Berlin im Jahr 1876
01. 01. Die »Berliner Freie Presse« wird als erste sozialistische Tageszeitung in der genossenschaftlichen Allgemeinen Deutschen Associations- Buchdruckerei (seit 1875 in Berlin) gedruckt.
01. 01. Wie in Preußen und Sachsen seit dem 1. Januar 1875 wird nun die Reichsmark zu 100 Pfennig als alleiniges, einheitliches und gesetzliches Zahlungsmittel im gesamten Deutschen Reich eingeführt.
01. 01. Der Preußische Staat tritt die Straßen und Brücken in Berlin an die Stadt ab. Unberührt davon blieben die öffentlichen Wasserstraßen, Häfen und Ufereinfassungen.
01. 01. Der Reichstag vereinigt auf Vorschlag des Generalpostmeisters Heinrich Stephan Post und Telegraphie.
01. 01. Im Zuge der Vereinheitlichung des Geldwesens gemäß Reichsmünzgesetz vom 4. Dezember 1871 wird in Berlin die Reichsbank gegründet.
01. 01. Der »Verein der Apotheker Berlins« hält von nun an für seine Berliner ordentlichen Mitglieder wissenschaftliche Journale und Zeitschriften. Zur Deckung der Kosten wurde von jedem Mitglied ein jährlicher Beitrag von fünf Mark erhoben.
03. 01. Oberpräsident Gustav Wilhelm von Jagow eröffnet die erste Sitzungsperiode des nach der Provinzialordnung von 1875 gewählten Provinziallandtages von Brandenburg im Landschaftshaus in der Spandauer Straße (Mitte).
04. 01. Leo Ubbelohde wird in Hannover geboren. Ubbelohde hatte 1933 den Lehrstuhl für technische Chemie an der Technischen Hochschule zu Berlin übernommen.
07. 01. Otto Friedrich Gruppe, außerordentlicher Professor an der Berliner Universität, Kunstkritiker und Herausgeber des »Deutschen Dichterwaldes« und des »Deutschen Musen-Almanachs«, stirbt in Berlin.
11. 01. Fritz Demuth wird in Berlin geboren. Der Jurist war von 1905 bis 1933 Syndicus der Industrie- und Handelskammer zu Berlin. 1924 wurde er geschäftsführender Vorsitzender des Kuratoriums der Handels-Hochschule.
22. 01. Treptow wird mit ca. 500 Einwohnern selbständige Landgemeinde.
03. 02. Der Baumeister Georg Gustav Erbkam, der die Bauten zur Nationalgalerie leitete, stirbt in Berlin.
03. 02. Hermann Schröder wird in Verden an der Aller geboren. Als Leiter der prothetischen Abteilung des zahnärztlichen Instituts der Berliner Universität war er führend in der Forschung auf den Gebieten der Zahnerhaltung, Prothetik und Chirurgie.
10. 02. Der General der Infanterie und preußische Staatsmann Eduard von Peucker stirbt in Berlin.
22. 02. Die Lichterfelder Straße (ab 30. September 1935 Methfesselstraße, Kreuzberg) erhält ihren Namen.
04. 03. Durch eine Polizeiverordnung, »den Personen-Transport auf Böten und Gondeln innerhalb der Havelstrecke vom Dorfe Cladow bis zum Dorfe Tegel betreffend«, werden öffentliche Stand- und Landungsplätze in Spandau und Tegel bestimmt.
04. 03. Der Direktor des Königlich Preußischen Meteorologischen Instituts, Heinrich Wilhelm Dove, feiert in Berlin im Kreise von 300 bedeutenden Persönlichkeiten aus Wissenschaft, Industrie und Politik sein 50jähriges Doktor-Jubiläum.
04. 03. Köpenicker Bürger gründen die »Freiwillige Feuerwehr Cöpenick«.
16. 03. Das Preußische Abgeordnetenhaus beschließt, Bau- und Gewerbe-Akademie zu einer Technischen Hochschule zu vereinigen.
18. 03. Die Feier zum 100. Geburtstag der Königin Luise von Preußen im Charlottenburger Schloß ist Anlaß zur Bildung der Luisen- Stiftung zur Erziehung von Volksschulkindern.
21. 03. In Anwesenheit des Kaisers Wilhelm I. findet die Eröffnungsfeier der Nationalgalerie zu Berlin statt. Am 22. März wurde die Nationalgalerie für Besucher geöffnet.
22. 03. Als weitere Einrichtung auf der Museumsinsel wird nach zehnjähriger Bauzeit die Nationalgalerie eröffnet, die Johann Heinrich Strack nach Plänen von Friedrich August Stüler, einem Schüler Karl Friedrich Schinkels, erbaute.
