Berlin im Jahr 1878
01. 01. Alexander Grau wird in Friederikenthal (Preußisch-Eylau) geboren. Grau war bis 1918 Pressechef im Preußischen Kriegsministerium, trat im selben Jahr auf Wunsch der Obersten Heeresleitung in den Vorstand der Ufa ein und baute die Abteilung Kulturfilm auf.
01. 01. Die 46,3 km lange Schlußstrecke der Nordbahn Demmin - Stralsund und damit die Gesamtstrecke Berlin - Stralsund wird eröffnet.
01. 01. Das Radialsystem III der Berliner Stadtentwässerung wird mit einem ersten Pumpwerk am Landwehrkanal in Betrieb genommen.
02. 01. Adolf Stoecker, Stadtmissionsdirektor und Hofprediger am Berliner Dom, beruft eine Volksversammlung in die Ausflugsgastätte »Zum Eiskeller« in der Chausseestraße 88 (Wedding) zur Gründung einer christlich-sozialen Arbeiterpartei ein.
03. 01. Im Ausflugslokal »Zum Eiskeller« scheitert die Gründung der Christlich-Sozialen Arbeiterpartei an Kontroversen zwischen christlich-sozialen und sozialdemokratischen Teilnehmern. Die Gründung der CSAP erfolgte erst am 5. Januar ohne Öffentlichkeit.
05. 01. Im kleinen Kreis wird von Domprediger Adolf Stoecker die Christlich-Soziale Arbeiterpartei (CSAP) gegründet, die zunächst gegen die Sozialdemokraten antrat, sich aber später auf bürgerliche Wählergruppen ausrichtete und antisemitisch auftrat.
12. 01. Unter der Nr. DRP 4000 wird das erste deutsche Mikrophon des Technikers Robert Lüdge patentiert.
18. 02. Im Schlosse zu Berlin findet die Doppelhochzeit der Prinzessin Charlotte mit dem Erbprinzen Bernhard von Sachsen-Meiningen und der Prinzessin Elisabeth, Tochter des Prinzen Friedrich Karl, mit dem Erbgroßherzog August von Oldenburg statt.
21. 02. Der Porträtmaler Johann Samuel Otto stirbt in Berlin. Otto porträtierte zahlreiche Persönlichkeiten der Berliner Gesellschaft und war bevorzugter Porträtmaler des Hofes. 1844 wurde er zum königlichen Professor ernannt.
23. 02. Die Berliner Stadt-Eisenbahn-Gesellschaft wird aufgelöst, ihr Eigentum geht per Gesetz vom 26. Juni 1878 in Staatseigentum über.
07. 03. Der Vorstand des 1866 in Berlin gegründeten Lette-Vereins beschließt die Einrichtung einer »Fortbildungsschule für die weiblichen Jugendlichen zwischen dem 14. bis 18. Lebensjahre«, die hauptsächlich den »Töchtern des Volkes« gewidmet sein sollte.
25. 03. Der im Mai 1875 gestiftete Schülerstipendienfonds des Luisenstädtischen Gymnasiums zu Berlin wird von der vorgesetzten Behörde genehmigt, nachdem das Grundkapital eine Summe von 4 000 Mark erreicht hatte.
26. 03. Der Philologe und Pädagoge Rudolf Hercher stirbt in Berlin. Hercher wurde 1861 als Professor an das Joachimsthalsche Gymnasium berufen. 1873 wählte ihn die Berliner Akademie der Wissenschaften zum ordentlichen Mitglied.
01. 04. Johannes Otzen wird zum Dozenten an der Technischen Hochschule zu Berlin, die nach einem Beschluß von 1876 gebildet und 1879 offiziell eröffnet wurde, ernannt. Otzen übernahm die Lehrgebiete Backsteinkunst und Formenlehre für Ingenieure.
06. 04. Erich Mühsam wird in Berlin geboren. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Lübeck lebte er seit 1901 als freier Schriftsteller in Berlin. Nach dem Reichstagsbrand wurde er von der Gestapo verhaftet, eingekerkert und 1934 im KZ Oranienburg umgebracht.
10. 04. Albert Borsig, der Sohn und Nachfolger des Firmengründers August Borsig, stirbt in Berlin.
20. 04. Auf der Pferde-Straßenbahn-Linie Brandenburger Tor (Mitte) - Charlottenburg beginnt der Versuchsbetrieb mit zwei Dampflokomotiven, der bis zum 11. August 1878 dauerte.
