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Helmut Koch
Der König und sein Architekt

Vor 300 Jahren wurde Hans Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff geboren

Dem am 17. Februar 1699 auf dem Gut Kuckädel (heute Kukadlo) bei Crossen an der Oder geborenen Hans Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff war nicht an der Wiege gesungen worden, daß er einmal als »Surintendant aller Kgl. Schlösser, Häuser und Gärten wie auch Directeur en chef aller immediaten Bauten in denen sämtlichen Provinzen« und Geheimer Finanz-, Kriegs- und Domänenrat enger Mitarbeiter eines preußischen Königs werden würde.
     Eigentlich war dem Abkömmling einer aus Schlesien stammenden Gutsbesitzerfamilie die übliche militärische Laufbahn vorbestimmt. Schon als junger Mann nahm er am Feldzug gegen König Karl XII. von Schweden und an der Belagerung von Stralsund (1715) teil. Bereits 1729 nahm er aus »Gesundheitsgründen« im Range eines Hauptmanns den Abschied, um sich ganz seinen künstlerischen Neigungen hinzugeben. In dieser Zeit machte er Bekanntschaft mit dem Kronprinzen Friedrich (1712–1786, König ab 1740), der gerade Fluchtgedanken

hegte, um der despotischen Herrschaft seines Vater, des Soldatenkönigs Friedrich Wilhelm I. (1688–1740, König ab 1713), zu entkommen.
     Es entspann sich eine enge Freundschaft und Arbeitsbeziehung mit dem 13 Jahre jüngeren Thronfolger, der Knobelsdorffs künstlerischen Talente förderte und ihn in den dreißiger Jahren zu Studienzwecken nach Sachsen, Frankreich, Italien und Holland schickte. Zu Hause nahm Knobelsdorff, der sich zum Maler berufen fühlte, bei den Hofmalern Pesne und Weidemann Unterricht, später wurden auch die Architekten Kemmeter und Wangenheim zu seinen Lehrern. Ein Zeitgenosse, Baron von Bielfeld, schilderte den ehemaligen Offizier als »einen Mann von einem etwas unzugänglichen und rauhen Wesen, aber von außerordentlichem Verdienste«, dessen äußere Erscheinung »nichts Entgegenkommendes und Geziertes hat«.

Pläne für das monumentale Forum Fridericianum in Berlin

Nachdem sich in den frühen dreißiger Jahren des 18. Jahrhunderts Friedrichs Situation gegenüber seinem Vater gebessert hatte, konnte er sich erst in Neuruppin und dann in Rheinsberg einen kleinen, aber feinen Hofstaat einrichten, an dem Knobelsdorff zum künstlerischen Berater avancierte und auch als Architekt seine ersten Sporen ver-

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Das Opernhaus zwischen 1743 und 1747, Radierung von J. G. Funke
diente. Wenige Jahre vor dem Thronwechsel 1740 begann unter Knobelsdorffs Leitung der Umbau des Rheinsberger Schlosses und die Neugestaltung des Schloßparks, 1740 zeichnete er auch Pläne zum Wiederaufbau der abgebrannten Stadt Rheinsberg.
     Noch vor Friedrichs Thronbesteigung entwickelten der Kronprinz und sein Bauintendant (als Nachfolger von Kemmeter)
Ideen für das monumentale Forum Fridericianum in Berlin mit neuem Residenzschloß (aus dem das Prinz-Heinrich- Palais, die heutige Humboldt- Universität, wurde), Akademie der Künste, Oper und Bibliothek.
     Als nach dem Tod des Soldatenkönigs im Militärstaat Preußen wieder die Musen zu ihrem Recht kamen, entwarf Knobelsdorff zunächst die Trauerdekoration für den in
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der Potsdamer Garnisonkirche bestatteten Monarchen, um dann sogleich mit dem Umbau der königlichen Schlösser und Gärten Monbijou (als Witwensitz der Königinmutter), Charlottenburg und Potsdam zu beginnen. Er schuf goldstrotzende Festsäle und königliche Appartements im Stil des Rokoko und fügte dem Charlottenburger Schloß den Neuen Flügel und dem Potsdamer Stadtschloß den Marstall an. Der auch mit Aufgaben des Städtebaus in Berlin und Potsdam beschäftigte »Surintendant« (Oberintendant) baute sich in der Berliner Kronenstraße ein eigenes Haus auf einem Grundstück, das ihm der König geschenkt hatte.
     Seinen ersten repräsentativen Bau in Berlin errichtete Knobelsdorff von 1740 bis 1743, die Königliche Oper als erster Bau am künftigen Forum Fridericianum, die er kurzzeitig auch als Intendant leitete. Solange das Opern- und Redoutenhaus noch nicht fertig war, begnügten sich der König und sein Hofstaat mit einer Interimsbühne, die Knobelsdorff im Alabastersaal des Berliner Schlosses eingerichtet hatte. Im Berliner und Potsdamer Stadtschloß (das er ab 1744 umbaute und auch mit einer kleinen Bühne versah) stattete der 1742 zum Ehrenmitglied der Akademie der Künste und der Wissenschaften ernannte Knobelsdorff nach »neuestem Geschmack« Wohnungen für den jungen König aus, der schon damals wegen seiner Kriegszüge oft außer Landes war.
»Er ... ist faul, wie ein Artilleriepferd«

