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Hubert Olbrich
Schwarzpulver aus Berlin

Vater des abendländischen Schwarzpulvers ist ein Franziskaner. Im Kloster galt er als Schwarzkünstler, sein Umgang mit chemischen Substanzen als Magie. Der Ruf hat den Taufnamen Konstantin Anklitzen verdrängt. Die Überlieferung nennt ihn Berthold Schwarz. Die Entdeckung der Sprengwirkung bei Versuchen mit einem Pulvergemisch aus Schwefel, Salpeter und Holzkohle sei um 1259 gewesen, andere meinen 1313 oder später. Die Stadtväter von Freiburg im Breisgau haben ihrem schwarzen Berthold 1853 ein Denkmal gesetzt. Erst im 19. Jahrhundert, mit der stürmische Entwicklung der chemischen Herstellungstechnik auf der Basis von Nitroglyzerin und Schießbaumwolle, ging die Ära des Schwarzpulvers zu Ende.

Katastrophen als Lehrgeld

Umgang mit Pulver gebot Respekt. Eine lange Chronik von Explosionen bezeugt die Gefährlichkeit im Umgang mit Pulver bei der Herstellung, Handhabung, Lagerung (Magazin, Pulverturm) und beim Transport.

Alphabetisch nach dem Schadensort seien als bedeutendere Fälle erwähnt: Berlin (1720, 1735, 1740, 1752, 1760, 1772, 1802, 1805, 1831), Breslau (1750, 1757), Danzig (1815), Eisenach (1810), Greifswald (1759), Hanau (1888, 1889, 1915), Hasloch (1926), Ingolstadt (1911), Magdeburg (1818), Neisse (1692, 1815, 1818, 1824, 1828), Prag (1744), Siegburg (1915), Sömmerda (1906), Schweidnitz (1757), Spandau (1691, 1832, 1906), Straßburg (1908). Zu den sächsischen Pulvermühlen bei Bautzen und Dresden, die nach 1813 auf preußische Rechnung arbeiteten, fehlen einschlägige Angaben.
     Untypisch ist der Berliner Fall von 1760. Mitten im Siebenjährigen Krieg hatten russische Truppen unter General von Tottleben am 8. Oktober die Stadt besetzt.
     Den Befehl, die Pulvermühlen zu demolieren, hatte ein Offizier mit 25 Mann auszuführen. Das Kommando rückte ins militärische Sperrgebiet ein und »verunglückte spurlos«. Das unheimlich gewordene Areal wurde nun gemieden. Die Besatzer rückten am 13. Oktober 1760 wieder ab.
     Andere Vorfälle sind typisch, z. B. Blitzschlag und menschliches Versagen. So verursachte unvorsichtiges Hantieren am 12. August 1720 im Zentrum Berlins eine Katastrophe. Kanoniere räumten den Pulverturm an der Wallstraße gegenüber der Garnisonkirche in der Nähe des Spandauer Tors leer.
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Jahresgehalt (Taler)1717/181780/81
Pulvermacher500700
Untermeister300-
Untermeister- Knecht200-
Meisterknechte-2 à 300600
Pulverschreiber7272
Pulver und Körn- Knechte9 à 10090032 à 120 3 840
Pferdeknechte4 à 7028014 à 841 176
Kriegsrath Dorguth-400
insgesamt2 2526 788
Es geschah um 10.15 Uhr, als eine eisenbeschlagene Pulverkiste zu hart aufgesetzt wurde. Beim Auffliegen spaltete der Turm in fünf Stücke. Kirche und Garnisonschule stürzten ein. Den Tod fanden zwölf Artilleristen und 72 Zivilpersonen, darunter 35 Kinder; mehr als 40 Menschen wurden verletzt. Alle Fensterscheiben des Schlosses auf der dem Pulverturm zugewandten Seite wurden eingedrückt.1) In Spandau flog 1832 ein Pulverturm auf.

Die Pulvermühle

Explosionen in dieser Mühle ereigneten sich 1735, 1752 und 1802 im Körnerhaus, 1760 und 1772 im Trockenhaus. Ereignisse des Grauens: Tote, Verletzte und beträchtlicher Sachschaden. 1716 war auf königlichen Befehl im heutigem Gebäude um die Heidestraße (Moabit) eine Pulvermühle errichtet worden.

