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liner Akademie der Künste lieferte. Der aus einem angesehenen Stettiner Bürgerhaus stammende Franz – sein Großvater wirkte als dänischer Konsul in der pommerschen Ostseestadt – kam 1826 nach Berlin, um an der Universität Philologie zu studieren. Bald wechselte er jedoch zur Bauakademie, um sich mit Architektur zu beschäftigen. Nach der Promotion wirkte er seit 1833 als Privatdozent für Kunstgeschichte an der Berliner Universität und lehrte gleichzeitig an der Kunstakademie, wo er 1835 eine Professur erhielt. 1842 wurde er Mitglied des Senats und 1849 Ehrenmitglied der Akademie der Künste. Seit 1845 war er wiederholt um eine Reform der Kunstakademie bemüht, seine Vorschläge an das zuständige Ministerium – bis hin zu einem neuen Statutenentwurf, mit dem das noch geltende Statut der Akademie von 1790 abgelöst werden sollte – blieben jedoch unbeachtet.
     Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit wirkte Kugler journalistisch und als einflußreicher Kunstkritiker. Zwischen 1833 und 1837 war er Redakteur des »Museum.
     Blätter für bildende Kunst«, von 1842 bis 1849 war er an der Leitung des »Kunstblatt« beteiligt.
     Auch sein privates Leben gestaltete sich recht harmonisch. 1833 heiratete er Clara Hitzig und bezog eine Wohnung im Haus seines Schwiegervaters, des Kriminalrates Julius Eduard Hitzig (1780–1849) in der Friedrichstraße. Kuglers Tochter Margarete
Eberhard Fromm
Sein Deckname
war Lessing

Franz Kugler

Wenn das bis heute vor allem im Thüringischen vielgesungene Lied »An der Saale hellem Strande« angestimmt wird, erinnert sich kaum jemand daran, daß diese Verse nicht von einem heimatverbundenen Dichter stammen, sondern von einem Pommerschen Kunstkritiker, der den größten Teil seines Lebens in Berlin wirkte und der neben seiner wissenschaftlichen Arbeit noch gedichtet, gemalt und komponiert hat. Doch damit nicht genug. Er wirkte fördernd auf die Kunst und Künstler in Berlin, war hochgeachtet bei seinen Schülern und war sich auch nicht zu fein, in einer komplizierten Zeit aktive Kulturpolitik zu betreiben.

»Da lobe ich mir meinen Berliner Sand!«

»Ich bin im Januar 1808 geboren, nach der Annahme in elterlichem Hause am 19., nach Angabe des Kirchenbuches am 17. (Ich halte es mit der ersteren). Meine Vaterstadt ist Stettin. Mein Vater war Kaufmann und später Stadtrat.« So schrieb Franz Kugler in seinem Lebenslauf, den er 1848 an die Ber-

