Berlin im Jahr 1894
01. 01. Der Physiker Prof. Heinrich Rudolf Hertz stirbt in Bonn. Hertz ging 1878 nach Berlin, promovierte dort 1880 und wurde Assistent von H. v. Helmholtz. 1886 - 1888 gelang ihm die Erzeugung und zugleich der Nachweis elektromagnetischer Wellen.
01. 01. In Berlin umfassen die Fernsprecheinrichtungen 40 980 km oberirdische Leitungen und 603 km Kabel mit 17 649 Leitungen.
01. 01. Hermann Kossel, Assistenzarzt am Institut für Infektionskrankheiten, beginnt in Berlin im Krankenhaus Moabit mit der Erprobung des Diphtherieserums Emil von Behrings.
01. 01. Die Kanalisationsanlagen der Stadt Berlin umfassen zu diesem Zeitpunkt 143 854,31 m Kanäle und 582 143,34 m Tonrohrleitungen. Es gab 19 492,34 m Notauslässe, 2 005 Mannslöcher, 8 874 Revisionsbrunnen und 14 204 Gullys.
08. 01. Der Bahnhof Glienicke (Nähe Altglienicke) an der Görlitzer Bahn wird geschlossen.
17. 01. Werner March (Architekt) wird in Charlottenburg geboren.
11. 02. Walter Schuster wird in Mocker bei Thorn (Westpreußen) geboren. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften erhielt er 1923 einen Lehrauftrag an der Handels-Hochschule Berlin. Er war Gastdozent am Institut für Auslandsrecht der Berliner Universität.
16. 02. Max Planck hält in der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin eine Rede zum Gedächtnis an Heinrich Rudolf Hertz.
18. 02. Die Spandauer Straßenbahn der Firma Simmel, Matzky & Müller geht in das Eigentum der Allgemeinen Deutschen Kleinbahngesellschaft über.
01. 03. Der Kraftstrompreis wird mit 18 Pfennig pro Kilowattstunde festgelegt.
01. 03. Die Scheringstraße (Wedding), benannt nach dem Gründer der Schering AG, Ernst Schering, erhält ihren Namen.
08. 03. Der vor dem Görlitzer Bahnhof liegende Teil der Wendenstraße (Kreuzberg) wird in Spreewaldplatz umbenannt. Am 31. August 1949 wurde diese Bezeichnung auch für die Wendenstraße auf der Ostseite des Platzes festgelegt.
11. 03. Otto Grotewohl wird in Braunschweig geboren. Der SPD-Politiker war Vorsitzender des am 15. Juni 1945 gebildeten Zentralausschusses der SPD in Berlin und Mitbegründer der SED am 21. April 1946. Am 7. Oktober 1949 wurde er Ministerpräsident der DDR.
21. 03. Rudolf Nebel wird in Weißenburg (Bayern) geboren. Der Raketentechniker führte u.a. 1930 in der Chemisch-Technischen Reichsanstalt in Berlin Versuche mit Flüssigkeitstriebwerken durch und gründete den Raketenflugplatz Tegel.
22. 03. Franz Schulze-Berge, der von 1883 bis 1886 als Lehrer am Luisenstädtischen Gymnasium in Berlin tätig war und 1887 auswanderte, um als Ingenieur in Edisons Labor in Orange (USA) zu arbeiten, stirbt in den USA.
24. 03. Der Berliner Stadtverordnete Prof. Dr. Friedrich August Leo bestimmt in seinem Testament, daß die Einkünfte aus seinem Nachlaß (Leo-Stiftung«) für die »Ausbreitung und Ausgestaltung« der Volksbibliotheken verwendet werden sollen.
29. 03. In Berlin konstituiert sich der Bund Deutscher Frauenvereine (BDF) als Dachverband der bürgerlichen Frauenorganisationen.
01. 04. Unter Leitung des Apothekers O. Hoffmann wird ein Kassenbüro des Berliner Apotheker-Vereins ins Leben gerufen.
13. 04. Der Musikforscher Julius August Philipp Spitta, 1875 an die Berliner Universität als Professor für Musikwissenschaft berufen, stirbt in Berlin. Beigesetzt wurde er auf dem Neuen Kirchhof der Zwölf-Apostel-Gemeinde (Schöneberg).
16. 04. In Barmen wird eine elektrische Zahnradbahn in Betrieb genommen, die von der Berliner Firma Siemens & Halske gebaut und eingerichtet worden war.
18. 04. Der Physiker Karl Eduard Zetzsche stirbt in Dresden. Zetzsche hatte 1880 die Redaktion der Elektrotechnischen Zeitschrift in Berlin inne und schrieb das »Handbuch der elektrischen Telegraphie«, das als Standardwerk galt.
