Berlin im Jahr 1989
05. 01. Das neue Rathaus von Marzahn am Helene-Weigel-Platz wird seiner Bestimmung übergeben.
11. 01. Nach tagelangem Ausharren in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik bei der DDR verlassen die etwa 20 ausreisewilligen DDR- Bewohner das Gebäude in der Hannoverschen Straße (Mitte).
29. 01. Bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus werden folgende Ergebnisse erreicht: CDU 37,8 %, SPD 37,3 %, Alternative Liste 11,8 %, Republikaner 7,5 %. Die Amtsgeschäfte übernahm eine Koalition aus SPD und Alternative Liste.
16. 02. Anläßlich des 80. Geburtstages des Wissenschaftshistorikers Prof. Friedrich Herneck findet an der Humboldt-Universität zu Berlin ein Festkolloquium statt.
23. 02. In Berlin findet das 40. Kolloquium der Deutschen Bunsen-Gesellschaft zum Thema »Exzess-Elektronen in isolierten Molekülen, molekularen Aggregaten und kondensierter Materie« statt.
04. 03. Bei einer Razzia auf einem »Polen-Markt« am Reichstag nimmt die Polizei 200 Händler fest. Nach Lockerung der Reisebestimmungen in der Volksrepublik Polen waren in West-Berlin illegale Märkte entstanden.
16. 03. Walter Momper (SPD) wird vom Westberliner Abgeordnetenhaus mit den Stimmen von SPD und AL (Alternative Liste) zum neuen Regierenden Bürgermeister gewählt. Die Wahlen zum Abgeordnetenhaus hatten am 29. Januar stattgefunden.
14. 04. In einem Tanklager in Haselhorst versickern bei Umfüllarbeiten rund 48 000 Liter Benzin im Erdreich. Dieses Unglück stellte die bislang schwerste Umweltverunreinigung in West-Berlin dar.
24. 04. Herbert von Karajan beendet nach fast 35 Jahren seine Tätigkeit als Chefdirigent des Berliner Philharmonischen Orchesters.
05. 05. Wolfgang Neuss, Kabarettist und Schauspieler, geboren am 3. Dezember 1923, stirbt in Berlin.
07. 05. In Ost-Berlin finden Wahlen zu den Stadtbezirksversammlungen statt. Offiziell wurde mitgeteilt, daß 98,63 % der Wähler den Einheitslisten zugestimmt hätten. In späteren Wahlfälschungsuntersuchungen wurde eine geringere Zustimmung nachgewiesen.
18. 05. Für die gesamte Avus wird eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 100 km/h festgelegt. In den Abendstunden protestierten Hunderte von Motorrad- und Autofahrern.
30. 05. Unter der Leitung des amerikanischen Dirigenten James Levine spielen die Berliner Philhamoniker erstmals seit Errichtung der Mauer in Ost-Berlin.
31. 05. Der Kanurennsportler Willi Horn stirbt. Der Sportler des Postsportvereins Berlin gewann bei den Olympischen Spielen in Berlin 1936 die Silbermedaille im Zweierfaltboot über 10 000 m. 1934 war er Europameister und 1936 Deutscher Meister.
03. 06. Mit einem großen Autokorso protestieren Tausende Westberliner gegen das vom Senat verhängte Tempo-Limit von 100 km/h auf der Avus.
16. 06. Die Eisschnelläuferin Helga Haase stirbt. Die Athletin des SC Dynamo gewann bei den Olympischen Winterspielen in Squaw Valley 1960 die Goldmedaille über 500 m. Sie war die erste Olympiasiegerin der DDR und des olympischen Eisschnellaufs.
01. 07. Der vorläufig letzte Abschnitt der Verlängerungsstrecke der U-Bahn-Linie E (U5) von Elsterwerdaer Platz nach Hönow mit sechs Zwischenbahnhöfen wird dem Verkehr übergeben. Damit erhöhte sich die Zahl der Berliner U-Bahnhöfe auf insgesamt 163.
08. 08. Die Ständige Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin (Hannoverschen Straße, Mitte) wird wegen Überfüllung geschlossen. Über 130 DDR-Bürger hielten sich dort auf, um die Ausreise in den Westen zu erreichen.
13. 08. In Berlin gedenken Senat und Abgeordnetenhaus des Mauerbaus vor 28 Jahren.
