Berlin im Jahr 1877
01. 01. Charlottenburg scheidet aus dem Teltower Kreis aus und bildet einen eigenen Stadtkreis.
01. 01. Die Neue Berliner Pferdebahn-Gesellschaft nimmt ihren Betrieb zwischen Weißensee und Alexanderplatz auf. Ihre Linien verbanden in der Folgezeit Weißensee und Lichtenberg mit Berlin.
05. 01. Fritz Koch-Gotha wird in Eberstädt bei Gotha geboren. 1902 nach Berlin gekommen, machte er sich einen Namen als Pressezeichner und Buchillustrator.
10. 01. Die Sozialdemokraten gewinnen bei den Reichstagswahlen erstmals zwei von sechs Berliner Mandaten. Die restlichen Mandate entfielen auf die Fortschrittspartei und die Nationalliberalen.
13. 01. Der Verlagsbuchhändler Gustav Hempel stirbt in Berlin. Er gab in seinem Verlag vor allem populärwissenschaftliche und preiswerte Literatur heraus.
24. 01. Der Physiker Johann Christian Poggendorf stirbt in Berlin. Poggendorf war Professor in Berlin auf den Gebieten Geschichte der Wissenschaften, Experimentalphysik und Elektrizitätslehre und machte sich um naturwissenschaftliche Allgemeinliteratur verdient.
05. 02. Zwischen der Berlin-Dresdener Eisenbahngesellschaft und der preußischen Staatsregierung wird ein Vertrag geschlossen, durch welchen die Verwaltung und der Betrieb des der Gesellschaft konzessionierten Bahnunternehmens auf den Staat übergeht.
16. 02. Ernst Ludwig von Gerlach, konservativer Publizist und preußischer Abgeordneter, stirbt in Berlin.
15. 03. Gustav Otto Richard Wussow wird in Kalau geboren. Der Meteorologe war von 1920 bis 1925 Schriftführer im Zweigverein Berlin der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft.
17. 03. Wilhelm Doegen wird in Berlin geboren. Doegen wurde bekannt durch die Gründung der »Laut-Bibliothek« (heute der Technischen Universität angeschlossen), in der Schallplattenaufnahmen mit den Stimmen vieler Volksstämme aus aller Welt gesammelt sind.
19. 03. Auf dem Alexanderplatz, auf dem polnische Arbeiter zu Niedrigstlöhnen die Schienen der neuen Pferdebahn verlegen, kommt es zu Tumulten von Arbeitslosen, gegen die berittene Polizei mit gezogenem Säbel vorgeht. Es kommt zu zahlreichen Verhaftungen.
22. 03. Der Wrangelbrunnen, genannt nach dem Feldmarschall Gustav Adolf von Wrangel, modelliert von Hagen und gegossen von Gladenbeck, wird auf dem Kemperplatz im Tiergarten aufgestellt.
28. 03. In der Kapelle des Schlosses zu Berlin findet die Einsegnung des Prinzen Heinrich und der Prinzessin Charlotte statt.
29. 03. Der Botaniker Alexander Heinrich Braun stirbt in Berlin. Ab 1851 war er Professor der Botanik an der Universität. Außerdem war er Direktor des Botanischen Gartens in der Potsdamer Straße (Schöneberg) und Mitglied der »Gesetzlosen Gesellschaft zu Berlin«.
31. 03. Louis Meyer wird in Berlin geboren. Meyer besuchte von 1900 bis 1902 die Königliche Gärtnerlehranstalt Wildpark (bei Potsdam) und war nach einer Studienreise durch Bayern im Herbst 1903 als Garteningenieur bei der Berliner Stadtsynode tätig.
01. 04. Nach langjähriger Tätigkeit an der Tierarzneischule tritt der Tiermediziner Karl Heinrich Hertwig in den Ruhestand.
09. 04. Wilhelm I. genehmigt den vorgeschlagenen Standort, das Gelände der Königlichen Baumschule in Charlottenburg, für den Bau der Technischen Hochschule mit der Auflage, die Baumbestände des Grundstücks weitgehend zu schonen.