24. 04. Die Pferdebahn erhält die Erlaubnis, die Straße Unter den Linden zu überqueren.
30. 04. Der Ingenieur Rudolf Diesel schließt mit der belgischen Maschinenfabrik Carels Frères einen Vertrag über das Alleinrecht auf die Herstellung des Dieselmotors in Belgien. Diesel war von 1890 bis 1893 in Berlin als Leiter des Linde-Büros tätig.
01. 05. Etwa 300 Berliner Böttcher fordern einen arbeitsfreien 1. Mai und erscheinen nicht zur Arbeit. Sie wurden daraufhin ausgesperrt.
01. 05. Der Bahnhof Hirschgarten wird eröffnet.
01. 05. Die Bahnhöfe Jungfernheide und Beusselstraße werden eröffnet. Der Bahnhof Moabit wurde für den Personenverkehr geschlossen.
03. 05. Nach der Aussperrung von ca. 300 Böttchern infolge ihrer Arbeitsverweigerung am 1. Mai beschließt eine Böttcherversammlung den Streik, der erst nach acht Monaten mit einem Kompromiß beendet wurde. Der Streik führte ab Mitte Mai zum »Bierboykott«.
06. 05. Auf der neuen Rennbahn Karlshorst wird das erste Trabrennen gestartet.
09. 05. Bei Karlshorst (Lichtenberg) wird an der Niederschlesisch-Märkischen Eisenbahn zeitgleich mit der Eröffnung der 'Carlshorster' Pferdesportanlage durch den feudalen »Verein für Hindernisrennen zu Berlin« der Haltepunkt »Rennbahnhof« in Betrieb genommen.
09. 05. Im sogenannten Gummischlauch-Prozeß werden gegen neun Zeitungsredakteure und einige Arbeitslose schwere Gefängnisstrafen ausgesprochen. Die Angeklagten hatten behauptet, Polizisten in Zivil hätten im Januar Demonstranten mit Gummischläuchen geschlagen.
11. 05. Der »Vorwärts« fordert alle Arbeiter zum Boykott von Bier aus dem Ring Berliner Brauereien auf. Ursache dieser Aktion war die Aussperrung von Böttchern nach den Maifeiern.
11. 05. In Gegenwart Kaiser Wilhelms II. erfolgt in Berlin der erste Registrierballonaufstieg zur Erforschung der Atmosphäre. Der Ballon wog mit Instrumenten etwa 45 kg und stieg nur 700 Meter hoch.
21. 05. Die russisch-orthodoxe Kirche zu den »Heiligen Apostelgleichen Kaiser Konstantin und Helena« auf dem russischen Friedhof in Tegel wird geweiht.
22. 05. Die Gemeindekommission der Berliner Stadtverordnetenversammlung fordert eine gesetzliche Neuregelung der kommunalen und polizeilichen Angelegenheiten für die Berliner Vororte.
02. 06. Erich Römer wird geboren. Der Eishockeyspieler des Berliner Schlittschuh-Clubs gewann bei den Olympischen Winterspielen in Lake Placid 1932 mit der deutschen Auswahl die Bronzemedaille. Römer bestritt 47 Länderspiele, war zehnmal Deutscher Meister.
09. 06. Der Statiker und Brückenbauer Johann Wilhelm Schwedler stirbt in Berlin. Schwedler wirkte von 1859 bis 1873 als Dozent an der Berliner Bauakademie und wurde durch die Konstruktion hyperbolischer Diagonalstäbe für den Einsatz im Brückenbau bekannt.
11. 06. Die Sektion Schiffbau der Technischen Hochschule in Charlottenburg, die bisher mit der Abteilung für Maschinen-Ingenieurwesen verbunden war, wird eine selbständige Abteilung der Hochschule.
20. 06. Zwischen der »Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft« (AEG) und der Firma Siemens & Halske erfolgt ein Vergleich, der die vertragliche Bindung endgültig aufhebt. Als einzige Verpflichtung durfte die AEG erst nach 1897 Kabel herstellen.
20. 06. In einem Brief an die philosophische Fakultät der Berliner Universität regen Berliner Wissenschaftler die Errichtung eines Lehrstuhls für Astrophysik an.
24. 06. Der Betriebshof Pichelsdorfer Straße der Spandauer Straßenbahn wird eröffnet.
28. 06. Der Physiker Max Planck hält seine Antrittsrede in der Preußischen Akademie der Wissenschaften.