Die Anlage blieb im 18. Jahrhundert die einzige Pulvermühle Preußens, errichtet mit Technik aus Holland. Zur Erstausstattung mit drei Mahlgängen wurden Steine aus schwarzem Marmor importiert: für 500 Taler der 110 Zentner schwere Lagerstein und für 700 Taler die beiden Läufersteine; sie wogen jeweils 100 Zentner. 1728 kam ein Mahlgang hinzu und jeweils zwei weitere 1742 und 1745, so daß im Siebenjährigen Krieg insgesamt acht Roßmühlen vorhanden waren, wie man die pferdebewegten Rollwerke (Satz-, Walzenmühlen) nannte. Die mit der Zahl der Mahlgänge wachsende Jahresproduktion, die 1722 mit 1 700 Zentnern begann, konnte, rund um die Uhr, jetzt bis 4 000 Zentner betragen. Mit der Kapazitätserweiterung um acht Mahlgänge im Jahre 1765 war die endgültige Ausstattung erreicht. Ein Beleg von 1822 bestätigt die 16 Roßmühlen.
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Das leitende Personal stammte aus Holland, beginnend 1719 mit Nicolaus Brauer und seinem Schwager van Zée (zunächst Gehilfe, dann Nachfolger), beide 1729 belobigend ernannt zum Königlichen Kommissar. Dem 82- jährigen van Zée gewährte der König 1778 den erbetenen Abschied. Der Status als Pulverdirektor blieb in der Familie: Es folgte Nikolaus van Zée (Neffe), der 1809 noch erwähnt wird. Zusammen mit dem Pulverdirektor Fitzow hielt er 50 Zentner Salpeter vor der französischen Besatzungsmacht verborgen.
     Über die Personalausstattung der Berliner Pulvermühle geben überlieferte Gehaltsangaben Auskunft.2) Nicht erwähnt sind die Kosten für das Militär, dem die Bewachung des von einem Bretterzaun umgebenen Sperrgebietes oblag sowie die Zugangskontrolle an dem vom Artilleriekorps besetzten Wachthaus.
     Ausgaben für »Lichte, Besen und Brandsalbe« (42 Taler, 18 Groschen) ist zu entnehmen, dass Brandverletzungen im Betrieb häufiger vorkamen. Ungewöhnlich für zeitgenössische Verhältnisse war die Arbeits und Gesundheitsfürsorge. Pulverarbeiter wohnten mietfrei oder erhielten Mietzuschüsse. Die ärztliche Behandlung für Werkmeister, Pulverarbeiter und deren Familien war kostenfrei, die Versorgung mit Medikamenten unentgeltlich.
»Civilbeamte« hatten als Miete für Dienstwohnungen lediglich 5 Prozent ihrer Dienstbezüge zu zahlen.
     Eine Aufstellung von 1786 vermittelt einen Eindruck vom Areal der Pulvermühle. Dem Wachhaus benachbart befanden sich die »Kohlenbrennarey, und drey Holzschuppen nebst Kohlenhaus, wo die Kohlen zum Pulver gebrannt werden«. Die 16 Roßmühlen waren in acht Gebäuden untergebracht. Vorhanden waren zwei KörnHäuser und zwei Trockenhäuser, das Salpeter Läuterungshaus, ferner »1 Wohnhaus für die Vorgesetzten, und viele andere Gebäude, deren Zahl, klein und groß, an 30 beträgt«.3)
     Berlin war im Wachstum. Für die Besiedelung wurde die Pulvermühle zunehmend zum Risikofaktor. Seit dem Einmarsch in Berlin am 26. Oktober 1806 beherrschte napoleonisches Militär die Szene. Der Feindkontrolle wegen war an Standortverlagerungen für die Pulvermühle nicht zu denken. Napoleon hatte immer Pulverbedarf. Dennoch stand in den Jahren bis zum Sturz des Korsen (1814) die Pulvermühle wiederholt monatelang still. Entscheidender Grund war der Rohstoffmangel: Schwefel, vor allem Salpeter. Nach Aufhebung der Kontinentalsperre trafen Importe aus England ein. Die für die preußische Armee aufgenommene Fabrikation erzeugte im März 1814 bereits 239, im April 328 Zentner Schwarzpulver.
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Diese Entwicklung war bis zur Vertreibung der Besatzer nicht vorhersehbar. Im Vorfeld der Befreiungskämpfe bahnte sich ab 1810/12 als zunächst heimliche Neugründung die Errichtung einer Pulverfabrik in Neisse an.4) Oberschlesien galt geographisch als Abseits. Die Franzosen hatten die Festung am 15. November 1808 geräumt. Aus Neisse bezog die preußische Wehrwirtschaft von 1815 bis 1876 Schießpulver bester Qualität. Von dort kam auch mancher Impuls für erprobte Verbesserungen, die bald in Spandau, später auch in Hanau Berücksichtigung fanden.5)
     Die Produktionskapazität der Berliner Pulvermühle, die 1822 über 16 Satzmühlen verfügte, konnte den Bedarf im angebrochenen 19. Jahrhundert längst nicht mehr decken. Sie arbeitete bis 1839. Modernisierung und Erweiterung brachte ihre Verlegung in den Jahren 1835 bis 1843. Der neue Standort war am Havelufer in Spandau, unweit von Zitadelle und Pulverturm. Westlicher Nachbar war dort die seit 1722 bestehende, von David Splitgerber (1683-1764) gegründete Gewehrfabrik. Auf dem Areal befindet sich heute die Motorrad- Fabrik von BMW.
Quellen:
1 Wolfgang Seel, Preußischdeutsche Pulvergeschichte. Privatdruck 1993, S. 8
2 Wolfgang Seel, a. a. O., Seite 5
3 Wolfgang Seel, a. a. O. S. 6
4 Hubert Olbrich, Preußens zweite Pulvermühle stand in Neisse, »Neisser Heimatblatt« 218/1996, S. 15 und 27; 220/1997, S. 3 und 12
5 Hubert Olbrich, Gründung der schlesischen Pulverfabrik, in: Schlesien in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter Berücksichtigung der Bedeutung für Franz Carl Achard, Düsseldorf 1998
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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 2/2001
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