73 Berlin im Detail | Ruine der Berliner Klosterkirche |
Helmut Caspar Chance für eine Ruine Verein will Reste der Berliner Klosterkirche retten Berlin ist mit Bauten aus dem Mittelalter nicht gerade reich gesegnet. Zu sehr haben Krieg, Abrisse, Erneuerungswahn und pure Ökonomie unter den ältesten Steinzeugen gewütet. Neben der Marienkirche und der Nikolaikirche weisen nur noch die Heiliggeistkapelle, Reste der Stadtmauer, einige ausgegrabene Fundamente und die Ruine der Kirche des Franziskanerklosters unweit des Alexanderplatzes auf die Ursprünge der Doppelstadt Berlin-Cölln.
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Im Winterhalbjahr zugesperrt, doch immer von Neugierigen bewundert, finden in der warmen Jahreszeit unter freiem Himmel Ausstellungen, Konzerte und Theateraufführungen statt. Dabei dürfen die Besucher den nach oben offenen Umfassungsmauern wegen der »Gefahr des Steinschlags« nicht zu nahe kommen, wie Manfred Strehlau, Vorsitzender des 1992 gegründeten Fördervereins Klosterkirche, sagt. »Besucher müssen die durch Seile markierten Wege beachten. Aus baupolizeilichen Gründen wurde ein fürs ZDF geplanter Gottesdienst abgesagt. Schade, eine gute Gelegenheit, via Fernsehen die Ruine weithin bekannt zu machen, konnte nicht genutzt werden«, bedauert der Bildhauer, der mit einigen Unentwegten versucht, Senatspolitikern und Abgeordneten den Wert dieses 750 Jahre alten Bauwerks, an dem sich auch Schinkel im frühen neunzehnten Jahrhundert als Denkmalpfleger versucht hat, klarzumachen und Geld für seine Rettung zu mobilisieren.
Fragile Steine Der aus Künstlern, Architekten, Historikern und anderen Interessenten gebildete Verein hat allen Grund, sich um den Zustand des fragilen Backsteins zu sorgen, der in DDR-Zeiten schon einmal in den Blick des Denkmalschutzes geraten war, aber wegen des Mangels an »Kapazitäten« nur Sicherungs- | ||
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maßnahmen zustande kamen. Vordringlich ist jetzt die genaue Analyse des aktuellen Zustands. Das Landesdenkmalamt veranschlagt die Kosten dafür mit etwa 450 000 Mark, weil jeder Stein untersucht und das Bauwerk eingerüstet werden muß. Dem müßten ohne Aufschub die Sicherungsarbeiten folgen, die etwa vier Millionen Mark kosten und auch Grabungen im Umfeld einschließen würden, wo Rasen und Asphalt noch stattliche Fundamentreste des ehemaligen Klosters bedecken.
Ausgewechselt werden müßten desolate Backsteine, deren harte Oberfläche bereits so aufgeweicht ist, daß Feuchtigkeit ungehindert eindringt, was zu Aufsprengungen und Abschalungen führt. Da nicht ausgeschlossen wird, daß sich die Mauern neigen, wird auch an eine statische Sicherung gedacht. Schließlich ist zu prüfen, ob die Schutzbleche aus der Nachkriegszeit, die die Mauern oben abdecken, noch ihre Arbeit tun. An eine Überdachung der Ruine ist laut Strehlau aus Kostengründen nicht zu denken, so gut das den Umfassungsmauern und auch der Nutzung der Ruine für Veranstaltungen bei Regen und Schnee täte. Wohl aber sei es dringend erforderlich, wenigstens die Kanalisation für das in die Ruine fließende Wasser zu erneuern. »Wir sind nicht dafür, die Ruine für immer zuzusperren, weil sie sonst dem Blick der Öffentlichkeit entschwinden würde. Vielmehr sollte sie in ihrem gefährdeten, unvoll- |
ständigen Zustand wie ein Pfahl im Fleisch wirken, sich in Berlin zunächst um vorhandene und dann um verschwundene Bauten zu kümmern. Auch wenn bedeutende Mittel in die Rekonstruktion der Museumsinsel fließen, sollte die Ruine nicht vergessen werden«, meint Strehlau. Positive Signale aus Bonn würden auch private Sponsoren anregen, sich ebenfalls zu engagieren. So habe schon eine auf Steinkonservierung spezialisierte Firma in München ihr Interesse angemeldet, kostenlos die Sanierung der desolaten Mauern zu übernehmen, und auch andere Sponsoren stünden auf der Helferliste. In erster Linie sei aber das Land Berlin gefordert, das allerdings die veranschlagten Millionen kaum aufbringen wird und nicht einmal in der Lage ist, die Fundamente des Schlosses, ein paar Minuten von der Klosterkirche entfernt, zu sichern.
