184 Geschichte und Geschichten | Wiederhergestellter Lustgarten |
Helmut Caspar
Wieder ein Ort lustvollen Verweilens Der für sieben Millionen Mark umgestaltete Lustgarten erinnert an das 19. Jahrhundert Zwischen Schinkels edler Museumsfassade und dem Schloßplatz erstreckt sich der Lustgarten. Nach der Umgestaltung in den letzten Jahren ist er wieder ein Ort lustvollen Verweilens, eingefasst mit jungen Bäumen, bedeckt mit Rasen und Blumen. Dazwischen Parkbänke und das Glitzern einer Fontäne, die mitten in einem Rondell in Anlehnung an einen schon im 19. Jahrhundert vorhandenen Springbrunnen neu geschaffen wurde. Bau- und Umweltsenator Peter Strieder, verantwortlich auch für den Denkmalschutz in der Stadt, zeigte sich 1998 zufrieden über die Wiedergewinnung des Lustgartens, den wir jahrzehntelang nur als eine noch aus der Nazizeit stammende öde, mit schwarzen Steinen bepflasterte Steinwüste kannten, die man so schnell als möglich hinter sich lassen wollte. Der Platz sei nun wieder ein attraktiver Anziehungspunkt in der historischen Mitte der Stadt, ein weiterer Baustein für die Wiedergewinnung öffentlicher Räume. Auch die Berliner Gartendenkmalpfleger waren mit dem neuen Grün auf dem alten Lustgarten zufrieden. |
Zwar hätte man sich die Rekonstruktion der Fassung aus dem späten 19. Jahrhundert gewünscht, mit der Neugestaltung aber könne man auch leben.
Neugestaltung nach Plänen von Hans Loidl Nach zweijähriger Rekonstruktionsarbeit und mit einem Kostenaufwand von sieben Millionen DM ging mit der Neugestaltung des Lustgartens nach Plänen des Gartenarchitekten Hans Loidl eine erhebliche Aufwertung der Museumsinsel einher, lobten die Medien vor drei Jahren, als sich die neue Gestalt des Platzes vor Altem Museum und Dom langsam abzeichnete. Freundlich wurden das mit hellen Steinen bedeckte Wegesystem, die Einfassungen durch Bäume und Pflanzenkübel, der Brunnen in der Mitte kommentiert, und es wurde die angenehme Sicht von den Stufen des Alten Museums hinüber auf den Schlossplatz gelobt, zugleich aber auch gefordert, jetzt nicht inne zu halten, sondern zügig auch die Neugestaltung des Schlossplatzes, möglicherweise auch den Wiederaufbau des Schlosses selbst voran zu bringen.
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Eine der Würde des Ortes angemessene Neubepflanzung hat der seit dem 17. Jahrhundert immer wieder veränderte Lustgarten im Jahr 1998 erhalten | ||
Bei der Begründung verwies die Jury, die aus 93 eingereichten Vorschlägen auszuwählen hatte, auf die Integration moderner Stilmittel in die historische Umgebung der Museumsinsel und die hohe Nutzerfreundlichkeit des neu geschaffenen Lustgartens. Die Auszeichnung gab den Gartendenkmalpflegern Recht, die stets für die »einzig mögliche und angemessene« |
Umgestaltung in der Tradition des 19. Jahrhunderts plädiert hatten.
Mit der Entscheidung für die Wiederbelebung der Historie waren jene in den frühen 1990er Jahren kontrovers diskutierten Pläne vom Tisch, den Lustgarten in ein mit Baumkübeln bepflastertes Labyrinth zu verwandeln, das den Blick auf Schinkels Altes Museum versperrt hätte. |
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Nicht ausgeführt wurden auch geradezu abenteuerliche Pläne, den Lustgarten zur stark befahrenen Straße am Schloßplatz durch langgestreckte Betonbauten abzusperren. Die veröffentlichten Entwürfe riefen in der Presse und Öffentlichkeit solch heftige Reaktionen hervor, dass auf die Realisierung von Berlins »längster Bushaltestelle«, so der damalige Spott für die flachen Riegel an der Straße, verzichtet wurde.
