68 Novitäten | Museum im Hamburger Bahnhof |
nalen Ausstellungen war das Preußische Ministerium der öffentlichen Arbeiten mit Exponaten präsent. Aber noch gab es
keine Möglichkeit, die Schaustücke
anschließend auch der Allgemeinheit in Deutschland
für Studienzwecke oder als Anreiz neuer Gedanken, Erfindungen und
Verbesserungen nutzbar zu machen.
Genau diesem Mangel soll das Verkehrs- und Baumuseum fortan entgegenwirken. Zu seiner Eröffnung sind zahlreiche Spitzen der Behörden erschienen. Ein geräumiges Ehrenzelt überspannt die Freitreppe an dem mit Rasenflächen geschmückten Vorplatz. Das Kaiserpaar ist im Automobil vorgefahren; der Kaiser trägt, wie die »Neue Preußische Zeitung« in ihrer Abendausgabe vom 14. Dezember schreibt, »unter dem großen grauen Mantel die Uniform der Verkehrstruppen, die Kaiserin eine rotbraune Toilette mit gleichfarbigem rundem Federhut«. In seiner Ansprache würdigt der Minister der öffentlichen Arbeiten, Paul von Breitenbach, daß mit kaiserlichem Erlaß vom 16. Februar 1905 »die Erlaubnis erteilt (wurde), die Räume dieses Gebäudes, das einst dem Verkehr zwischen der Hauptstadt des Reiches und seinem ersten Seehafen diente, zu einem Museum für das gesamte Eisenbahnwesen und für den Wasser- und Hochbau einzurichten«. Beim anschließenden Rundgang zeigt sich, daß das ehemalige Empfangsgebäude der Berlin-Hamburger Bahn - an einem universellen Brennpunkt des Verkehrs | ||||||
Hans Aschenbrenner
14. Dezember 1906: Hamburger Bahnhof - »im Zeichen des Verkehrs« In den späten Vormittagsstunden des 14. Dezember 1906 wird im 20 Jahre zuvor stillgelegten Hamburger Bahnhof in der Invalidenstraße 50/51 das »Berliner Verkehrs und Baumuseum« eröffnet. Die Idee für ein solches Museum war bereits zu einem Zeitpunkt aufgekommen, als das preußische Staatseisenbahnsystem deutlichere Konturen annahm und es immer gebotener erschien, über alle wichtigen, ein modernes Verkehrswesen ausmachenden technischen, Betriebs- und Verwaltungseinrichtungen auf dem laufenden zu bleiben. Was damals gesammelt wurde, reichte zunächst für die Begründung eines Museums nicht aus. Die Stücke verblieben daher entweder bei den Provinzialbehörden oder wurden der Technischen Hochschule in Charlottenburg übergeben und in deren Räumen als Lehrmittel benutzt. Forciert wurden die Museumspläne durch die großen Gewerbe- und Weltausstellungen. Ob sie in Chicago, Paris, Brüssel, Düsseldorf, St. Louis, Mailand oder an anderen Orten stattfanden - auf allen internatio | ||||||
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gelegen, in Nachbarschaft mit leistungsstarker Lokomotiv- und Waggonfabrikation (Chausseestraße, »Feuerland«!) - als Heimstatt für das neue Museum denkbar gut geeignet ist. Der Hamburger Bahnhof wurde 1846/47 nach Plänen des Baumeisters und Eisenbahnpioniers Friedrich Neuhaus im spätklassizistischen Stil errichtet. Aber schon vier Jahrzehnte später erwies er sich als zu klein für den zunehmenden Personen- und Güterverkehr. Als Kopfbahnhof inzwischen auch ungünstig gelegen, wurde er am 15. Oktober 1884 geschlossen - vorausgegangen | »Hamburger« der letzte Personenzug ab,
und genau 56 Minuten später kam der letzte Zug auf dem Bahnhof an. Alsbald wurde die eiserne
Bahnsteighalle abgerissen, die Räume des dreistöckigen
Kopfgebäudes dienten als Wohnungen für Beamte bzw. als
Büros Verwaltungszwecken.