28. 08. Die Magnetbahn (M-Bahn) auf der 1,6 km langen Strecke zwischen dem stillgelegten Teil des U-Bahnhofs Gleisdreieck und dem Kemperplatz beginnt offiziell mit einem zweijährigen Probe-Fahrgastbetrieb.
03. 09. Aus der Galerie der Romantik im Schloß Charlottenburg werden die Spitzweg-Gemälde »Der arme Poet« und »Der Liebesbrief« gestohlen.
09. 09. Der bisherige Generalvikar in Erfurt, Georg Sterzinsky, der am 24. Juni zum Bischof von Berlin ernannt wurde, wird durch den Apostolischen Administrator in Erfurt und Meiningen, Bischof Joachim Wanke, in der St.-Hedwigs-Kathedrale in sein Amt eingeführt.
10. 09. In Grünheide bei Berlin wird der Gründungsaufruf der unabhängigen Oppositionsgruppe Neues Forum verabschiedet.
02. 10. In der Gethsemanekirche an der Stargarder Straße beginnt eine Mahnwache für die politischen Gefangenen in der DDR. An den folgenden Tagen fanden in der Kirche allabendlich um 18.00 Uhr Fürbittandachten statt, an denen bis zu 2 000 Menschen teilnahmen.
06. 10. Am Rande der Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der Gründung der DDR mahnt der sowjetische Partei- und Staatschef Michail S. Gorbatschow in Ost-Berlin Reformen mit den Worten an: »Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben.
07. 10. In Schwante, nördlich von Berlin, wird die Sozialdemokratische Partei der DDR (SDP) gegründet. Geschäftsführer wurde Ibrahim Böhme.
07. 10. In Ost-Berlin formiert sich ein Demonstrationszug, dem sich rund 7 000 Personen anschließen. Gefordert wurden Freiheit, Demokratie und Reformen in der DDR. Bewaffnete Kräfte trieben die Demonstranten auseinander. Es kam zu Festnahmen und Mißhandlungen.
08. 10. Der Italiener Claudio Abbado, Musikdirektor der Wiener Staatsoper und Hauptdirigent der Wiener Philharmoniker, wird von den Berliner Philharmonikern zu ihrem Chefdirigenten gewählt.
08. 10. Starke Sicherheitskräfte gehen nach einer Andacht für Frieden und Gewaltlosigkeit in der Gethsemanekirche (Prenzlauer Berg) mit Schlagstöcken gegen ca. 2 000 Demonstranten vor. Es gab zahlreiche Festnahmen.
09. 10. In der Gethsemanekirche an der Stargarder Straße verliest Bischof Gottfried Forck einen Appell führender Vertreter der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg an die Obrigkeit der DDR, der zur Einleitung glaubhafter demokratischer Schritte auffordert.
12. 10. Ost-Berlins Oberbürgermeister Erhard Krack kommt mit Vertretern der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, unter ihnen Konsistorialpräsident Manfred Stolpe, zu einem Gespräch zusammen.
14. 10. In Ost-Berlin nehmen über 100 Vertreter von einzelnen Gruppen der Bürgerbewegung Neues Forum an einer Koordinierungsversammlung teil. Das Neue Forum hatte sich zu einer DDR-weiten Oppositionsbewegung formiert.
14. 10. Die Archenhold-Sternwarte und das Zeiss-Großplanetarium veranstalten aus Anlaß des 50. Todestages von Friedrich Simon Archenhold ein wissenschaftliches Kolloquium.
18. 10. SED-Generalsekretär Erich Honecker wird von seinen Aufgaben entbunden.
23. 10. Mitglieder von DDR-Reformgruppen informieren im Rahmen einer Pressekonferenz in Ost-Berlin über gewalttätige Übergriffe von Sicherheitskräften während der Gegendemonstration zu den offiziellen Feierlichkeiten anläßlich des DDR-Jubiläums am 7. Oktober.
24. 10. Die DDR-Volkskammer wählt im Palast der Republik (Schloßplatz, Mitte) Egon Krenz (SED) zum Staatsratsvorsitzenden und zum Vorsitzenden des Nationalen Verteidigungsrates. Erstmals bei einer solchen Entscheidung gab es Gegenstimmen und Enthaltungen.
26. 10. In Ost-Berlin kommt es zu einem ersten Treffen zwischen Bürgerrechtsgruppen und Regierungsvertretern.