30. 06. Adolph L'Arronge, Direktor des Deutschen Theaters in der Schumannstraße, nimmt seinen Abschied.
01. 07. Otto Brahm, neuer Direktor des Deutschen Theaters in der Schumannstraße, gibt mit Friedrich Schillers Drama »Kabale und Liebe« seine Eröffnungsvorstellung.
07. 07. Denes von Mihaly wird in Ungarn geboren. Der Ingenieur gründete in Berlin die Telehor-Gesellschaft und machte sich um die Entwicklung der Fernsehtechnik verdient.
14. 07. Rudolf Weber, emeritierter Professor für chemische Technologie an der Technischen Hochschule in Charlottenburg, stirbt in Berlin.
14. 07. Eine für Berlin erlassene Polizeiverordnung regelt die Ausführung von Hausanschlüssen zum Anschluß an die Kanalisation.
23. 08. Die Eröffnung des Testaments der Witwe Agnes Wilhelmine Ebell ergibt, daß Teile der kapitalisierten Erbmasse, und zwar 14 023,59 Mark, in Form von Zinsen an arme Witwen des 22. »Bezirks« (Wahlbezirk für die Stadtverordnetenwahlen) verteilt werden sollen.
08. 09. Heinrich Ferdinand Karl Brugsch-Pascha, der wohl bedeutendste Ägyptologe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, stirbt in Berlin. Er war 1881 durch Khedive Tewfik Pascha mit dem Pascha-Titel geehrt worden.
08. 09. Der Mediziner und Physiologe Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz stirbt 73jährig in Charlottenburg. Helmholtz erfand 1851 den Augenspiegel und wirkte ab 1871 als Professor der Physik in Berlin. Er erhielt ein Ehrengrab auf dem Friedhof Wannsee.
19. 09. Gerhard von Westermann wird in Riga geboren. Der Komponist und Musikschriftsteller war Intendant an verschiedenen Rundfunkanstalten, Intendant des Berliner Philharmonischen Orchesters und von 1951 bis zu seinem Tode 1963 Leiter der Berliner Festwochen.
21. 09. Mit einem Allerhöchsten Erlaß wird die Eingemeindung der Gemeinde Schönow nach Zehlendorf bestätigt.
25. 09. Der in sechsjähriger Bauzeit umgestaltete Mühlendamm wird nebst Schleuse und Brücke dem Verkehr übergeben.
25. 09. Gerhart Hauptmanns Drama »Die Weber« wird nach vorangegangenem Verbot erstmals in einer öffentlichen Aufführung im Deutschen Theater gezeigt. Eine interne Aufführung hatte dank des Einsatzes der Theatervereinigung »Freie Bühne« 1893 stattgefunden.
25. 09. Der für die weitere Entwicklung Berlins bedeutsame Großschiffahrtsweg durch den Spreelauf wird eröffnet. Die Mühlen, Wasserräder und Mühlendamm-Kolonnaden waren vor dem Bau der neuen Schleuse am Mühlendamm (Mitte) abgerissen worden.
26. 09. Die Firmenbezeichnung der Berliner Pferde-Eisenbahn-Gesellschaft, Kommandit-Gesellschaft a. A. I. Lestmann & Co. wird in Berlin- Charlottenburger Straßenbahn umgeändert.
27. 09. Otto Nagel wird als fünftes Kind einer Tischlerfamilie im Hinterhof der Reinickendorfer Straße 67 (Wedding) geboren. Der Maler, u.a. bekannt durch seine Altberliner Stadtansichten, war Ehrenbürger von Potsdam (1965) und Berlin (postum 1970).
01. 10. Der Bahnhof Eichbornstraße an der Kremmener Bahn (Reinickendorf) wird eröffnet.
01. 10. Der Kraftstrompreis wird mit 16 Pfennig/kWh festgelegt.
01. 10. Die Abteilung für Warenzeichen des Berliner Reichspatentamtes beginnt mit ihrer Tätigkeit. Die Abteilung war mit einem Vorsitzenden, 4 technischen hauptamtlichen Mitarbeitern als Vorprüfer und Berichterstatter, einem Referenten und 16 Beamten besetzt.
01. 10. Der Staatsanwalt Gustav Homeyer, Wirklicher Geheimer Rat und von 1879 bis 1894 achter »Zwingherr« (Vorsitzender) der »Gesetzlosen Gesellschaft zu Berlin«, stirbt in Luzern.
05. 10. In Berlin beginnt die erste Hauptversammlung der Deutschen Elektrochemischen Gesellschaft (Bunsen-Gesellschaft). Es wurde beschlossen, daß die Veranstaltungsorte für die Hauptversammlungen der Gesellschaft wechseln sollten.
