101   Probleme/Projekte/Prozesse Luftangriff 3. Februar 1945  Nächstes Blatt
Laurenz Demps
Der Luftangriff vom 3. Februar 1945

Ein Detail zu den Folgen für das Zentrum

Am 3. Februar 1945, der Himmel über Berlin war klar, löste das Luftschutzkommando der Reichshauptstadt Berlin um 10.27 Uhr öffentliche Luftwarnung für das Stadtgebiet aus. Um 10.39 Uhr folgte das Signal Fliegeralarm. Die 1. und 3. Luftdivision der 8. US Air Force griffen mit 958 Bombenflugzeugen Berlin an. Die ersten Flugzeuge erreichten ihr Zielgebiet um 11.01 Uhr und die letzten verließen den Raum Berlin um 11.51 Uhr. Von den 958 gestarteten Flugzeugen hatten Berlin 939 Flugzeuge erreicht, die insgesamt 1 854,5 Tonnen Sprengbomben und 225,8 Tonnen Brandbomben abwarfen.
     Zwar war das nicht der größte Angriff auf die Stadt, der erfolgte am 26. Februar, aber die Ereignisse dieses Luftangriffs haben sich tief in das Bewusstsein der damals noch in Berlin wohnenden Bevölkerung, insbesondere bei den Kindern, eingegraben. Ganze Stadtviertel verschwanden in der Innenstadt, Brände loderten, ein Ausweichen aus dem betroffenen Gebiet war nur schwer möglich.


Ein B-17 Bomber mit Kondensstreifen über dem brennenden Berlin

Die 240. Folge der »Berichte über die Luftangriffe auf die Reichshauptstadt Berlin«, verfasst am 8. Februar, hielt über den Bezirk Mitte fest: »Fast in seiner gesamten Ausdehnung schwer getroffen. Die durch besonders dichte Bombenteppiche betroffenen Gebiete erstrecken sich von der Südwest- Ecke des Bezirks (Gegend Potsdamer Platz - Leipziger Straße - Herrmann-Göring- Str.) in breiter Fläche nach Nordosten über die Gegend Bahnhof Alexanderplatz hinweg mit Ausläufern nach Nordwesten (Gegend Stettiner Bahnhof) und Südosten (Gegend Köpenicker Str., Melchiorstr.).«
     Auch die angrenzenden Bezirke wurden schwer getroffen, dieser Angriff galt insbesondere dem zentralen Bereich der Stadt.

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In der Schlussphase des Krieges, in der das Ende berechenbar wurde, traf dieser Angriff die Stadt besonders hart. Dokumente aus dieser Zeit über die Folgen für die Stadt sind rar. Einerseits wurde wenig festgehalten, andererseits haben Kriegsende und Nachkrieg wenig Raum für den Erhalt von Dokumenten gegeben. Trotzdem tauchen aber an dieser oder jener Stelle Bruchstücke von Dokumenten auf, die einen kleinen Einblick in die Folgen dieses Luftangriffes ermöglichen.
     Zwei Einzelheiten: Am wichtigsten für die Stadtverwaltung nach dem Luftangriff war die Herstellung der Benutzbarkeit der Verkehrswege. Dazu wurden die städtischen Behörden sowohl von der Wehrmacht gedrängt, aber auch für die Funktion der Stadt war es wichtig. Erstmals wurden Nebenstraßen für den öffentlichen Verkehr gesperrt. Einerseits weil es keine Arbeitskräfte zur Räumung gab, andererseits aber auch, weil die Beschädigung des Pflasters nicht mehr zu beheben war. Die Spitzen der Behörden drängten mit aller Energie darauf, dass die wichtigsten Straßen für die Transporte der Wehrmacht wieder hergerichtet wurden. Es handelte sich in diesem Gebiet um Hauptverkehrsstraßen wie die Friedrichstraße, die Leipziger Straße, Oranienstraße, Wilhelmstraße, um nur einige zu nennen.
     Die Baugruppe Langer, Abt. Bunker- und Stollenbau, des Generalbauinspektors für die Reichshauptstadt erhielt die Weisung, die Verkehrswege freizumachen.
Dazu setzte sie u. a. Schneepflüge ein. Ein Mangel waren Arbeitskräfte. Am 5. Februar kam es zu einer Besprechung über den Einsatz von KZ- Häftlingen aus dem Lager Wendenschloß und dem Lager Lichtenrade. Am 6. Februar schrieb deshalb die Baugruppe Langer:
     »An das KZ-Lager Köpenick, Berlin- Köpenick, Wendenschloßstr. z. Hd. v. Herrn Untersturmführer Wußmann. Ich beziehe mich auf die gestern geführte Besprechung und teile mit, daß beabsichtigt ist, die KZ- Häftlinge der Lager Wendenschloß und Lichtenrade zur Freilegung von Straßenzügen in der Reichshauptstadt auf Weisung des Generalkommandos für kurze Zeit einzusetzen. Ich nehme an, daß Ihrerseits hiergegen keine Einwändungen bestehen und habe inzwischen veranlaßt, daß die BVG. am Mittwoch, d. 7. Februar, morgens um 7.30 Uhr folgende Straßenbahnzüge stellt:
1. vor dem Lager Wendenschloß 1 Zug mit 3 Waggons für rd. 200 Häftlinge und Wachmannschaft
2. vor dem Lager in Lichtenrade 2 Züge mit je Waggons für rd. 400 Häftlinge mit Wachmannschaft.
     Ich habe weiter veranlaßt, daß die Häftlinge unter Führung der Baufirma, bei denen sie bisher eingesetzt waren, die Straßenräumungsarbeiten durchführen.
gez. Stewien.«
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Die Straßenbahnzüge fuhren ins Zentrum, in die Gegend der Friedrichstraße. Alltag in Berlin. Man kann nur hoffen, dass wenigstens die Straßenbahnfahrer gemerkt haben, um welche Transporte es sich hier gehandelt hat.
     Genaueres über den Einsatz vermelden die Dokumente nicht, aber es ist anzunehmen, dass die Aufgabe der KZ- Häftlinge in der Freimachung der Friedrichstraße bestand. Am 14. Februar wurde diese Straße als wieder benutzbar von der Hedemannstraße zum Belle- Alliance- Platz (heute Mehringplatz) gemeldet.
     Der Angriff vom 3. Februar führte zusammen mit dem Angriff vom 26. Februar im Raum des Spittelmarktes zur fast völligen Zerstörung der Häuser. Am 26. Februar erreichten 1 184 amerikanische Flugzeuge Berlin und warfen 1 628, 7 Tonnen Sprengbomben und 1 258 Tonnen Brandbomben. Der Schwerpunkt dieses Angriffs lag zwar auf den Bezirken Friedrichshain und Lichtenberg, aber das Zentrum wurde insbesondere mit Brandbomben angegriffen. Die 250. Folge der »Berichte über die Luftangriffe auf die Reichshauptstadt Berlin« hielt in knappen Worten über den Bezirk Mitte fest:
     »Bezirk schwer getroffen. Im Süden liegt ein mit zahlreichen Brand- und Sprengbomben belegtes Schadensgebiet in der Gegend der Französischen Straße, Friedrichstraße, Jerusalemer Straße.«

