Opfer der faschistischen Euthanasie

Inschrift:
Ehre den /
vergessenen /
Opfern /
An dieser Stelle, in der Tiergartenstraße 4, /
wurde ab 1940 der erste national-/
sozialistische Massenmord organisiert, /
genannt nach dieser Adresse: Aktion T4'. /
Von 1939 bis 1945 wurden fast 200.000 /
wehrlose Menschen umgebracht. /
Ihr Leben wurde als †lebensunwert† /
bezeichnet, ihre Ermordung hieß /
†Euthanasie†. Sie starben in den /
Gaskammern von Grafeneck, Brandenburg, /
Hartheim, Pirna, Bernburg und Hadamar /
sie starben durch Exekutionskommandos, /
durch geplanten Hunger und Gift. /
Die Täter waren Wissenschaftler, Ärzte, /
Pfleger, Angehörige der Justiz, der Polizei, /
der Gesundheits- und Arbeitsverwaltungen. /
Die Opfer waren arm, verzweifelt, aufsässig /
oder hilfsbedürftig. Sie kamen aus /
psychiatrischen Kliniken und /
Kinderkrankenhäusern, aus Altenheimen /
und Fürsorgeanstalten, /
aus Lazaretten und Lagern. /
Die Zahl der Opfer ist groß, gering die Zahl /
der verurteilten Täter.

Technische Daten:
Mehrteilige, quadratische Bronzetafel mit einer Seitenlänge von 3,15 m; sie trägt eine eingravierte Inschrift

Standort:
Tiergartenstraße 4/Ecke Herbert-von-Karajan-Straße (früher Matthäikirchstraße) (Tiergarten)
Besondere Ortsangabe: in den Gehsteig eingelassen
Verkehrsanbindung Bus 142, 148, 248, 348 bis Kemperplatz/Philharmonie

Opfer der Euthanasie Die Planung des Massenmordes auch an wehrlosen Kranken begann nicht erst 1939 mit der "Aktion T4". Als das NS-Regime installiert wurde, wurden diese Gedanken mit dem "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses" vom 14.7.1933 zum staatlich gelenkten Programm. Am 1.9.1939 - zu Beginn des Weltkrieges - erteilte A. Hitler (1889-1945) seinem Arzt Brandt und dem Reichsleiter der NSDAP Ph. Bouhler (1899-1945) den Befehl, "gewissenhafte" Ärzte auszuwählen, die unheilbar Kranke in den "Gnadentod" schicken würden. Die Organisationszentrale für diesen Teil des Massenmordes wurde in der Tiergartenstraße 4 eingerichtet, was zugleich ihre Tarnbezeichnung "T4" wurde. Die Villa steht nicht mehr. Die psychiatrischen Kliniken mußten unheilbar Kranke melden und den Gaskammern der SS ausliefern. In den Konzentrationslagern wurden ab 1939 körperlich behinderte Menschen und überhaupt Mißliebige selektiert und den Transporten in die berüchtigten "Pflegeanstalten" übergeben. Eine Anordnung vom Dezember 1941 besagte, das in den Lagern "unerwünschte Elemente" unter der Bezeichnung "14 f 13" auszusondern seien. So wurde während dieser Aktion das Spektrum der Zielpersonen noch erweitert: Laute und mutige Proteste von Repräsentanten der Kirche gegen das "Euthanasieprogramm" veranlaßten die Organisatoren, ab 1941 die Aktion vorrangig in den Konzentrationslagern weiterzuführen. Das Nürnberger Kriegsverbrechertribunal ermittelte nach 1945 ca. 275.000 Menschen, die Opfer dieser Mordaktion geworden waren.

Einweihung 1.9.1989
Künstler Bartsch, Volker, Richard Serra
Initiator Berliner Geschichtswerkstatt

Bemerkungen:
Die Gedenktafel wurde in Anwesenheit des Präsidenten der Ärtzekammer Ellis Huber durch die damalige Kultursenatorin Anke Martiny enthüllt. An Opfer und Orte der praktizierten Euthanasie erinnern weitere Gedenktafeln in Reinickendorf (Wittenau), Eichborndamm und an der Karl-Bonhoeffer-Klinik sowie im Wedding. Ferner mahnt eine Tafel in Zehlendorf (Dahlem), Ihnestraße 22 und im Wedding, Seestraße/Ecke Müllerstraße. an diese Opfer.

Literaturhinweise
Der Tagesspiegel vom 2.9.1989
Buchheim, Hans/Broszat, Martin/Jacobsen, Hans-Adolf/Krausnick, Helmut: Die Anatomie des SS-Staates, Bd. II, a. a. O.
Kühnrich, Heinz: Der KZ-Staat, a. a. O.
Gedenken und Lernen an historischen Orten, a. a. O.
Schönfeld, Martin: Gedenktafeln in West-Berlin, a. a. O.


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