Berlin im Jahr 1865
01. 01. In Berlin erscheint die Ausgabe Nummer 1 der »Staatsbürger-Zeitung« des »Achtundvierzigers« Friedrich Wilhelm Held. Sie wurde siebenmal wöchentlich herausgegeben und verstand sich als »Organ für das Volk der erwerbstätigen, unbemittelten Klassen«.
09. 01. Johann Jacoby, 1848 Berliner Abgeordneter, seit 1863 im Peußischen Abgeordnetenhaus, wird nach einer Wahlrede (13. November 1863) wegen Majestätsbeleidigung und Aufreizung zum Ungehorsam gegen die Steuergesetze zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt.
22. 01. Friedrich Paschen wird in Schwerin geboren. Der Physiker war in Tübingen und Berlin Professor auf dem Gebiet der Spektroskopie und von 1924 bis 1933 Präsident der Physikalisch-Technischen Reichsanstalt in Berlin.
22. 01. In einer Versammlung des Berliner Arbeitervereins wird die Notwendigkeit gewerkschaftlicher Organisation betont, worauf in ganz Deutschland Forderungen nach Aufhebung der Koalitionsverbote gestellt wurden.
27. 01. Johann Friedrich von Pommer-Esche erfährt seine Beförderung zum Wirklichen Geheimen Rat, nachdem er als Leiter des Finanzministeriums nunmehr bereits seit zehn Jahren auch Mitglied des preußischen Staatsrates war.
28. 01. Der Verein für die Geschichte Berlins wird auf Initiative des Arztes Julius Beer und des Polizeisekretärs Ferdinand Meyer im Café Royal, Unter den Linden 33, gegründet. Zum ersten Vorsitzenden wurde Oberbürgermeister Karl Theodor Seydel gewählt.
09. 02. Erich von Drygalski wird in Königsberg geboren. Der Geograph gehörte zu den Initiatoren des 1906 eröffneten Instituts und Museums für Meereskunde an der Berliner Universität.
17. 02. Der Physiker Gustav Magnus schlägt den Chemiker August Wilhelm Hofmann für die Aufnahme als ordentliches Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften vor.
28. 02. Fritz Rothenbach wird in Berlin geboren. Rothenbach war Mitarbeiter des Instituts für Gärungsgewerbe und Stärketechnologie an der Landwirtschaftliche Hochschule Berlin.
13. 03. Die erste Pferdebahnlinie in Berlin erhält ihre Konzession.
18. 03. Der Geheime Oberbaurat Friedrich August Stüler, seit 1849 Mitdirektor der Bauakademie, stirbt in Berlin. Der Architekt war u.a. Mitarbeiter Schinkels beim Bau des Palais des Prinzen Karl von Preußen. Er leitete den Bau des Neuen Museums (1843-1855).
24. 03. Der Bildhauer August Karl Eduard Kiss stirbt in Berlin. Bestattet wurde er auf dem Alten Kirchhof der St.-Matthäus-Gemeinde (Schöneberg).
30. 03. Heinrich Rubens wird in Wiesbaden geboren. Rubens lebte seit 1888 in Berlin. Der Physiker hatte eine Professur auf dem Gebiet der Strahlungsforschung.
31. 03. Der Chemiker Hermann Wilhelm Vogel beendet seine Tätigkeit am Mineralogischen Museum der Berliner Universität, in dem er seit April 1860 tätig war.
01. 04. Der erste Bauteil des Berliner Rathauses zwischen Spandauer, Königs- (Rathaus-) und Jüdenstraße wird seiner Bestimmung übergeben.
01. 04. Die Instrumentenfirma des Mechanikers Rudolf Fuess beginnt in der Berliner Mauerstraße 84 (Mitte) mit dem Bau der ersten mechanisch- physikalischen Meßapparate: sechs Blutdruckmesser für Rußland und Rezepturwaagen für Apotheker.
01. 04. Hermann Wilhelm Vogel beginnt seine hauptamtliche Unterrichtstätigkeit für Photographie am Königlichen Gewerbe-Institut in der Klosterstraße (Mitte). Es war der erste staatliche Lehrstuhl für Photographie überhaupt.