Als wichtigste Geldgeber hat der Verein daher den Bund, die Lottostiftung und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz im Visier. Wer auch immer die Nachfolge von Bundespräsident Roman Herzog, des jetzigen Schirmherren der Denkmalstiftung, antreten wird die Berliner Klosterkirchenruine wird sie oder ihn schon noch beschäftigen, kündigt der Förderverein an, fest entschlossen, sich mit Hinweisen auf »finanziell bessere Zeiten« nicht abspeisen zu lassen. Es könnte sonst sein, daß dann, sollten sie je kommen, von der Ruine nichts mehr steht. | ||
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Ausstellungen und Theater
Das Kulturamt Mitte und der Förderverein planen für 1999 neben Theater- und Kinoveranstaltungen auch verschiedene Ausstellungen. Als erstes ist »geistlich textil« eine Textilinstallation der Ulmer Künstlerin Gabriele Nasfeter im Rahmen des Projekts der Evangelischen Kirche zur Jahrtausend- | wende zu sehen. Bis zum 30. Juni stellt der Italiener Francesco Chiais die begrünte Bodenskulptur »Dionysos« aus, die das ganze Mittelschiff bedeckt. Vom 5. Juli bis 31. Oktober zeigt der schwedische Fotograf Neil Goldstein schwarze Labradorsteine aus einem schwedischen Steinbruch, die für Hitlers »Soldatenhalle« bestimmt waren. Diese »Totensteine« kamen in der von Albert | ||
Ruine des Franziskanerklosters | |||
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Speer konzipierten »Welthauptstadt Germania« allerdings nie an. »Unsere Veranstaltungen sind wichtige Zugpferde, um die Kirchenruine ständig im Gespräch zu halten«, sagt Manfred Strehlau, überzeugt, daß ständiges Erinnern das Leben des hochgefährdeten Baudenkmals verlängern wird.
Aus der Chronik Vor 1249 Gründung des Berliner Konvents des Franziskaner-Ordens.
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Otto von Bismarck und Erich Rathenau. (Bücher und Schriften des Gymnasiums zum Grauen Kloster werden in der Berliner Ratsbibliothek, Epitaphien, Gemälde und Ausstattungsstücke der Kirche im Märkischen Museum und in der Marienkirche ausgestellt.)
1583 bis 1584 Restaurierung der Kirche durch den Arzt und Alchimisten Leonhard Thurneisser, der im Kloster wohnte und experimentierte. 2. Hälfte des 17. Jh. Abbruch der Chorkapelle und des Treppenturms, Neubau der Treppe an der Westseite. 1712 Abbruch des Lettners im Mittelschiff. 1813 Wiederherstellungs- und Umbaupläne von Karl Friedrich Schinkel. 1826 Abbruch des Giebelturms. 18421845 Wiederherstellung der Kirche durch Oberbauinspektor Berger, Absenkung des Fußbodens auf das ursprüngliche Niveau, Errichtung der Sakristei an der Nordseite des Chores, Errichtung von zwei seitlichen Türmen und einem Mittelturm über dem Westgiebel sowie eines Arkadenganges vor dem Portal. Ab 1926 Bei der Sanierung der Klosterkirche werden Zutaten des 19. Jahrhunderts abgetragen und der Zustand von vor 1842 wiederhergestellt. 1945 Schwere Zerstörungen durch Bombentreffer. 1951 Enttrümmerung. 19591961 Umfangreiche Sicherung der Kirchenruine, Beseitigung der Reste der ehemaligen Klosteranlage. | ||
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Die Klosterkirchenruine ist im Sommerhalbjahr Dienstag bis Sonntag von 12 18 Uhr, Sonnabend von 12 Uhr bis Sonnenuntergang geöffnet | |||
1987 Nutzung der zum Mahnmal erklärten Ruine für Bildhauer-Ausstellungen (bis 1990)
1992 Gründung des Fördervereins Klosterruine e. V. durch Berliner Künstler. |
Informationen über das Veranstaltungsprogramm und die Tätigkeit des Vereins bei
Manfred Strehlau, Telefon 030/6361213).
Bildquelle: Foto Autor | ||
© Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de