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heiratete den Schriftsteller und späteren Nobelpreisträger Paul Heyse (1830–1914). Sein Sohn Bernhard (1837–1898) wirkte seit 1866 als Historiker in Tübingen.
     Zeit seines Lebens war Kugler besonders eng mit Berlin verbunden. Aus Rom schrieb er 1835 an seine Frau Clara: »Überhaupt würde ich es auf längere Jahre nicht an einem Orte aushalten können, der um verschiedene Jahrhunderte in der geistigen Cultur zurück ist. Da lobe ich mir meinen Berliner Sand!« Seit seiner Studentenzeit nahm er aktiv am gesellschaftlichen Leben Berlins teil: Er war Mitglied der Singakademie, trat dem »Verein der jüngeren Künstler« bei, war seit 1831 Mitglied des Architektenvereins und seit 1832 Mitglied des wissenschaftlichen Kunstvereins. Von 1848 an gehörte er zur Berliner Künstlervereinigung »Tunnel über der Spree«. Hier war es üblich, den einzelnen Mitgliedern einen »Decknamen« zu geben. So war der Maler Adolph Menzel im »Tunnel« Rubens. Franz Kugler trug den Namen Lessing. Besonders aktiv wirkte Kugler in dem kleinen Freundeskreis »Rütli«, den er 1852 gemeinsam mit dem Kunstkritiker Friedrich Eggers (1819–1872) gegründet hatte und dem die Schriftsteller Theodor Fontane (1819–1898), Theodor Storm (1817–1888) und Paul Heyse, Adolph Menzel (1815–1905) sowie der Kammergerichtsrat Wilhelm Merckel und der kunstinteressierte Offizier Bernhard von Lepel angehörten. Das belletristische Jahrbuch
»Argo« für die Jahre 1854 bzw. 1857 belegt die interessanten Gespräche dieses Künstlerkreises.
     Franz Kugler hat sich in seinen politischen Ansichten – wie viele seiner Zeitgenossen, die die Märzrevolution 1848 erlebten und die Reaktion danach verarbeiten mußten – von einer liberalen Grundposition zu einer preußisch-konservativen Haltung entwickelt. Der Schriftsteller Emanuel Geibel (1815–1884) beurteilte allerdings Kuglers politische Aktivität in einem Brief vom 23. Oktober 1848 an Heinrich Heine (1797–1856) recht zurückhaltend: »Kugler aber ist den politischen Verhältnissen immer nur mit dem Verstande gegenüber getreten; ein eigentlich Stück Herzwurzel ist nie mit hinein verwachsen gewesen.«
Seit 1843 wirkte Kugler als Dezernent im Kunstressort des preußischen Ministeriums der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten. Hier wurde er auch 1848 zum Geheimen Regierungs- und vortragenden Rat, 1856 zum Geheimen Ober-Regierungsrat ernannt. In seinem kulturpolitischen Wirken engagierte sich Kugler insbesondere dafür, den Menschen einen einprägsamen Begriff von der Kulturgeschichte des eigenen Volkes zu vermitteln. So trat er für eine Verbesserung der Denkmalpflege ein, weil er in den Denkmalen die »großen Buchstaben der Geschichte« sah, mit denen sich die Geschichte »in die Herzen des Volkes, von Nachkommen zu Nachkom-
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men, einprägt«. Und er warnte in einem Artikel im »Museum« von 1836: »Ein Volk ohne Monumente hat wenig Bürgschaft für alle diejenigen Tugenden, welche aus der Liebe zum Vaterlande erspriessen.«
Als Franz Kugler am 18. März 1858 in Berlin an den Folgen eines Schlaganfalls starb, trauerten Freunde und Schüler weit über die Grenzen Berlins hinaus, darunter auch einer seiner prominentesten Schüler, der Baseler Kulturhistoriker Jacob Burckhardt (1818–1897), der zwischen 1839 und 1842 nicht nur bei Kugler Kunstgeschichte studiert, sondern auch freundschaftlich in seinem Haus verkehrt hatte und 1842 in einem Brief über seinen verehrten Lehrer schrieb, »... er ist einer der wahrheitsliebendsten Menschen, die mir vorgekommen sind«.
     Das Ehrengrab Kuglers findet man heute noch auf dem Alten Friedhof der St.-Matthäus-Gemeinde in Schöneberg. Eine Straße im Prenzlauer Berg erinnert an den weithin bekannten Kunsthistoriker, dessen 190. Geburtstag und 140. Todestag wir in diesem Jahr begehen.

Naiv und geradeaus

»Ich habe mich gewöhnt, und ich bin durch den fortgesetzten Verkehr mit der Kunst allerdings immer mehr dahin geführt worden, die künstlerische Erscheinung möglichst naiv und geradeaus aufzufassen, die

Bedingung ihrer Existenz möglichst in ihr selbst zu suchen, ihre Eigenthümlichkeit möglichst einfach aus den zunächst liegenden Motiven zu erklären«, schrieb Kugler über sein Herangehen an die Kunst im »Deutschen Kunstblatt« von 1850. Damit machte er deutlich, daß es ihm weniger um ein abstrakt-theoretisches Werten und Beurteilen von Kunstwerken und Kunstepochen ging. Dabei hatte er doch in den 20er Jahren bei dem Dialektiker Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831) Vorlesungen gehört, dessen entwicklungstheoretischen Ansichten – auch auf dem Gebiet der Ästhetik – sicher zur Kenntnis genommen und den großen Philosophen sogar in einer bekannten Zeichnung am Pult während einer Vorlesung gezeichnet. Auch verkehrte er freundschaftlich mit den in Berlin wirkenden Hegelianern Johann Gustav Droysen (1808–1884), mit dem er in Stettin gemeinsam das Gymnasium besucht hatte, und Karl Rosenkranz (1805–1879), doch von der Hegelschen Schule und ihren Ideen hielt er sich fern. Schon zu Lebzeiten Kuglers fanden seine Zeitgenossen – so der Ästhetiker Friedrich Theodor Vischer (1807–1889) in den »Jahrbüchern der Gegenwart« von 1844 – , Kugler verschmähe »die philosophische Erkenntniß der inneren Nothwendigkeit eines Entwicklungsganges nach einem bestimmten Ziel hin, das als Aufgabe der modernen Kunst zu begreifen« sei.
     Besondere Verdienste erwarb sich Franz
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Kugler bei der Sammlung und Herausgabe von Material für kunstgeschichtliche Handbücher, die schnell zu unersetzbaren Nachschlagewerken wurden. Dazu zählen sein zweibändiges »Handbuch der Geschichte der Malerei« (1837), sein »Handbuch der Kunstgeschichte« (1842) und die »Geschichte der Baukunst« (1856). Stets ging es ihm in der Kunst um das Problem der Schönheit und die damit verbundene Einheit von Inhalt und Form. Intensiv setzte er sich mit der zeitgenössischen Malerei seiner Zeit, vor allem der Schulen in München und Düsseldorf, auseinander und verfolgte kritisch die Architektur seiner Zeit, vor allem auch die Bauentwicklung in Berlin.
     Interessant ist nicht zuletzt die »Geschichte Friedrichs des Großen«, die Kugler auf Bitten der Weberschen Verlagsbuchhandlung in Leipzig als eine volkstümliche Biographie entwarf und zu der Adolph Menzel auf Kuglers Vorschlag hin die Holzschnitte lieferte. Auch hier wies Kugler nachdrücklich darauf hin, daß er die Lebensgeschichte Friedrichs II. anspruchslos so geben wollte, »wie sie uns überliefert worden. Es lag nicht in unserer Absicht, sie nach den Lehren einer philosophischen Schule oder nach den Grundsätzen dichterischer Behandlungsweise glänzender zu gestalten.«