07. 04. Der Rechtsgelehrte, Diplomat und preußische Politiker Friedrich Ludwig von Rönne stirbt in Berlin. Er trat u.a. ein für die völkerrechtliche Anerkennung des Grundsatzes der Unverletzbarkeit der Person und des Privateigentums zur See im Kriege.
11. 04. In Berlin wird der Handelsvertrag des deutschen Zoll- und Handelsvereins mit Österreich geschlossen.
15. 04. Hermann Schwabe wird der erste Leiter des Berliner »Statistischen Bureaus« und bleibt es bis zu seinem Tod 1874.
18. 04. König Wilhelm I. legt den ersten Grundstein für die Siegessäule. Anlaß war der Jahrestag der Erstürmung der Düppeler Schanzen im Krieg 1864. Weitere Grundsteinlegungen erfolgten am 26. Oktober 1869 und am 31. Dezember 1871. Die Einweihung war erst 1873.
26. 04. Richard Vater wird in Kempten/Posen geboren. Der Maschinenbauingenieur übernahm 1902 den Lehrstuhl für Maschinenkunde an der Bergakademie Berlin und gleichzeitig die Leitung des Maschinenbaulaboratoriums.
11. 05. Die Berliner Pferdeeisenbahn-Gesellschaft E. Besckow wird gegründet. Ihren Betriebshof nahm sie in der Spandauer Straße (Spandauer Damm) in Charlottenburg.
15. 05. Der erste Spatenstich für das neue chemische Institut der Berliner Universität, das auf einem Grundstück zwischen der Dorotheenstraße und der Georgenstraße (Mitte) entstand, wird getan.
20. 05. Die Potsdamer Reederei August Gebhardt nimmt den regelmäßigen Schiffsverkehr auf den Strecken nach Sacrow, Moorlake und Nedlitz auf.
21. 05. Der Chemiker Dr. Hermann Wilhelm Vogel eröffnet die Internationale Photoausstellung in Berlin. Sie fand im Saal der Tonhalle in der Friedrichstraße 112 statt und war sehr erfolgreich.
22. 05. Bernhard Rose wird in Lohme (Ostprignitz) geboren. Der Schauspieler spielte ab 1902 im Deutschen Clubhaus in der Badstraße. 1906 kaufte er das Ostend-Theater in der Großen Frankfurter Straße, das fortan »Rose-Theater« hieß.
27. 05. Der Chemiker August Wilhelm Hofmann, seit 1865 Professor für Chemie an der Berliner Universität, wird als ordentliches Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften bestätigt.
28. 05. Der preußische Staats- und Finanzminister Eduard Heinrich von Flottwell, Ehrenbürger Berlins, stirbt in Berlin.
03. 06. Otto von Bismarck, Ministerpräsident und späterer Reichskanzler, fordert den Abgeordneten Rudolf Virchow wegen einer scharfen Debatte, die tags zuvor zwischen ihnen im Preußischen Landtag stattgefunden hatte, zum Duell.
08. 06. Rudolf Virchow lehnt die Duellforderung des Ministerpräsidenten von Bismarck im Ergebnis einer scharfen Auseinandersetzung am 2. Juni im Preußischen Landtag aus prinzipiellen Gründen ab. Daraufhin verfolgte ihn eine Flut von Schmähungen als Feigling.
18. 06. Eugen Anton Theophil von Podbielski, nach seiner Uniform auch »der blaue Oberst« genannt, wird zum Generalmajor befördert, um im folgenden Jahre bereits zum Generalquartiermeister der Armee ernannt zu werden.
20. 06. Eine königliche Kabinettsorder bestimmt, die Mahl- und Schlachtsteuer an der neuen Weichbildgrenze (Stadtrechtsgrenze) zu erheben. Die Neuregelung trat auf Magistratsbeschluß am 1. Juli in Kraft.
20. 06. Eine Allerhöchste Kabinettsorder besagt, daß die Stadtmauer abgebrochen werden kann, da sie durch die Eingemeindung von Teilen Charlottenburgs, Schönebergs, Tempelhofs, Moabits, des Weddings und des Luisenbades im Jahre 1861 überflüssig wurde.
22. 06. Die Pferdeeisenbahn-Gesellschaft E. Besckow eröffnet die erste Linie Berlins, die zwischen Kupfergraben, Brandenburger Tor und Charlottenburg verkehrte.