22. 04. Der Mathematiker und Astronom Joseph Philipp Wolfers stirbt in Berlin. Als astronomischer Rechner machte er sich in der wissenschaftlichen Welt einen Namen. Wolfers übersetzte Werke von Leonhard Euler und Isaac Newton ins Deutsche.
30. 04. General Julius von Hartmann, für die Reorganisation der Armee in das Kriegsministerium berufen, verstirbt im Alter von 61 Jahren.
30. 04. Auf dem Stiftungsfest der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin hält Ferdinand Freiherr von Richthofen eine Rede, in der er von einer »behaglichen Existenz« der Gesellschaft in dieser Entwicklungsetappe spricht.
10. 05. Gustav Stresemann wird in Berlin geboren. Der Nationalökonom, 1918 bis 1929 Vorsitzender der Deutschen Volkspartei, wurde am 13. August 1923 Reichskanzler und Außenminister in der Regierung der großen Koalition. 1926 erhielt er den Friedensnobelpreis.
11. 05. Auf Kaiser Wilhelm I. wird auf der Straße Unter den Linden (Mitte) mit drei Schüssen ein Attentat verübt, das jedoch fehlschlägt. Als Täter stellte man den arbeitslosen Schreiner Emil Max Hödel, der später zum Tode verurteilt und hingerichtet wurde.
24. 05. Franz Espagne, Leiter der Musikabteilung der Königlichen Bibliothek in Berlin, stirbt.
25. 05. Das Testament des Rentners Albrecht Theobald Felinus enthält die Verfügung, der Armendirektion 10 000 Mark zu hinterlassen, wenn die Stadt die Felinussche Leichenhalle auf dem Matthäi-Kirchhofe auf ewig in gutem Zustande erhalte.
01. 06. Der Betrieb der Allgemeinen Berliner Omnibus-AG wird eröffnet.
02. 06. Karl Eduard Nobiling verübt auf den 81jährigen Kaiser Wilhelm I. mit Schüssen aus einer Schrotflinte ein Attentat, wobei der Kaiser verletzt wird.
08. 06. Louis Kunheim, Begründer der chemischen Fabrik Kunheim & Co. in Kreuzberg, stirbt in Berlin.
13. 06. Otto Bechstein wird in Berlin geboren. Bechstein war im Berliner Schuldienst zunächst als Lehrer und ab 1929 als Rektor tätig. Im Dezember 1909 wurde er in den Vorstand des Berliner Lehrervereins gewählt.
13. 06. Der Berliner Kongreß - die Versammlung der führenden Staatsmänner der europäischen Großmächte, die die endgültigen Friedensbedingungen nach dem Russisch-Türkischen Krieg festsetzte - wird eröffnet.
16. 06. Gustav Schuft wird in Cottbus geboren. Der Turner gewann bei den Olympischen Spielen in Athen 1896 als Berliner Vertreter im deutschen Aufgebot die Goldmedaille an Barren und Reck in der Mannschaft.
16. 06. Durch königlichen Erlaß wird der Stadt die Genehmigung erteilt, 14 024 Mark aus dem Nachlaß der Witwe Agnes Wilhelmine Ebell anzunehmen, um die anfallenden Zinsen dem Wunsch der Verstorbenen gemäß an bedürftige Witwen zu verteilen.
16. 06. Die erste Trabrennbahn Berlins wird in Weißensee eröffnet. Sie blieb bis 1912 in Betrieb.
22. 06. Der Vorstand des Aktienvereins des Zoologischen Gartens zu Berlin gibt den Mitgliedern des von Otto Fürst von Bismarck geleiteten Berliner Kongresses ein glänzendes Gartenfest.
25. 06. Marie-Elisabeth Lüders wird in Berlin geboren. Die Politikerin und Frauenrechtlerin wurde 1958 Ehrenbürgerin der Stadt.
26. 06. Die Mitglieder des 1865 gegründeten »Vereins für die Geschichte Berlins« unternehmen eine Kahnfahrt auf dem Festungsgraben, die an der Singakademie begann und bis zum Wusterhausener Bär (Wehr) führte.
01. 07. Der Berliner Stadtarchivar Ernst Fidicin scheidet aus seinem Amt aus und geht in den Ruhestand. Dem Historiker war 1846 vom Magistrat zunächst nebenamtlich die Ordnung und Verwaltung des Städtischen Archivs übertragen worden.
01. 07. Die Hauptkadettenanstalt in Groß-Lichterfelde wird bezogen.
