großen Anteil. Der Guß des Brunnens stammt von
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Hermann Gladenbeck (1827–1918), Begründer der damals weltbekannten, zuerst in der Münzstraße 10 und seit 1887 in Friedrichshagen befindlichen Bronzegießerei.
     Seit drei Jahren sprudelt der Wrangel- brunnen nicht mehr, das Geld zur Betrei-
bung fehlt. Genauso bedauerlich, daß der Betrachter über das Kunstwerk und dessen Schöpfer nicht informiert wird.

Bildquelle: Archiv Autor

Wrangelbrunnen, 1879
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