Bäume gefällt und neu gepflanzt Bevor die eigentliche Begrünung des Lustgartens in Angriff genommen werden konnte, wurden Anfang 1998 zahlreiche Bäume gefällt, die den Lustgarten an der Spree- und Domseite eingefasst hatten. Die Aktion wurde von heftigen Protesten durch Umweltschützer begleitet, die aber nichts ausrichten konnten. Die Umweltverwaltung rechtfertigte das Kreischen der Kettensägen mit dem Argument, die Bäume seien durch Umwelteinflüsse stark geschädigt, außerdem würden neue angepflanzt, was dann in den kommenden Monaten auch geschah.
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Dass der Preußenkönig Gründer der Berliner Museen ist, geht aus der riesigen vergoldeten Inschrift an der Front des Alten Museums hervor. Der aus ineinander verschränkten Steinplatten neu gebildete Brunnen markiert die Stelle, an der das riesige Monument stand, das 1936 an den Westrand des Lustgartens versetzt worden war und im Zweiten Weltkrieg durch einen Bombentreffer zerstört wurde. Lediglich zwei allegorische Figuren vom Sockel, welche Clio, die Muse der Geschichtsschreibung, und einen Mann darstellen, der die Wissenschaft verkörpert, haben überlebt und stehen seit 1987 im Berliner Nikolaiviertel im Schatten der Nikolaikirche. Im Erdreich wurden auch Zuleitungen für einen Springbrunnen gefunden, der bei der Umgestaltung in den dreißiger Jahren zu einem Aufmarschplatz für Nazikundgebungen beseitigt worden war. Die steinernen Relikte wurden vor der Neugestaltung des Lustgartens vermessen und wieder zugeschüttet.
Am Rand des Lustgartens steht, dem Dom gegenüber, ein aus DDR-Zeiten stammender Gedenkstein mit dem Motto »Für immer in Freundschaft mit der Sowjetunion verbunden«. Der Würfel erinnert an den jüdischen Widerstandskämpfer Herbert Baum (1912-1942), nach dem in Weißensee eine auf den jüdischen Friedhof zulaufende Straße benannt ist, und seine Widerstandsgruppe. |
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In der Nacht vom 17. zum 18. Mai 1942 hatten die jungen Männer und Frauen die im Lustgarten aufgebaute Nazi-Schau »Das Sowjetparadies« in Brand zu gestecken versucht, mit der der deutsche Überfall auf die UdSSR knapp ein Jahr zuvor ideologisch gerechtfertigt und Kriegsbegeisterung angefacht werden sollte. Das Mitglied des Kommunistischen Jugendverbandes Baum wurde in der Untersuchungshaft von den Nazis ermordet, 26 Mitglieder seiner Widerstandsgruppe wurden 1942 und 1943 hingerichtet.
Vor einiger Zeit war der Steinwürfel ins Gerede gekommen, es wurde sogar im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Lustgartens seine Beseitigung gefordert. Dies ist nicht geschehen, vielmehr hat das eher unauffällige Denkmal zusätzliche Tafeln bekommen, auf denen die Hintergründe der Aktion gegen die Naziausstellung erläutert und die Namen der Mitglieder der »Gruppe Baum« genannt werden. Laut Bezirksamt Mitte sei es erklärungsbedürftig, was mit »ewiger Freundschaft« mit der nicht mehr existierenden Sowjetunion gemeint ist und was die Aufschrift »Unvergessen die mutigen Taten und die Standhaftigkeit der von dem Jungkommunisten Herbert Baum geleiteten antifaschistischen Widerstandsgruppe« bedeutet. |
Da der Stein keine anstößige Inschrift oder ein verfassungsfeindliches Symbol zeigt, sei an seine Beseitigung oder Verbannung an einen unauffälligen Ort nicht gedacht worden. Auch andere Denkmäler aus DDR-Zeiten würden heute nicht mehr angetastet. Die Phase des Bildersturms, der nach der Wende das Lenindenkmal auf dem heutigen Platz der Vereinten Nationen und andere Monumente zum Opfer fielen, sei vorbei.
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Kleine Chronik eines großen Platzes
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 7/2001
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