24. 03. Heinrich Spiero wird in Königsberg geboren. Der Literaturhistoriker und promovierte Jurist, Sohn eines jüdischen Unternehmers, schrieb wichtige biographische Beiträge über die Literatur des 19. und des frühen 20. Jh., insbesondere über Wilhelm Raabe.
29. 03. Friedrich Adolph Traun wird in Wandsbeck bei Hamburg geboren. Der Tennisspieler des LTTC Rot-Weiß Berlin gewann bei den Olympischen Spielen in Athen 1896 die Goldmedaille im Doppel.
29. 03. Der Philologe und Pädagoge Karl Ferdinand Ranke stirbt in Berlin.
30. 03. Das Berliner Stadtgericht verbietet auf Antrag von Staatsanwalt Herrmann Tessendorf im Geltungsbereich des preußischen Vereinsgesetzes die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands.
01. 04. Der Gründer der Spandauer Löwen-Apotheke, Rudolph Serger, welcher diese für 100 000 Taler an die Apotheker Hugo Taege und F. Aßmy verkauft hat, teilt die Geschäftsübergabe in einer Anzeige öffentlich mit.
01. 04. Benno Orenstein und Arthur Koppel gründen in Schlachtensee, Waldemarstraße/Viktoriastraße (Matterhornstraße/Breisgauer Straße, Zehlendorf), die Firma Orenstein & Koppel. Anfangs wurden Feld- und Industriebahnen mit transportablen Gleisen hergestellt.
07. 04. Heinrich Tessenow wird in Rostock geboren. Der Architekt baute u.a. den Innenraum von Schinkels Neuer Wache in Berlin zu einem Ehrenmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges um. Er war Lehrer an der Technischen Hochschule zu Berlin.
21. 04. Franz Freiherr von Zedlitz und Leipe wird geboren. Der Sportschütze gewann bei den Olympischen Spielen in Stockholm 1912 als Berliner Vertreter im deutschen Aufgebot die Silbermedaille im Wurftaubenschießen mit der Mannschaft.
24. 04. Der »Berlin-Charlottenburger Bauverein« überreicht dem Handelsministerium eine Denkschrift, in der für den Bau der Technischen Hochschule das Gelände der Königlichen Baumschule beim Hippodrom (Charlottenburg) vorgeschlagen wird.
25. 04. Im Königlichen Schauspielhaus am Gendarmenmarkt wird das Drama »Penthesilea« von Heinrich von Kleist 65 Jahre nach dessen Tod uraufgeführt.
30. 04. Friedrich Heinicke wird in Berlin geboren. Heinicke war während seiner Berliner Studienzeit an der Universitätsbibliothek als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter tätig. Seit 1906 war er Lehrer am Luisenstädtischen Gymnasium.
08. 05. In einer Petition an die Regierung setzt sich der Berliner Lette-Verein für die Ausbildung von Apothekergehilfinnen ein. Er erhielt jedoch einen ablehnenden Bescheid.
12. 06. Über Berlin geht ein ungewöhnlich starker Regen nieder. Innerhalb von 45 Minuten betrug die Niederschlagshöhe 17,5 mm.
27. 06. Mit einem Ministerialerlaß werden Staatsprüfungen im Maschinenfach der Gewerbeakademie angeordnet, die denjenigen für das Baufach entsprachen.
27. 06. Der Mediziner und Naturforscher Christian Gottfried Ehrenberg stirbt in Berlin. Er war seit 1839 Professor für Geschichte der Medizin und Physiologie. Beigesetzt wurde er auf dem Kirchhof der St.-Nicolai- und der St.-Marien-Gemeinde, Prenzlauer Allee 1.
28. 06. Die erste, von Generalpostmeister Heinrich Stephan projektierte unterirdische Telegraphenlinie zwischen Berlin und Halle (Saale) über 170 km wird erfolgreich in Betrieb genommen.
01. 07. Im Landwirtschaftlichen Museum in Berlin beginnt ein vierwöchiger Brennmeisterkurs, den der Verein der Spiritusfabrikanten in Deutschland durchführte.
15. 07. Carl Sonnenschein wird in Düsseldorf als Sohn eines Klempners geboren. Der katholische Geistliche lebte seit Ende 1918 in Berlin und befaßte sich vorwiegend mit sozialkaritativer Arbeit.
19. 07. Heinrich Nicklisch wird in Tettau (Niederschlesien) geboren. Seit 1921 war er an der Handels-Hochschule Berlin tätig. Sein wissenschaftliches Arbeitsgebiet, neben der Lehrtätigkeit, war die Betriebswirtschaftslehre.