Doch auf dem Höhepunkt seiner Karriere ereilte den vielbeschäftigten Knobelsdorff, der ständig plante und zeichnete, aber anderen die praktische Ausführung überließ, königliche Ungnade. »Er executiret nichts, wie Ich es haben will, und ist faul wie ein Artilleriepferd«, warf der erboste König seinem Mitarbeiter 1742 vor. Bei dem wohl populärsten Bauwerk Friedrichs des Großen, dem ab 1744 errichteten Schloß Sanssouci, kam es zu einem Zerwürfnis mit dem Bauherren, der sich nicht nur als großer Feldherr fühlte, sondern selbstverständlich im Bauwesen durchsetzte, was er für gut und schön hielt. Während Knobelsdorff einen unterkellerten Bau mit Untergeschoß am Rande der Weinberg- Plattform plante, beharrte Friedrich II. auf einer um etliche Meter zurückgesetzten, intimen Anlage mit nur einer Etage und überkuppeltem Mittelteil. 36 paarig angeordnete Weingötter, die als Karyatiden von geradezu Rubensscher Körperlichkeit das Dachgebälk tragen, schmücken die Fassade des Sommerschlosses, das, ungewöhnlich für einen barocken Fürstensitz, kein Wappen als »Türschild« trägt sondern mit der Inschrift »SANS, SOUCI« seine Bestimmung als privaten Rückzugsort »ohne Sorge« verrät.
     Selbstverständlich setzte sich der ständig

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zur Eile drängende König gegenüber seinem Oberarchitekten durch, dessen Mitwirkung am Sommerschloß durch Skizzen belegt ist. Als Schloß Sanssouci am 1. Mai 1747 eingeweiht wurde, war Knobelsdorff von seinen Ämtern suspendiert. Offiziell wurden gesundheitliche Probleme (die es auch wirklich gab) angegeben. Der König und sein Architekt gingen auf Distanz, einen immer wieder unterstellten absoluten Bruch hat es aber nicht gegeben, sonst wäre der 1748 zum Minister im Generaldirektorium erhobene Freiherr nicht weiter mit Bauten und Planungen für den König beschäftigt worden.
     In seinen letzten, von Krankheit überschatteten Lebensjahren mußte Knobelsdorff zusehen, wie andere Architekten seine Pläne »nach Angaben des Königs« modifizierten und ausführten. Versuche des Monarchen, Knobelsdorff an seine Potsdamer Tafelrunde zu holen, scheiterten an der Halsstarrigkeit dessen, der sich über nicht abgestimmte Änderungen seiner Dispositionen und Zeichnungen durch den König und seine Baubeamten ärgerte. Im Park von Sanssouci wurde Knobelsdorff dennoch für den Bau der Orangerie, Vorläufer der Neuen Kammern, das Obeliskportal, die Neptungrotte und andere Bauten herangezogen, und auch in der Stadt Potsdam blieb er tätig. Noch heute kann man das Knobelsdorffhaus am Alten Markt, die Französische Kirche und manch anderes
Bauwerk bewundern, das nach seinen Zeichnungen errichtet wurde.
     Viele Bauten in Potsdam und Berlin gingen durch Bomben und Abrisse nach dem Zweiten Weltkrieg verloren. Allen voran sind das Berliner und das Potsdamer Stadtschloß zu nennen. Der zu letzterem gehörende Marstall ist heute Filmmuseum. In Berlin stehen – vielfach verändert und im Inneren vereinfacht – die Staatsoper, die Hedwigskathedrale, das Prinz-Heinrich- Palais (Humboldt- Universität), das Magnushaus am Kupfergraben, das Schloß Charlottenburg und andere wiedergewonnene Bauten, während Schloß und Park in Rheinsberg im Original erhalten sind, ergänzt durch Veränderungen, die unter dem Prinzen Heinrich von Preußen vorgenommen wurden.

