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Maria Curter
20. Oktober 1924:
Erster Verkehrsturm am Potsdamer Platz

»Auf dem Potsdamer Platz ist jetzt endlich der erste Verkehrsturm aufgestellt worden, durch dessen Signale der Verkehr im Zentrum Berlins neu geregelt werden soll«, meldete »Der Tag« am 22. Oktober 1924. Der »Berliner Lokal-Anzeiger« vom Tage zuvor wußte mehr und detailreicher zu berichten. In weitem Umkreis wurde der Platz abgesperrt. »Um 10 Uhr nachts wurde auch der Verkehr im Zuge der LeipzigerPotsdamer Straße stark eingeschränkt. Das alles geschah für die Errichtung einer Baulichkeit, die von jetzt ab eines der Wahrzeichen des weltstädtischen Verkehrs in Berlin sein wird.«
     Schon 1910 sei das Überqueren des Platzes »für Fremde, Kinder, Frauen und Greise mit Gefahr für Gesundheit und Leben verbunden« gewesen, hatte ein Reiseführer gewarnt. Mitte der 20er Jahre war er in der Tat einer der belebtesten Plätze in Europa: Innerhalb von 12 Stunden passierten ihn über 33 000 Fahrzeuge, mehr als die Hälfte waren Kraftfahrzeuge, ein Viertel Fahrräder, 10 Prozent Straßenbahnen, je drei Prozent


Der Verkehrsturm am Potsdamer Platz

Motorräder und Pferdefuhrwerke sowie ein Prozent Handwagen.
     Im Sommer des Jahres 1924 weilten Vertreter der Berliner Straßenbahn-Betriebs GmbH zu Studienzwecken in New York und erwarben den Verkehrsturm für 10 000 Mark. Sie berichteten darüber in den Zeitungen – »Der Riesenverkehr der amerikanischen

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Großstädte, was kann Berlin von New York lernen?« – und waren davon überzeugt, daß die Berliner diese Neuerung stürmisch begrüßen würden. Doch der »Lokal-Anzeiger« hielt sie für einen »Schildbürgerstreich«, das »Tageblatt« verlangte gar die »schleunige Abschaffung«. Ampeln, so die allgemeine Kritik, würden den Verkehr zusätzlich erschweren. Besonders erbost waren Fahrgäste von Taxen und Pferdedroschken, weil der erzwungene Halt bei Rot für sie unzumutbar höhere Fahrkosten bedeutete.
     Dennoch, der Turm wurde errichtet. »Die Montage des Verkehrsturms, der im späteren Verlaufe der Nacht in einzelnen Teilen auf Lastwagen an Ort und Stelle gebracht wurde, vollzog sich verhältnismaßig einfach. Gegen Redaktionsschluß war der leitende Ingenieur der Firma Puls der Ansicht, daß der Turm bis zum Morgen stehen werde. Die Innenausstattung des Turmes, der nicht nur Signaleinrichtungen für die Leitung des Straßenverkehrs erhalten wird, kann erst im Laufe des heutigen Tages und der Dienstagnacht fertiggestellt werden«, berichtete der »Lokal-Anzeiger« weiter. Um drei Uhr morgens war es geschafft. Der fünfeckige, mehr als zehn Meter hohe Turm auf der Mittelinsel des Potsdamer Platzes war nicht zu übersehen.
     Der leitende Verkehrspolizist stand in etwa 7,5 Meter Höhe und regelte per Hand die nach allen fünf Seiten waagerecht angeordneten
rotweißgrünen Ampeln. Außerdem wurden ein Feuermelder, ein Telefon sowie ein Polizeimelder eingebaut.
     »Die Signale werden von dem Verkehrsturm am Tage mit verschiedenen Scheiben gegeben werden, nach Eintritt der Dunkelheit mit Scheinwerfern. Die Farben sind rot, weiß und grün. Rot dient, wie bei der Eisenbahn, zum Anhalten des Verkehrs, grün gibt die Bahn frei und weiß ist das Signal, das dem Publikum mitteilt: >Jetzt kann der Fußgänger den Straßendamm überschreiten!< Außerdem sind an dem Turm noch blaue Laternen angebracht, mit denen den Verkehrspolizisten das Vorsignal gegeben wird, das ihnen sagt: >Jetzt erscheint sofort das Signal für eine Aenderung der Verkehrrichtung.< «, erläuterte die Zeitung dem Leser die Funktionsweise.
     Diese Ampelregelung war ein Novum, denn bis dahin hatte man versucht, den Verkehr mit Horn und Trillerpfeife zu regeln. An schwierigen Kreuzungen standen die Verkehrspolizisten auf einem nachts von einem Scheinwerfer beleuchteten Turm.
     Bis 1935 wurde der spektakuläre Uhren- und Ampelturm des Architekten Jean Krämer genutzt und dann im Zuge der Neugestaltung des Platzes abgebrochen.
     1997 hat man ihn nachgebildet und erneut am Potsdamer Platz – in seltsamem Kontrast zu den Hochhäusern – aufgestellt.

Bildquelle: Archiv Autor

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© Edition Luisenstadt, 1999
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