22. 07. In einem Schreiben an die preußische Regierung legt der Direktor des Statistischen Büros in Berlin die Probleme der Reorganisation und der Verselbständigung des Meteorologischen Instituts, einer Abteilung des Statistischen Büros, dar.
05. 08. Die »Neue Berliner Pferdebahn-Gesellschaft« wird als drittes Pferdebahnunternehmen gegründet.
16. 08. Oswald Persius wird in Berlin geboren. Persius war ab Frühjahr 1904 bei der städtischen Parkverwaltung zu Berlin als Gartentechniker angestellt und im Wintersemester 1906 Hospitant der Höheren Gärtnerlehranstalt in Dahlem.
29. 08. Norbert Krebs wird in Leoben geboren. Der Geograph war Nachfolger von Albrecht Penck, Direktor des Geographischen Instituts der Berliner Universität.
01. 09. In Stralau wird von acht Männern der »Berliner Ruder-Verein« gegründet, der seinem Namen später die Jahreszahl »1876« hinzufügte.
02. 09. Das vom Bildhauer Alexander Calandrelli geschaffene Gefallenenmonument zu Ehren der aus dem V. Distrikt Berlins in den Kriegen 1864, 1866 und 1870/71 Gefallenen wird im Friedrichshain aufgestellt. Das Denkmal befindet sich nicht mehr dort.
02. 09. Auf dem Kirchhof der Französischen Gemeinde zu Berlin in der Liesenstraße (Mitte/Wedding) wird zum Andenken an die in den Feldzügen 1864, 1866 und 1870/71 gefallenen Mitglieder der Gemeinde ein Denkmal aus poliertem Granit feierlich enthüllt.
21. 09. Richard Bauer wird in Berlin geboren. Bauer war ab März 1899 im Norden Berlins als Lehrer und Rektor tätig und wirkte von 1911 bis 1920 als 2. Schatzmeister im Vorstand des Berliner Lehrervereins.
25. 09. Der Journalist und Volksschriftsteller Adolf Glaßbrenner (Pseud. Adolf Brennglas) stirbt in Berlin. Glaßbrenner erhielt ein Ehrengrab auf dem Kirchhof III der Ev. Jerusalems- und Neuen Kirchengemeinde, Mehringdamm 21 (Kreuzberg).
07. 10. Georg Heinrich Pertz, der im Februar 1842 zum Oberbibliothekar an der Königlichen Bibliothek in Berlin ernannt worden war, stirbt an den Folgen eines Schlaganfalls in München, wo er an der Jahressitzung der Historischen Kommission teilnehmen wollte.
01. 11. Carl Gottlieb Heinrich Erdmann stirbt in Berlin. Erdmann war von 1824 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1874 Lehrer für Chemie, Physik und Pharmazie an der Tierarzneischule.
21. 11. Karl Friedrich Wilhelm von Witzendorff wird zum Generalleutnant befördert. Von Witzendorf war 1846 zur allgemeinen Kriegsschule nach Berlin kommandiert worden und wurde 1859 persönlicher Adjutant des Prinzen Friedrich Karl von Preußen.
01. 12. Die Firma Siemens & Halske nimmt das erste Berliner Kabelwerk in Betrieb.
01. 12. Ein neues Rohrpostsystem, das der Pariser Ingenieur Crespin und der Österreicher von Felbinger für die Reichshauptstadt konzipierten, wird dem öffentlichen Verkehr übergeben und von nun an offiziell als »Rohrpost« bezeichnet.
01. 12. In der Wilhelmstraße 92 (Mitte) wird das Architektenvereinshaus (Architektenhaus) eingeweiht.
07. 12. Der Ohrenarzt Wilhelm Kramer stirbt in Berlin. Der Mediziner, der 1801 in Halberstadt geboren wurde, studierte in Berlin und kehrte nach Aufenthalten in Wien und Paris nach Berlin zurück, wo er sich der Ohrenheilkunde zuwandte.
21. 12. Die neue »Artillerie- und Ingenieurschule« wird gegenüber der königlichen Baumschule »100 Schritt südöstlich von Charlottenburg« (Fasanenstraße) eröffnet.
25. 12. Adolf Windaus wird in Berlin geboren. Der Chemiker widmete sich der Erforschung des Vitamins D und erhielt 1928 für seine Arbeiten den Nobelpreis.
28. 12. Das Kriegsministerium bekräftigt in einem Erlaß seine Absicht, die militärischen Schießstände in der Hasenheide (Neukölln) zu erhalten.

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