Heirat mit einem Mädchen bürgerlichen Standes

Daß Knobelsdorff kein Mann der Konvention war, zeigt die Heirat mit einem Mädchen bürgerlichen Standes, mit der Tochter des Kastellans von Charlottenburg, die der notorische Junggeselle 1746 bei der Wiederherstellung von brandgeschädigten Räumen kennengelernt hatte. Die Hofgesellschaft fühlte sich brüskiert. Der Skandal mag neben der Abkehr des Königs zu Knobelsdorffs Isolierung beigetragen haben. Als er seine Kräfte schwinden fühlte, schrieb er dem Herrscher am 7. September

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1753 »in einer Pause meiner Schmerzen« mit dem Gefühl von Dankbarkeit »für all die Güte und all die Wohlthaten, mit welchen mich Eure Majestät während meines Lebens überhäuft haben«. Er bat den König, die aus nichtstandesgemäßer Ehe hervorgegangenen Töchter als rechtmäßige Erben zu bestätigen. Dem kam Friedrich II. nach, allerdings mit der für ihn charakteristischen Einschränkung, daß er den Adelstitel auf Knobelsdorffs Nachkommen nicht übertrug.
     Es bleibt Spekulation, was Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff noch geschaffen hätte, wäre er nicht von seinem in künstlerischen Fragen wenig toleranten König gemaßregelt worden und auch nicht viel zu früh erkrankt. Er starb am 16. September 1753 in Berlin und wurde in der Deutschen Kirche am Gendarmenmarkt bestattet. (1757 wurde nebenan Antoine Pesne zur letzten Ruhe gebettet.) Später wurde er auf den Friedhof vor dem Halleschen Tor umgebettet, das Grab ist erhalten. (Die Inschrift auf der Bronzetafel an der Linden-Oper, Bomben hätten sein Grab zerstört, ist falsch.)
     Friedrich II. ließ in der Akademie der Wissenschaften eine Gedächtnisrede verlesen, die voll des Lobes für den Verstorbenen ist, aber auch das Konfliktpotential andeutet. »Die Aufrichtigkeit und Redlichkeit von Herrn von Knobelsdorffs Charakter machte ihn allgemein geschätzt; er liebte die Wahrheit und war überzeugt, daß sie niemand
kränken könne; der gesellschaftliche Zwang war ihm lästig, und er ging allem aus dem Wege, was seine Freiheit beschränken konnte; man mußte ihn genau kennen, um sich seines Vertrauens bewußt zu werden ... Herr von Knobelsdorff war wahrheitsliebend, eine Bezeichnung, die ungewohnt, aber zutreffend ist. Er war es bis zu einem Grade, daß es ihn als Sonderling erscheinen ließ.« Eine solche Geistes- und Herzensanlage gebe einen »so starken Ton in dem Vorbild der Höfe«, schrieb der König in seiner von echter Bewunderung und Freundschaft getragenen Eloge weiter, »daß viele Leute sie für eine gänzlich verfehlte Schattierung ansehen, aber fast alle nur deshalb, weil sie nicht das moralische Heldentum besitzen, das ihre Grundlage ist ... Bei dieser Denkweise Knobelsdorffs ist es erklärlich, daß er die letzten Jahre seines Lebens in großer Einsamkeit verbrachte.«
     Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin- Brandenburg würdigt vom 18. Februar bis 25. April 1999 den Maler- Architekten in der Ausstellung »Knobelsdorffs malerischer Geschmack«. Im Weißen Saal des nunmehr 300 Jahre alten Berliner Schloßes Charlottenburg sind Porträts, Landschaften, Architekturentwürfe (bei denen Knobelsdorff vielfach mit den Wünschen des Königs kollidierte) sowie Ideenskizzen für Innendekorationen und Ornamente zu sehen.
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Berlinische Monatsschrift Heft 2/99
© Edition Luisenstadt, 1999
www.luise-berlin.de