28. 10. In der Erlöserkirche (Nöldnerstraße, Lichtenberg) findet erneut eine Protestveranstaltung von Bürgerrechtsgruppen und Künstlern statt. Die erste Veranstaltung der Gruppe »Friedenswerkstatt« wurde am 6. Oktober 1989 durchgeführt.
29. 10. Die Berliner Magnetschwebebahn (M-Bahn) nimmt ihren Probebetrieb mit Fahrgästen auf.
29. 10. Bei einem Treffen mit dem Berliner SED-Bezirkschef Günter Schabowski erfährt der Regierende Bürgermeister Walter Momper von einer geplanten großzügigen Reiseregelung.
30. 10. Im DDR-Fernsehen, das seine Studios in Adlershof (Treptow) hat, wird die Propaganda-Sendereihe »Der Schwarze Kanal« des Journalisten Karl Eduard von Schnitzler abgesetzt.
01. 11. Mit einem Festgottesdienst in der Spandauer Nikolaikirche gedenkt die Evangelische Kirche des 450. Jahrestages der Einführung der Reformation in der Mark Brandenburg.
03. 11. Die Ostberliner Presse beginnt mit der Veröffentlichung von Tagesmittelwerten des Schwefeldioxyd-Gehaltes für Meßpunkte in den Stadtbezirken Friedrichshain, Marzahn, Mitte, Köpenick und Prenzlauer Berg.
04. 11. Auf dem Alexanderplatz (Mitte) findet eine von Ostberliner Kulturschaffenden initiierte Kundgebung für Reformen und Demokratie statt, an der mehr als 500 000 Menschen teilnahmen.
08. 11. Nachdem einen Tag zuvor bereits der Ministerrat der DDR zurückgetreten war, erklärt nun auch das Politbüro der SED geschlossen seinen Rücktritt. Egon Krenz wurde als Generalsekretär der SED bestätigt.
09. 11. Auf einer vom DDR-Fernsehen übertragenen Pressekonferenz verkündet SED-Politbüromitglied Günter Schabowski »neue Reiseregelungen« für den grenzüberschreitenden Verkehr. Praktisch bedeutete das den Fall der Berliner Mauer nach über 28 Jahren.
10. 11. Das Abgeordnetenhaus tritt zu einer Sondersitzung zusammen, um über die neue politische Situation nach der Grenzöffnung am 9. November zu beraten.
10. 11. Auf einer Kundgebung vor dem Schöneberger Rathaus würdigen Bundeskanzler Helmut Kohl und der frühere Regierende Bürgermeister Willy Brandt in Ansprachen den Fall der Berliner Mauer.
11. 11. Nach entsprechenden Vorbereitungen durch die DDR-Grenztruppen ist ab 8.00 Uhr der Grenzübergang Eberswalder/Bernauer Straße geöffnet.
12. 11. Daniel Barenboim gibt mit den Berliner Philharmonikern ein Konzert für Besucher aus Ost-Berlin und der DDR bei freiem Eintritt.
12. 11. Die beiden Berliner Bürgermeister Walter Momper und Eberhard Krack eröffnen den neuen Grenzübergang am Potsdamer Platz (Mitte), nachdem bereits am Vortag die Übergänge Puschkinallee, Eberswalder/Bernauer Straße und Jannowitzbrücke geöffnet worden sind.
13. 11. Die Volkskammer in Ost-Berlin wählt Hans Modrow (SED) zum neuen DDR-Regierungschef.
23. 11. Im Ostberliner Kino »International« wird der 1966 entstandene Film »Spur der Steine«, der in der DDR bislang verboten war, gezeigt. Unter den Gästen war auch Hauptdarsteller Manfred Krug.
24. 11. Die »Grüne Partei in der DDR« wird während eines Ökologie-Seminars in Ost-Berlin gegründet. Sie forderte einen konsequenten ökologischen Umbau der DDR.
27. 11. Der Mediziner, DRK-Präsident von 1950 bis 1976 und Ehrenpräsident des Deutschen Roten Kreuzes, Dietrich Blos, stirbt in Berlin. Blos initiierte das DRK nach dem Krieg in Berlin neu und erwarb sich Verdienste um das Sozialwesen der Stadt.
28. 11. US-Senator Edward Kennedy besucht in Begleitung des SPD-Ehrenvorsitzenden Willy Brandt beide Teile Berlins.