30. 06. Der Magistrat führt seine erste Tagung in dem nach dem ersten Bauabschnitt fertiggestellten Komplex des 1861 nach den Plänen von Hermann Friedrich Waesemann begonnenen neuen Berliner Rathauses durch.
01. 07. Eine neue Mahl- und Schlachtsteuer wird an der Stadtrechtsgrenze erhoben.
02. 07. Lily Braun wird in Halberstadt als Tochter einer adligen preußischen Offiziersfamilie geboren. Sie lebte seit 1890 in Berlin, begann ihre literarische Karriere mit der Herausgabe der Memoiren ihrer Großmutter und widmete sich der Frauenbewegung.
04. 07. Die Nostitzstraße (Kreuzberg) erhält ihren Namen.
06. 07. Der Chemiker August Hofmann hält seine Antrittsrede in der Preußischen Akademie der Wissenschaften.
12. 07. Der »Berliner Beobachter« wendet sich gegen die »Sucht, im Sommer Berlin zu verlassen und ... in ein Bad in Urlaub zu fahren«. Brunnenwasser gebe es auch in Berlin - und damit Ersatz für eine Badereise.
20. 07. Die höchste Lufttemperatur des 19. Jahrhunderts in Berlin wird mit 37°C gemessen.
29. 07. Die Flottwellstraße (Kreuzberg) erhält ihren Namen.
15. 08. Das Berliner Stadtgericht löst den Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein für Berlin auf.
17. 08. Arthur Rosenheim wird in New York (USA) geboren. Der Chemiker studierte und arbeitete in Berlin.
26. 08. Der Astronom Johann Franz Encke, seit 1825 Direktor der Sternwarte der Akademie, stirbt in Spandau. Encke war ab 1826 Mitglied der 1809 gegründeten »Gesetzlosen Gesellschaft zu Berlin«.
28. 08. Die Pferdebahnlinie Charlottenburg - Brandenburger Tor wird bis zum Kupfergraben verlängert.
29. 08. Leopold Julius Spiegel wird in Berlin geboren. Spiegels wissenschaftliche Arbeit begann im chemischen Laboratorium des von Robert Koch geleiteten Hygieneinstituts. Seit 1889 arbeitete er in der chemischen Abteilung des Pharmakologischen Instituts.
13. 09. Der Mühlenmeister Dörfer kauft ein Grundstück in Britz für den Bau einer Mühle. Die Mühle wurde im Oktober 1874 von Mühlenmeister Karl Albert August Stechan übernommen.
12. 10. Der Prediger und Superintendent Samuel Marot, Ehrenbürger der Stadt, stirbt in Berlin.
12. 10. Die Berliner Stadtverordnetenversammlung genehmigt »den Ankauf eines ... im Norden der Stadt belegenen Areals ..., um auf demselben ... einen öffentlichen Park (später Humboldthain) anzulegen«.
31. 10. Der »Verein der Chemiker des Königlichen Gewerbe-Instituts« wird von 16 Studierenden des Instituts »zur Pflege wissenschaftlicher und geselliger Bestrebungen« gegründet.
01. 11. Die »Fortbildungsanstalt für junge Mädchen« wird in Berlin durch den Lehrer Lohff gegründet. Sie sollte »jungen oder auch alten strebsamen Mädchen Gelegenheit geben, sich fortzubilden und sich speziell für den ... Geschäftsbetrieb vorzubereiten«.
06. 11. Der Chemiker Adolf von Bayer stellt ein Gesuch um die Ernennung zum außerordentlichen Professor an die Philosophische Fakultät der Berliner Universität.
13. 11. Die im November 1863 gegründete »Berliner Burschenschaft Alemannia« löst sich auf. Die »aktive Burschenschaft in Stärke von acht Mitgliedern« trat am selben Tag zur »Berliner Burschenschaft Germania« über.
18. 11. Die von der Firma Siemens & Halske im Auftrag der preußischen Regierung errichtete »Röhrenpostanlage« zwischen der Zentralstation im Haupttelegrafenamt in der Französischen Straße und der Börse in der Burgstraße (Mitte) wird in Betrieb genommen.
25. 11. Der Forschungsreisende und Geograph Johann Heinrich Barth stirbt in Berlin.

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