04. 07. Bei der Feier des Leibnizschen Jahrestages trägt Emil Du Bois-Reymond die Festrede vor, die vom ständigen Sekretär der physikalisch-mathematischen Klasse der Berliner Akademie, Arthur Auwers, erarbeitet worden war.
05. 07. Erstmals verkehrt eine Pferdebahn zwischen dem Spittelmarkt (Mitte) und dem Gasthaus »Zenner« (Treptow).
13. 07. Der Berliner Kongreß findet mit einer Ansprache des Kronprinzen Friedrich Wilhelm, des späteren Kaisers Friedrich III., seinen Abschluß. Hauptthema der Verhandlungen war die Beilegung der Orientkrise.
14. 07. Egon Petzke wird in Berlin geboren. Petzke besuchte von 1897 bis 1899 die Königliche Gärtnerlehranstalt, war danach in Deutschland und England und ab 1913 in Casilda-Santa Fe (Argentinien) als Professor an der Höheren Landwirtschaftsschule tätig.
15. 07. Es wird die »königliche Direktion der Berliner Stadtbahn« eingesetzt, die den Bau der Berliner Stadtbahn in ihrer Hand hat.
18. 07. Der Pferdebahnbetrieb wird zwischen Alexanderplatz durch die Kaiserstraße und die Große Frankfurter Straße (Frankfurter Allee) bis zur Fruchtstraße (ab 17. März 1971 Straße der Pariser Kommune) aufgenommen.
19. 07. Der Maurermeister Carl Rabitz erhält das Patent »Feuersicherer Deckenputz unter hölzernen Balken« unter der Nummer 3 789.
20. 07. Der Zahnarzt Joseph Linderer (Zahnschmerzlinderer«), Mitbegründer der wissenschaftlichen Zahnheilkunde und erster Dozent dieses Faches an der Charité, stirbt in Berlin.
06. 08. Der Maurermeister Carl Rabitz, dem bereits am 19. Juli das Patent für »Feuersicheren Deckenputz unter hölzernen Balken« zugesprochen worden war, erhält das Zusatzpatent für »Feuersichere, sich selbst tragende Zwischenwände« - die sogenannte Rabitzwand.
07. 08. Die Studentenschaft der Berliner Universität veranstaltet anläßlich des 60. Geburtstages von August Wilhelm Hofmann einen Kommers. Hofmann wurde als Wissenschaftler gefeiert, mit dem in Berlin die neue Chemie eingezogen war.
09. 09. Auf Betreiben des Bauvereins Adlershof-Grünau werden auf der Strecke der Görlitzer Bahn Berlin/Görlitzer Bahnhof - Grünau »Omnibuszüge« eingeführt. Sie bestanden aus einer kleinen Lokomotive und ein bis drei Abteilwagen 3. Klasse.
10. 09. Anna Zinz wird in Torda (Siebenbürgen) geboren. Zinz besuchte von 1912 bis 1914 die Höhere Gärtnerlehranstalt in Dahlem und war später u.a. im Botanischen Garten in Dahlem und in der »Studienkommission für Thyphaforschung« in Charlottenburg tätig.
01. 10. Zur Einschränkung der Wasservergeudung wird von den Berliner Kommunalbehörden die »allgemeine obligatorische Anwendung von Wassermessern« verordnet.
03. 10. Albert Freyberg wird in Berlin geboren. Nach dem Studium der Geschichte, Geographie und Germanistik bestand er 1903 das Lehrerexamen. Nach Ableistung des Probejahres am Luisenstädtischen Gymnasium (1904/05), wurde Freyberg 1909 fest angestellt.
04. 10. Selmar Aschheim, der spätere Hormonforscher, wird als Sohn des jüdischen Kaufmanns Heymann Aschheim und seiner Frau Ernestine, geborene Hirschberg, in Berlin geboren.
05. 10. Die Opernsängerin am Königlichen Opernhaus zu Berlin, Unter den Linden (Mitte), Louise Harriers-Wippern, stirbt in Görbersdorf.
09. 10. Rats-Zimmermeister Otto beginnt mit dem Aufsetzen der Turmhelme auf den steinernen Doppelturm der Nikolaikirche.
11. 10. Karl Louis Theodor Brugsch wird in Graz geboren. Der Internist war u.a. Ordinarius und Direktor der Medizinischen Universitätskliniken in Halle und Berlin (Charité).
19. 10. Der in Berlin zusammengetretene Reichstag stimmt dem Bismarckschen »Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie« (Sozialistengestz) mit 221 Stimmen zu 149 Gegenstimmen zu.