01. 12. Dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper werden von Bundeskanzler Helmut Kohl Finanzhilfen für Berlin zugesagt. Momper hatte dies zuvor im Bundestag angemahnt.
04. 12. Im Roten Rathaus (Mitte) trifft sich erstmals - und damit noch vor Konstituierung des Zentralen Runden Tisches - der Berliner Runde Tisch.
05. 12. Kanzleramtsminister Rudolf Seiters und DDR-Regierungschef Hans Modrow verständigen sich bei einem Treffen in Ost-Berlin auf die Abschaffung von Zwangsumtausch und Visumspflicht zum 1. Januar 1990. Die Maßnahme wurde bereits am 24. Dezember wirksam.
05. 12. Zu einem ersten offiziellen Treffen in Ost-Berlin kommen der Regierende Bürgermeister Walter Momper und sein Ostberliner Amtskollege Eberhard Krack zusammen. Angestrebt wurde eine engere kommunale Zusammenarbeit.
06. 12. Egon Krenz tritt von seinen Ämtern als Vorsitzender des Staatsrates und des Nationalen Verteidigungsrates der DDR zurück.
07. 12. 33 Vertreter von insgesamt zwölf Parteien und Organisationen sowie von Oppositionsgruppen und Kirchen treffen sich zu zweitägigen Gesprächen am »Runden Tisch« im Ostberliner Dietrich-Bonhoeffer-Haus (Ziegelstraße, Mitte).
08. 12. In der Dynamo-Sporthalle (Hohenschönhausen) beginnt ein außerordentlicher Parteitag der SED, der am folgenden Tag mit der Wahl von Rechtsanwalt Gregor Gysi zum neuen Parteivorsitzenden vorläufig endet. Der Parteitag wurde am 16. Dezember fortgesetzt.
11. 12. 18 Jahre nach dem Inkrafttreten des Viermächte-Abkommens über Berlin treffen im Gebäude des Alliierten Kontrollrats in West- Berlin der amerikanische, der britische und der französische Botschafter mit dem sowjetischen Botschafter zusammen.
12. 12. Bei einem Gespräch in Ost-Berlin vereinbaren DDR-Ministerpräsident Hans Modrow und der Regierende Bürgermeister Walter Momper unter Teilnahme des Ostberliner Oberbürgermeisters Erhard Krack die Bildung eines Regionalausschusses für Berlin.
13. 12. Die Stadtverordentenversammlung von Ost-Berlin erkennt Erich Honecker die Ehrenbürgerrechte ab.
16. 12. Die SED setzt für zwei Tage in der Dynamo-Sporthalle (Hohenschönhausen) ihren Sonderparteitag vom 8. und 9. Dezember fort und beschließt die Namensänderung in »Sozialistische Einheitspartei Deutschlands - Partei des Demokratischen Sozialismus« (SED-PDS).
19. 12. An der Charité (Mitte) konstituiert sich eine Initiativgruppe zur Gründung des »Helmholtz-Bundes«, eines Verbandes der im Gesundheitswesen tätigen Mitarbeiter mit nichtmedizinischer Hoch- und Fachschulausbildung.
20. 12. Der französische Staatspräsident François Mitterrand trifft zu einem dreitägigen Staatsbesuch der DDR in Ost-Berlin ein.
22. 12. Nach 28jähriger Schließung wird das Brandenburger Tor (Mitte) wieder für Fußgänger geöffnet. Im dichten Gedränge hielten die Regierungschefs Helmut Kohl und Hans Modrow sowie die beiden Bürgermeister Walter Momper und Eberhard Krack kurze Ansprachen.
24. 12. Um 0.00 Uhr tritt offiziell der Wegfall von Zwangsumtausch und Visumspflicht in Kraft. Allein am Heiligabend passierten rund eine halbe Million Menschen die Berliner Grenzübergänge in beiden Richtungen.
25. 12. Der amerikanische Komponist und Dirigent Leonard Bernstein gibt im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt (Mitte) ein Konzert.
28. 12. Am sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park werden antisowjetische und nationalistische Schmierereien entdeckt, was eine offizielle Entschuldigung beim sowjetischen Botschafter und eine Protestdemonstration am 3. Januar 1990 nach sich zog.
31. 12. Auf dem Pariser Platz vor dem Brandenburger Tor findet eine Silvesterparty statt. Rund 500 000 Bürger aus Ost- und West-Berlin gestalteten die Feier zu einem Freudenfest.

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