12. 04. Die Stadtverordnetenversammlung beschließt, an der späteren Thaer- und Eldenaer Straße, auf einem von der Stadt angekauften Teil der Lichtenberger Feldmark, mit dem Bau eines neuen Vieh- und Schlachthofes zu beginnen.
15. 04. Arthur Werner wird in Berlin geboren. Er war Oberbürgermeister der ersten Berliner Stadtverwaltung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges.
16. 04. Hermann Martens wird geboren. Der Radsportler gewann bei den Olympischen Spielen in London 1908 als Berliner Verteter in der deutschen Olympiamannschaft die Silbermedaille im 4000-m-Mannschaftsverfolgungsrennen.
16. 04. Hermann Henze wird in Finsterbergen (Thüringen) geboren. Der Geograph und Meteorologe war von 1902 bis 1942 am Preußischen Meteorologischen Institut in Berlin tätig.
23. 04. Es wird mit der Fundamentierung des Neubaus des Kunstgewerbemuseums in der Prinz-Albrecht-Straße (Kreuzberg) begonnen
06. 05. Richard Schwarzlose wird in Charlottenburg geboren. Schwarzlose studierte Mathematik und Physik in Berlin und bestand 1901 das Staatsexamen. Ab Ostern 1904 war er Oberlehrer am Luisenstädtischen Gymnasium in Berlin.
12. 05. Karl August Theodor Glinz wird in Clausthal geboren. Der Bergbauingenieur wurde 1925 als ordentlicher Professor für Bergbaukunde an die Technische Hochschule in Charlottenburg berufen.
18. 05. Der Apotheker und Geschäftsgründer der Spandauer Löwen-Apotheke, Julius Carl Rudolph Serger, stirbt in Potsdam.
22. 05. Hermann Quaatz wird in Berlin geboren. Quaatz studierte Philologie und Geschichte und bestand 1904 in Marburg das Lehrerexamen. Von 1906 bis 1912 war er als Oberlehrer am Luisenstädtischen Gymnasium, danach am Sophien-Gymnasium in Berlin angestellt.
27. 05. Gustav Meyer, seit 1870 Gartenbaudirektor der Stadt Berlin, stirbt in Berlin. Von 1870 bis 1877 wurden unter seiner Leitung 100 Hektar Parkfläche bearbeitet, Parkanlagen begonnen oder fertiggestellt (Humboldthain, Kleiner Tiergarten, Treptower Park).
01. 06. Im neuen Pflegerinnenhaus am Städtischen Krankenhaus Friedrichshain beginnt der erste Kursus mit vier Schülerinnen.
01. 06. Die städtische Flußbadeanstalt Wröhmännerstraße 20 in der Oranienburger Vorstadt in Spandau wird in Betrieb genommen.
04. 06. Der Magistrat der Stadt beschließt, Spandow in Spandau umzubenennen (Bestätigung des Regierungspräsidenten zu Potsdam am 2. April 1878).
10. 06. Max Kirsch wird in Stargard (Pommern) geboren. Nach dem Studium (Theologie und neuere Sprachen) legte er 1899 die Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen ab. Am Luisenstädtischen Gymnasium in Berlin war er ab April 1905 als Oberlehrer tätig.
26. 06. Eine Verordnung über die Einrichtung eines Patentamtes, auf deren Grundlage das Kaiserliche Patentamt entstand, wird erlassen.
01. 07. Das Reichspatentgesetz tritt in Kraft, nachdem zahlreiche Eingaben des unter Vorsitz von Werner Siemens 1874 gegründeten Deutschen Patentschutzvereins an den Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck gemacht worden waren.
01. 07. Die »Geheime Ober-Hofbuchdruckerei« in Berlin geht in das Eigentum des Reiches über und wird, vereinigt mit der preußischen Staatsdruckerei, als »Reichsdruckerei« eine Institution zur Herstellung von Drucksachen des Deutschen Reiches.
01. 07. Der Ingenieur und Industrielle Werner Siemens wird zum »nichtständigen Mitglied« des Kaiserlichen Patentamtes ernannt.