Anhalter Bahnhof (Askanischer Platz) am 3. Februar 1945

Maßnahmen eines halbwegs geordneten Aufräumens der Nebenstraßen wurden aufgegeben, man beseitigte nur noch den Schutt in den Hauptstraßen. Das Wohn- und Industriegebiet Linden-, Kommandanten-, Alte Jakob-, Neue Jakobstraße, Schulze-Delitsch- Platz, Köpenicker-, Neander-, und Gitschinerstraße wurde für den öffentlichen Verkehr gesperrt.

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Das Gebiet sollte ummauert werden, an einigen, genau gekennzeichneten Stellen sollten Durchlässe offen bleiben, die die Bewohner und die in den noch bestehenden Betrieben Arbeitenden benutzen konnten. Zu einer völligen Zumauerung kam es nicht, aber die Straßen wurden mit Mauern versehen. Diese Sperren wurden weiß gekalkt und erhielten die Aufschrift: »Straße gesperrt, Betreten verboten, Lebensgefahr!«.
     Die Durchlässe mussten von Polizeiposten bewacht werden. Als Begründung, die auch die Presse erhielt, wurde angegeben, dass man die »a) Wiedereinrichtung notdürftiger Quartiere in Ruinen, Kellern usw. seitens der Bevölkerung,« verhindern wolle und »b) zur Abwehr von Unterschlupf suchenden kriminellen Elementen« besondere Maßnahmen eingeleitet hatte.
     Die Begründung war mehr als fadenscheinig. Tatsächlich, und das wird aus anderen Dokumenten deutlich, befürchteten die NS- Größen, dass sich die Bevölkerung ihrer Kontrolle entziehen könnte. Es bestand auch die realistische Möglichkeit, dass die Zwangs- und Fremdarbeiter, von denen über 300 000 in der Stadt leben und arbeiten mussten, nach einer Flucht in der großflächigen Ruinenlandschaft Unterschlupf finden konnten. Straßenbahnen durften das Gebiet nur ohne Halt durchfahren, Arbeiter durften es nur zur Reparatur von Versorgungsleitungen betreten. Kleinere Betriebe erhielten die Auflage, sich einen anderen Standort zu suchen, das Druckmittel war das Abschalten des Stroms.
Es ist ein Detail, das aber schlaglichtartig den Zustand eines Teilstücks der Stadt beschreibt. Das Zentrum wurde nach und nach von Bomben zerstört, die Stadt zermahlen und in Stücke zerlegt. Aber, und auch darauf verweist der Vorgang, es war die oberirdische Substanz, die betroffen und zerstört wurde. Die Versorgungs- und Entsorgungsleitungen konnten von dem Bomben im Straßenland kaum zerstört, höchstens an sensiblen Stellen - wie Brükken - unterbrochen werden. Der technische Organismus Stadt wurde beeinträchtigt, die Wohn- und Arbeitsräume zerstört, die Stadt selbst überlebte, wenn auch unter großen Schrecken und unermesslichem Leid für den Einzelnen.

Bildquelle: Archiv LBV

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 9/2000
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