Mit der Entscheidung, im Hamburger Bahnhof ein Verkehrs- und Baumuseum zu installieren, mußte auch sein Gewand ver-ändert werden. Das Erdgeschoß des Bahnhofsgebäudes wurde vollständig umgebaut und gleichzeitig anstelle der abgerissenen | ||||||
war fünf Monate zuvor die Verstaatlichung der Berlin-Hamburger Eisenbahn-Gesellschaft. Den Eisenbahn-Verkehr hatte man zum benachbarten Lehrter Bahnhof verlagert. Über die Verbindung von Spandau nach Charlottenburg und durch den Anschluß an die seit Anfang Februar 1882 in Betrieb befindliche Stadtbahn (sie verband den Schlesischen Bahnhof mit dem Bahnhof Westend) konnten die Schnell- und Expreßzüge nunmehr direkt nach Berlin überführt werden. Am 14. Oktober, abends 11 Uhr, fuhr auf dem | |||||||
Das Verkehrs- und Baumuseum in den dreißiger Jahren | |||||||
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eine neue, dreischiffige, wiederum
eiserne, teils glasüberdachte Halle errichtet. 71
Meter lang und insgesamt 29 Meter breit, überspannte sie nun den früher von den
Bahnsteigen und Bahnsteiggleisen eingenommenen Raum zwischen den Seitenflügeln
des alten Gebäudes.
Zusammen mit der ihr vorgelagerten Eingangshalle ist so ein architektonisch überaus wirksamer Innenraum entstanden. Die Südgiebelseite ist mit einem Wandgemälde von der Hand des Malers Hans Koberstein geschmückt, dessen allegorische Darstellungen und charakteristische Gruppen auf Inhalt und Bestimmung des Museums hinweisen. Seitlich der Eingangshalle befindet sich eine Kleiderablage. Auf der Südwestecke des Gebäudes sind einige Verwaltungsräume eingerichtet. Alle übrigen Räumlichkeiten dienen Ausstellungszwecken. Außerhalb der großen Halle, mit ihr durch einen gedeckten Gang verbunden, hat ein Eisenbahnstellwerkshaus nebst zugehörigen Weichen und Signalanlagen Platz gefunden. Grundstock der Sammlungen sind die Schaustücke der Welt- und Gewerbeausstellungen. Aber auch in den Eisenbahnwerkstätten von Lehrlingen angefertigte Modelle, wertvolle Zuwendungen aus der Industrie, Stiftungen von Freunden des Museums kommen alsbald hinzu. Eine kleine Festschrift informiert über den Aufbau des Museums mit den drei Hauptteilen: der Eisenbahn-, einer Wasserbau- und einer Hoch | bauabteilung (ausschließlich
Eisenbahnhochbau). Um den Besuchern das Gezeigte noch verständlicher zu machen, werden
die Schaustücke zum Teil »aufgeschnitten«
dargestellt. Freigelegte Kanäle sind farbig
gehalten, um die verschiedenen hindurchgeführten Stoffe zu kennzeichnen. Mittels
Preßluft, Elektrizität oder per Hand können viele
Modelle von Lokomotiven, Bremsen, Geschwindigkeitsmessern, Sicherheitsanlagen usw.
in Betrieb gesetzt werden; angezeigt ist, wo die Besucher dies tun dürfen. Bestaunt
werden können auch Originalfahrzeuge und
Gerätschaften aus der Pionierzeit der
Eisenbahn. Angestellte des Museums führen zu
bestimmten Zeiten besonders interessante Ausstellungsstücke vor. Einzelne
Gegenstände sind mit kurzen Beschreibungen
versehen, statistisches Material ist auf farbigen
graphischen Tafeln aufgearbeitet. Es gibt auch Modelle von Brücken, Schleusen und
Kanalbauten. Und, unter Glaskästen verschlossen,
ist eine sehr wertvolle Sammlung von Urkunden aus der Zeit der ersten Berliner
Eisenbahngesellschaften zu sehen, u. a. Konzessionsurkunden für die
Berlin-Hamburger und die Berlin-Stettiner Eisenbahn mit
den eigenhändigen Unterschriften der die
Oberhoheit ausübenden Monarchen. In einem
Lesezimmer kann neuzeitliche oder auch seltene bzw. anderenorts nicht vorhandene
Fachliteratur älteren Datums eingesehen werden.
Von der Öffentlichkeit wird überaus positiv aufgenommen, daß der Hamburger | |||||
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 12/1996
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