01. 07. Das Kaiserliche Patentamt nimmt seine Tätigkeit in der Wilhelmstraße 75 (Mitte) auf.
01. 07. Das 1. Heft der »Annalen für Gewerbe und Bauwesen« (ab 1922 »Glasers Annalen«), von dem Patentingenieur Friedrich Carl Glaser gegründet und herausgegeben, erscheint in Berlin.
09. 07. Hermann Möller wird in Berlin geboren. Möller besuchte von 1898 bis 1900 die Königliche Gärtnerlehranstalt und war von 1903 bis 1906 als Obergärtner - später vorübergehend als Dozent für Pflanzenbau - an der Höheren Gärtnerlehranstalt in Dahlem tätig.
10. 07. Die erste 133,7 km lange Teilstrecke der Nordbahn Berlin/Gesundbrunnen - Neubrandenburg wird mit den Bahnhöfen Prinzenallee (Wollankstraße), Reinickendorf-Rosenthal (Wilhelmsruh), Dalldorf (Wittenau), Hermsdorf, Birkenwerder und Oranienburg eröffnet.
14. 07. Der Berliner Stadtverordnete Leopold Ullstein gründet den nach ihm benannten Verlag und kauft die Zeitung »Neues Berliner Tageblatt« (1871 von Rudolf Mosse gegründet).
15. 07. Die Königliche Direktion der Berliner Stadteisenbahn wird als bauleitende Behörde eingerichtet.
18. 07. Der Maschinenbauer Julius Conrad Freund stirbt in Berlin. Freund hatte 1819 die Maschinenbauwerkstatt seines Bruders übernommen und Dampfmaschinen, Mühlen, Walzen, Pressen u. v. a. m. erfolgreich hergestellt.
02. 08. Der Physiker Hermann Helmholtz hält in Berlin zur Feier des Stiftungstages der militärärztlichen Bildungsanstalten eine Rede über »Das Denken in der Medizin«.
20. 08. Der Komponist Bernhard Hopffer stirbt auf dem Jagdschloß Niederwald bei Rüdesheim. Der in Berlin Geborene schrieb Lieder, Symphonien, Kammermusik und Opern. 1872 wurde er von einem Lungenleiden befallen und arbeitete fortan in verschiedenen Kurorten.
20. 08. Laut Erlaß wird die Verwaltung der Berlin-Dresdener Bahn ab Oktober 1877 der königlichen Direktion der Niederschlesischen- Märkischen Eisenbahn und unter ihr einer königlichen Eisenbahnkommission für die Berlin-Dresdener Eisenbahn übertragen.
29. 08. Der Tiermediziner Andreas Christian Gerlach, Direktor der Tierarzneischule und Leiter der Klinik für große Haustiere, stirbt in Berlin. Er war der erste Tierarzt in Preußen, der, ohne Humanmediziner zu sein, 1870 zum Geheimen Medizinalrat ernannt wurde.
11. 09. Der Verlag Ullstein wird in das Königliche Handelsregister eingetragen.
12. 09. Georg Hamel wird in Düren geboren. Der Mathematiker war von 1919 bis 1945 an der Technischen Hochschule in Berlin tätig.
24. 09. Die erste Anlage des Wasserwerkes Tegel, die Wasser aus 23 Brunnen entnahm, wird in Betrieb genommen. Die Wasserwerke Tegel und Müggelsee wurden zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit der Berliner Wasserwerke errichtet.
01. 10. Heinrich Zille wird als Geselle bei der Photographischen Gesellschaft am Dönhoffplatz (Mitte) eingestellt.
01. 10. Die Verwaltung und der Betrieb der Berlin-Dresdener Bahn wird laut Vertrag vom Februar des Jahres zwischen der Eisenbahngesellschaft und der königlich-preußischen Staatsregierung vom Staat übernommen.
15. 10. Beim Antritt des Rektorats an der Berliner Universität hält der Physiker Hermann Helmholtz die Rede »Über die akademische Freiheit der Deutschen Universitäten«.
