Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens
Inschrift:
BERLINER GEDENKTAFEL /
C.-V./
In diesem Hause befanden sich /
seit 1930 bis zu ihrem Verbot am 9. November 1938 /
der 1893 gegründete C.-V. (Centralverein deutscher /
Staatsbürger jüdischen Glaubens ) /
(Emser Straße 42) und der ihm gehörende /
Philo-Verlag (Pariser Straße 44) /
Der C.-V., die größte jüdische Organisation in Deutschland, /
vertrat beharrlich die staatsbürgerlichen Rechte der /
deutschen Juden. Er gehörte zu den Vorkämpfern gegen /
Antisemitismus und Nationalsozialismus
Technische Details: weiße Porzellantafel mit blauer Aufschrift ("BERLINER GEDENKTAFEL" weiß) und dem blauen Zepter, Signet der KPM, 60 cm x 43 cm
Standort:
Pariser Straße 44
Ortsteil Wilmersdorf
Verkehrsanbindung U 9 bis Spichernstraße
Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens Der Central-Verein (CV) hatte in der Emser Straße 42 sein Büro. Der Jüdische Buchverlag Philo-Verlag G.m.b.H. befand sich im Nebenhaus, Pariser Straße 44. Der Central-Verein wurde am 26.3.1893 von jüdischen Intellektuellen als Antwort auf den um sich greifenden Antisemitismus während des Kaiserreiches gegründet. Kurz danach zählte er bereits 1.420 Mitglieder; sein Sitz war Berlin. In der Potsdamer Straße 9 (Tiergarten) tagte am 30.12.1893 die erste Generalversammlung des CV. Er wollte die deutschen Staatsbürger jüdischen Glauben sammeln, wobei die religiöse oder politische Richtungen der Mitglieder unwesentlich waren. Dieses Ziel stand auch als Paragraph 1 in der Satzung des Vereins. Sein erster Vorsitzender war 1893/94 Martin Mendelsohn, ihm folgte im Amt bis 1917 Maximilian Horwitz (1894-1917). Der Verein war hinsichtlich seiner Mitgliederzahl die größte jüdische Organisation in Deutschland. 1926 verfügte er bereits über ungefähr 60.000 Mitglieder. Er bot seinen Mitgliedern Rechtsschutz. Der CV bestand auf das Bürgerrecht der jüdischen Mitbürger, lehnte demzufolge eine eigenständige jüdische Nation, wie es der Zionismus als sein Ziel formulierte, ab. Von 1905 bis 1930 befand sich die Geschäftsstelle des CV in Kreuzberg, Lindenstraße. Ab 1922 gab er die "C.-V.-Zeitung" heraus. Der Verein führte einen beharrlichen Kampf gegen die drohende Gefahr des Faschismus und dessen Antisemitismus. Mit Denkschriften, Publikationen und Gesprächen versuchte der Vorstand, den Reichspräsidenten von Hindenburg und die Vertreter der deutschen Wirtschaft auf diese Gefahr aufmerksam zu machen. 1929 war der CV die Dachorganisation für insgesamt 31 Landesverbände mit ca. 500 Ortsgruppen. Unter Behördenzwang mußte er sich ab 1933 beständig neue Namen geben. So wurde er ab 1936 "Jüdischer Central-Verein" genannt. Am 26.9.1933 kam der CV als mitgliederstärkster Verband in die "Reichsvertretung der deutschen Juden", die wiederum eine Dachorganisation jüdischer Verbände und Vereinigungen darstellte. Der letzte Vorsitzende war der Rechtsanwalt Ernst Herzfeld (1875-1948), dem es noch 1939 gelang, nach Palästina zu emigrieren. Die "C.-V.-Zeitung" mußte 1938 ihr Erscheinen einstellen, und der Verein wurde verboten. Seine führenden Mitglieder wurden noch in der "Reichsvereinigung der Juden" in Deutschland wirksam. Der Philo-Verlag war 1919 durch den Rechtsanwalt Ludwig Holländer (1877-1936) ins Leben gerufen worden. Holländer war 1896 Vorsitzender des jüdischen Studentenbundes (Kartell Convent), und er war Mitglied des Berliner Vorstandes der Deutschen Demokratischen Partei (DDP). Er leitete den Verlag bis 1933. Ihm folgte im Amt Alfred Hirschberg (1901-1971) und nach dessen geglückter Emigration Alfred Wiener (1886-1964). Ab 1929 gab der Verlag die "Zeitschrift für die Geschichte der Juden" heraus, um vor allem aufklärend gegen den Antisemitismus zu wirken. Bis 1938 erschien sie viermal im Jahr. Bereits 1924 hatte der Verlag zur Abwehr des Antisemitismus ein Handbuch "Anti-Anti" publiziert.
Literaturhinweise
Der Tagesspiegel vom 3.11.1988
Wegweiser durch das jüdische Berlin, a. a. O.
Lexikon zur Parteiengeschichte. 1789-1945. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland. 4 Bde., Hrsg. v. Dieter Fricke (Leiter des Herausgeberkollektivs), Werner Fritsch, Herbert Gottwald, Siegfried Schmidt und Manfred Weißbecker. Leipzig 1983-1986
Bothe-von Richthofen, Felicitas: Widerstand in Wilmersdorf. a. a. O.
Schönfeld, Martin: Gedenktafeln in West-Berlin, a. a. O.
Orte des Erinnerns, a. a. O.
Gidal, Nahum Tim, a. a. O.