21. 10. Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck setzt das »Gesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie« (Sozialistengesetz) in Kraft, nachdem es von Kronprinz Friedrich Wilhelm, dem spätere Kaiser Friedrich III., unterzeichnet worden war.
25. 10. Der Apparatebauer Carl Justus Heckmann stirbt in Berlin.
29. 10. Friedrich Konrich wird in Hooksiel (Oldenburg) geboren. Der Mediziner war von 1942 bis 1945 Präsident der Reichsanstalt für Wasser- und Luftgüte in Berlin.
01. 11. Die Sammlung historischer Telegraphenapparate aus dem ehemaligen Generaltelegraphenamt in Berlin wird in das 1872 neu gegründete Reichspostministerium überführt.
04. 11. Die Victoria-Speicher-AG wird gegründet. Sie ging am 19. April 1905 in die 1885 gegründete Allgemeine Berliner Omnibus-AG ein.
07. 11. Lise Meitner wird in Wien geboren. Die Physikerin lebte und arbeitete von 1907 bis 1938 in Berlin.
07. 11. Dem Physiologen Emil du Bois-Reymond wird anläßlich seines 60. Geburtstages von seinen Schülern ein prächtig gestaltetes Album mit 48 Porträtfotos seiner Schüler überreicht.
10. 11. Werner Jaensch wird in Herzberg geboren. Prof. Jaensch, Paläontologe, war von 1906 bis 1949 Kustos des Geologisch- Paläontologischen Instituts der Berliner Universität. Sein Spezialgebiet waren die ostafrikanischen Dinosaurier.
10. 11. Arthur Levy (A. Liebert) wird in Berlin geboren. Liebert studierte an der Berliner Universität Philosophie. 1918/19 erhielt er Lehraufträge für Pädagogik und Philosophie an der Handels-Hochschule Berlin. 1946 wurde er Dekan der Berliner Universität.
21. 11. Oberbürgermeister Max von Forckenbeck wird in sein Amt als Stadtoberhaupt von Berlin eingeführt.
25. 11. Wilhelm Flügel wird in Göttingen geboren. Flügel trat am 1. Oktober 1904 in den Berliner Schuldienst ein. Er war von 1906 bis 1920 im Vorstand des Berliner Lehrervereins und wirkte in dieser Zeit über zwölf Jahre als 1. Vorsitzender.
27. 11. Der Schauspieler, Schriftsteller und Dramatiker Albert Emil Brachvogel stirbt in Berlin. Er wurde auf dem Kirchhof der Domkirchengemeinde in Wedding beigesetzt.
28. 11. Nach Paragraph 28 des Sozialistengesetzes wird über Berlin und die Kreise Charlottenburg, Potsdam, Teltow, Niederbarnim und Osthavelland der »Kleine Belagerungszustand« verhängt. Auf dieser Grundlage wurden 67 aktive Sozialdemokraten ausgewiesen.
05. 12. Wilhelm Liepmann wird in Danzig geboren. Der Mediziner gilt als Begründer der sozialen Gynäkologie. Er war erster Lehrstuhlinhaber dieses Fachs an der Berliner Universität und gründete das »Institut für Frauenkunde« in Berlin.
08. 12. Die Restaurierungsarbeiten im Inneren der Nikolaikirche werden ohne Überschreitung der veranschlagten Kosten von 175 000 Mark beendet.
09. 12. Die »Berliner Medizinisch-Psychologische Gesellschaft«, unter Wilhelm Griesinger 1867 gegründet, wird in »Berliner Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie« umbenannt.
15. 12. Der Neubau des Hospitals der Französischen Gemeinde von Berlin in der Friedrichstraße 129 (Mitte) wird feierlich eingeweiht.
15. 12. Ernst Ruhmer wird in Berlin geboren. Der Techniker wurde bekannt durch seine erfolgreichen Versuche mit Trägerfrequenzanlagen.
16. 12. Der Theaterdirektor Arthur Woltersdorff stirbt in Berlin. Er hatte 1864 das Meyselsche Theater vor dem Oranienburger Tor (Mitte) erworben und es als Woltersdorff-Theater bekannt gemacht.
16. 12. Der Berliner Schauspieler und Schriftsteller Louis Schneider stirbt in Potsdam. Von 1827 bis 1848 war er Mitglied des Königlichen Schauspielhauses. Schneider war u.a. Königlicher Vorleser und Mitinitiator des Schauspielervereins in Berlin.
16. 12. In Berlin wird der Handelsvertrag zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn abgeschlossen.

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