24. 10. Im Berliner Haupttelegraphenamt finden unter Leitung des Generalpostmeisters Heinrich Stephan Versuche mit dem Bellschen Telephon statt. Dieser Tag gilt als »Geburtstag des Fernsprechers in Deutschland«.
26. 10. Zwischen dem General-Postamt in der Leipziger Straße und dem Haupttelegrafenamt in der Französischen Straße (Mitte) wird mit zwei Bell-Telefonen das erste Telefongespräch in Berlin geführt.
31. 10. Vom Haupttelegraphenamt Berlin wird das erste Ferngespräch mit Magdeburg geführt.
05. 11. Zwischen den Amtszimmern des Generalpostmeisters in der Leipziger Straße und des Direktors des Generaltelegraphenamtes in der Französischen Straße beginnt der erste regelmäßige Fernsprechdienst.
06. 11. Der ordentliche Professor für Physiologie an der Berliner Universität Emil Du Bois-Reymond eröffnet mit einer festlichen Ansprache das neuerbaute Physiologische Institut der Berliner Universität in der Dorotheenstraße (Mitte).
12. 11. Die erste kleine Telegraphenstation mit Fernsprechbetrieb nimmt in der Kolonie Friedrichsberg bei Berlin (etwa zwischen Frankfurter Allee, Gürtelstraße, Boxhagener Straße und Jungstraße gelegen, Friedrichshain) ihre Arbeit auf.
15. 11. Der westliche Teil der Berliner Ringbahn wird mit den Bahnhöfen Tempelhof, Wilmersdorf, Grunewald (Halensee) und Charlottenburg an Moabit angeschlossen. Mit dem bereits 1871 fertiggestellten östlichen Teil ist der gesamte Ring geschlossen.
19. 11. Generalpostmeister Heinrich Stephan, der als erster das Telephon »Fernsprecher« nannte, führt diese Bezeichnung offiziell ein.
26. 11. Richard Lucae, Direktor der Bauakademie seit 1873, stirbt in Berlin.
01. 12. Das zweite Teilstück der Nordbahn, die Strecke von Neubrandenburg nach Demmin mit 42,6 km, wird eröffnet.
01. 12. Der Endbahnhof für die Personenzüge der Nordbahn wird vom Bahnhof Gesundbrunnen (Wedding) zum Stettiner Bahnhof (Nordbahnhof, Mitte) verlegt.
03. 12. Für den zentralen Vieh- und Schlachthof auf einem Teil der Lichtenberger Feldmark wird der Grundstein gelegt. Das Gelände wurde 1878 von Berlin erworben (seit 1938 zu Prenzlauer Berg). Der Vieh- und Schlachthof wurde am 1. März 1881 in Betrieb genommen.
13. 12. Den Berliner Bürgern Wilhelm Berkowky & Sohn wird ihre Erfindung des »Zweimal geknickten Schirmstockes« patentiert.
14. 12. Unter Nr. DRP 2399 wird Werner Siemens das Patent auf »Telephone und Rufapparate mit magnetischer Gleichgewichtlage der schwingenden Teile« erteilt.
21. 12. In der Generalversammlung der Deutschen Chemischen Gesellschaft zu Berlin spricht August Wilhelm Hofmann Gedächtnisworte für den Chemiker Alphons Oppenheim.
23. 12. Das Ostend-Theater in der Großen Frankfurter Straße 132 (Frankfurter Allee), geleitet von den Direktoren Hermann Grünfeld und Arnold Lüders, wird mit musikalischen und szenischen Darbietungen - zunächst für geladene Gäste - eröffnet.
25. 12. Das »Ostendtheater« in der Großen Frankfurter Straße 132 (Fiedrichshain) wird mit William Shakespeares »König Lear« für das Publikum eröffnet. Zwei Tage zuvor war es mit musikalischen und szenischen Darbietungen vor geladenen Gästen eingeweiht worden.
31. 12. Die Einwohnerzahl Berlins überschreitet die Millionengrenze. Vor allem aus Brandenburg und den preußischen Ostprovinzen hielt der Zustrom in die Metropole an.

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