Denkanstöße:

Eine griechische Marmorstatue und ein holländisches Genrebild – kaum dürfte ein größerer Gegensatz zu finden sein. Und doch ist in beiden das ganze Geheimniß der Kunst, die die Welt von göttlichem Gesetze getragen erkennen lehrt, enthalten. Dort erscheint die individuelle Kraft nach den Gesetzen des Maßes und der Harmonie beruhigt und gezügelt, hier wird die dunkle Existenz des Tages von dem allwaltenden, Alles belebenden und wälzenden Lichte harmonisch umflossen. Nicht auf den Gegenstand kommt es in der Kunst an, vielmehr darauf, daß in dem Gegenstande jenes göttliche Walten dargestellt sei.
     Handschriftlicher Text von 1844

Große Geschicke schreiten zunächst heran, bitter ernste, den Boden, auf dem sie augenblicklich noch stehen, bis in seine Grundfesten erschütternde. Da wird manch ein Kartenhaus, das ihr jetzt mit aller deutscher Gemüthlichkeit aufbaut, zusammenbrechen, und manchem schönem Talente wird, ehe es zur neuen künstlerischen That kommt, Kraft und Hoffnung entschwunden sein. Einst aber wird der Tag eines neuen Vaterlandes, eines neuen Volksthums erscheinen. Dann wird man auch einer neuen Kunst bedürfen, und die Formen ihrer Bethätigung, ihrer Stellung im Leben werden sich von selber machen.
     Kunstblatt, Stuttgart/Tübingen 1848, S. 210

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Der Ursprung der Kunst liegt in dem Bedürfniss des Menschen, seinen Gedanken an eine feste Stätte zu knüpfen und dieser Gedächtnisstätte, diesem »Denkmal« eine Form zu geben, welche der Ausdruck des Gedankens sei ... Denn überall führt es der Begriff der Kunst mit sich, dass sie in körperlicher
Gestalt das Leben des Geistes darstelle; und überall ist es ihr höchstes Ziel, in den Erscheinungen der Körperwelt den geistigen Inhalt, in dem Vergänglichen das Dauernde, in dem Irdischen das Ewige zu vergegenwärtigen. Darum aber ist es falsch, wenn man den Ursprung der Kunst aus dem rohen sinnlichen Bedürfnis, welches das Thier ebenso wie den Menschen zu einer bildenden Thätigkeit führt, oder aus eitlem Nachahmungstrieb herleitet ...
     Das aber ist das Wesen des Kunstwerkes, dass es nicht ein an sich inhaltloses Zeichen für die Idee, dass es vielmehr der Körper sei, mit dem vereint und durch den sie erst in Erscheinung tritt.
     Handbuch der Kunstgeschichte, Stuttgart 1842, S. 3 f.

Und merkwürdig! es war nur ein kurzer Zeitraum, in welchem die Kunst sich auf dieser Stufe einer höchsten Vollendung hielt: ich möchte sagen, kaum über ein Viertel Jahrhundert lang. Aber die grossen Werke dieser Periode sind von ewiger Gültigkeit, von unvergänglichem Werthe; sie tragen die Farben ihrer Zeit und sind doch für alle

Zeit geschaffen und erwecken die Begeisterung der spätesten Nachkommen eben so, wie sie den Stolz und die Bewunderung der Mitwelt ausmachten. Denn das wahrhaft Schöne ist nicht abhängig von den äusseren Formen seiner Erscheinung: Raphaels Sixtinische Madonna und Phidias rossebändigender Heros, Leonardo's Abendmahl und Skopas Gruppe der Niobiden verlangen nicht katholische Italiener und nicht heidnische Griechen, um im innersten Gemüthe verstanden zu werden und den erhabensten Eindruck auf den Beschauer hervorzubringen.
     Handbuch der Geschichte der Malerei, Bd. I, Berlin 1837, § 62, S. 147 f.

Es trat eine unnatürliche Feindschaft zwischen Leben und Kunst ein; wie die Künstler sich mit Vorliebe in den Träumen einer idealen Welt wiegten und mit Verachtung auf den Staub des irdischen Daseins hinabsahen, so spottete die reale Welt ihrer funkelnden Luftschlösser und verweigerte ihnen die gebührende Opferspende.
     Über die gegenwärtigen Verhältnisse der Kunst zum Leben, In: Kleine Schriften und Studien zur Kunstgeschichte, Stuttgart 1853 f., S. 207

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