06. 10. Das erste Große Berliner Internationale Jagdrennen findet in Karlshorst statt.
16. 10. Der Architekt Christoph Hehl wird zum Professor für mittelalterliche Baukunst an die Technische Hochschule in Charlottenburg berufen.
17. 10. Die Generalversammlung der Gesellschaft Urania faßt gegen die Mehrheit des Aufsichtsrates einen Beschluß zur Auftragsvergabe eines geeigneten Projektes zum Hausbau. Das neue Gebäude der Urania sollte in der Taubenstraße (Mitte) errichtet werden.
20. 10. Max Reichpietsch wird in Charlottenburg geboren. Der Ungelernte diente auf dem Linienschiff »Friedrich der Große«. Er beteiligte sich maßgeblich an der Vorbereitung des Matrosenaufstands in Kiel. Reichpietsch wurde am 5. September 1917 hingerichtet.
22. 10. Die Samariterkirche (Friedrichshain) wird eingeweiht.
22. 10. Die Große Berliner Pferdebahngesellschaft eröffnet die Linie Schönhauser Tor - Weißenburger- (ab 7. Oktober 1947 Kollwitzstraße) - Wörther Platz (ab 7. Oktober 1947 Kollwitzplatz). Die Linie wurde noch im gleichen Jahr bis zur Danziger Straße verlängert.
27. 10. Die Techniker Walther und Erich Rathenau sowie Heinrich Rubens melden ein Patent auf unterseeische drahtlose Telegraphie an. Zuvor im Wannsee durchgeführte Versuche waren erfolgreich verlaufen.
29. 10. Der Astronom Julius Scheiner wird zum außerordentlichen Professor des neugeschaffenen Lehrstuhls für Astrophysik an der Berliner Universität ernannt.
11. 11. Das Vereinshaus des akademischen Vereins »Hütte« in der Bachstraße 9 (Tiergarten) wird feierlich eingeweiht.
28. 11. Vor der Berliner Medizinischen Gesellschaft hält der Virchow-Schüler und Charité-Professor David Paul von Hansemann einen Vortrag zu möglichen tödlichen Nebenwirkungen des Behringschen Diphtherieserums.
29. 11. Erwin Franzkowiak wird geboren. Der Hockeyspieler des Berliner Sport-Clubs gewann bei den Olympischen Spielen in Amsterdam 1928 mit der deutschen Mannschaft die Bronzemedaille.
05. 12. In der Berliner Medizinischen Gesellschaft wird die Behringsche Serumtherapie der Diphtherie diskutiert, wobei der Vorsitzende Prof. Rudolf Virchow aufgrund der bisherigen Erfolgsquote vom Gegner zum Befürworter der Behandlung wird.
05. 12. Im neuerrichteten Reichstagsgebäude findet die erste Sitzung des Deutschen Reichstags statt.
05. 12. Kaiser Wilhelm II. fügt den Schlußstein des Reichstagsgebäudes am Königsplatz (Platz der Republik, Tiergarten) ein und übergibt das Gebäude seiner Bestimmung. Im Kaiserreich und in der Weimarer Republik war der Reichstag Sitz des Parlaments.
09. 12. Der berüchtigte Antisemit Rektor Ahlwardt wird zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte die Gewehre aus Loewes Fabrik als »Judenflinten«, für die man absichtlich schlechtes Material verwendet, bezeichnet. Die Strafe mußte er jedoch nicht abbüßen.
14. 12. In der Singakademie zu Berlin findet in Anwesenheit des Kaiserpaares eine Gedächtnisfeier für den im September verstorbenen H. v. Helmholtz statt. Die Gedächtnisrede hielt W. v. Bezold. Der Kaiser gab die Anregung, ein Helmholtz-Denkmal zu errichten.
17. 12. Der Chemiker Otto Braun stirbt in Berlin. Braun beschäftigte sich mit der Aufarbeitung des Wollwaschwassers. In seinem Berliner Betrieb entwickelte er dazu die Zentrifugentechnik, die auch in der Milchindustrie eine wichtige Rolle spielte.
19. 12. Paul Dessau wird in Hamburg geboren. Dessau kam 1925 als 1. Kapellmeister an die Städtische Oper, Bismarckstraße (Charlottenburg). Später leitete der Komponist (Opern und Bühnenmusik) eine Meisterklasse an der Ostberliner Akademie der Künste.
29. 12. Die Apostel-Paulus-Kirche in der Gemeinde Schöneberg wird in Gegenwart des Kaisers Wilhelm II. und der Kaiserin Auguste Viktoria eingeweiht.

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