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baugeschichtlichen Wertes. An den Standort der Garnisonkirche erinnert nur noch das einst direkt neben ihr gelegene Gebäude Burgstraße 21, das ehemalige »Garnison-Pfarramt«, wie die Inschrift auf dem hölzernen Querbalken über der Tür und die bronzene Gedenktafel an den Hof- und Garnisonprediger Erich Frommel, der hier von 1870 bis zu seinem Tode 1896 wohnte, verraten.
     Eine ständige Garnison legte erst Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst (1620–1688, Kurfürst ab 1640), im Jahre 1657 in die Residenzstadt Berlin-Cölln, die er nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges (1618–1648) durch den Festungsingenieur und Hofbaumeister Johann Gregor Memhardt (1607–1678) zur Festung niederländischer Manier auszubauen plante. Ein eigenes Militärkirchenwesen mit einem Garnisonprediger hatte der Kurfürst bereits 1655 ins Leben gerufen. Von 1655 bis 1701 war die Gemeinde dem nahe gelegenen Heiliggeisthospital an der Spandauer Straße angegliedert. Die Amtshandlungen fanden in der zugehörigen, noch heute erhaltenen gotischen Backsteinkirche, die Gottesdienste auf dem von Linden beschatteten Kirchhof statt. Auf dem Hospitalfriedhof sind möglicherweise auch Soldaten und Geistliche und deren Angehörige bestattet worden.
     Gesichert ist die Beisetzung des Garnisonpredigers Christoph Nagel in einer Gruft vor dem Altar im Jahre 1699. Sein steinernes
Heinrich Lange
Adolph Menzels »alte Bekannte«

Von König Friedrich Wilhelm IV. gestifteter marmorner Altartisch entdeckt

Im Juni dieses Jahres war an der Spandauer Straße auf der Grünfläche südlich des S-Bahnhofs Hackescher Markt im Bezirk Mitte schweres Baugerät im Einsatz. Hier entstand die Trasse für die neue Straßenbahn zur Karl-Liebknecht-Straße. Doch mächtige Fundamentmauern stoppten zunächst den Bagger.
     Daß es sich nicht um die Reste eines Wohnhauses handelt, wie die Bauarbeiter vermuteten, zeigten dem kundigen Passanten die zahlreichen Ansätze von Gewölben und eine stattliche Säulentrommel aus Sandstein. Es sind die Reste der Gruft der am 23. November 1943 durch eine Bombe getroffenen und völlig ausgebrannten Alten Berliner Garnisonkirche aus dem frühen 18. Jahrhundert. Erst Anfang der 60er Jahre wurde die Ruine des ältesten und größten Sakralbaus der Garnisongemeinde in Preußen mit seiner zweieinhalb Jahrhunderte währenden wechselvollen Geschichte abgerissen – ungeachtet des auch

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Epitaph, in einem Abguß am Zugang zu Anfang des 20. Jahrhunderts in die Hochschule integrierten, nunmehrigen Kapelle (BM 7/98), war an der südlichen Innenmauer der Kirche eingemauert. Das in die Garnisonkirche gebrachte Original muß als vernichtet gelten.
     Von 1701 bis 1702 ließ König Friedrich I. (1657–1713, Kurfürst ab 1688, König ab 1701) innerhalb des Bollwerks Nr. 12 vor dem mittelalterlichen Spandauer Tor an der später – im Verlauf der unter dem Großen Kurfürsten abgerissenen Stadtmauer – angelegten Wallstraße durch den königlichen Landbaumeister Martin Grünberg (1655–1706) das erste eigene Gotteshaus der Berliner Garnisongemeinde errichten. Im militärisch geprägten Umfeld der Kirche entstanden weitere Gemeindeeinrichtungen wie Schule, Hospital, Waisenhaus, Prediger- und Predigerwitwenhaus.
     Dieser 1703 eingeweihte barocke Kirchenbau nach niederländischen Vorbildern über dem Grundriß eines griechischen Kreuzes wurde 1720 bei der unheilvollen Explosion des gegenüberliegenden, das Spandauer Tor flankierenden Pulverturms aus dem 14. Jahrhundert zu einem großen Teil zerstört. (BM 8/98) Unter den Todesopfern waren 35 Soldatenkinder der Garnisonschule, die völlig zertrümmert und deshalb im Haus des Oberst (und späteren Generalfeldmarschalls) Caspar Otto von Glasenapp (1675–1746) untergebracht wurde. Es ist das
oben genannte, alle Zeitläufte überdauernde nachmalige Pfarrhaus.
     Friedrich Wilhelm I, der Soldatenkönig (1688–1740, König ab 1713), der schon als 13jähriger Kronprinz den Grundstein zur ersten Kirche gelegt hatte, beschloß sogleich den Bau einer neuen und – nicht zuletzt wegen der inzwischen stark angewachsenen Garnisongemeinde – größeren Kirche an der gleichen Stelle. Unter Einbeziehung des angrenzenden Schulgrundstücks und eines Teils des Festungsbauhofes erhielt sie eine Länge von etwa 58 Metern und eine Breite von 31 Metern. Den 1722 von Oberbaudirektor Philipp Gerlach d. J. (1679–1748) fertiggestellten dreischiffigen Quersaalbau mit Eichenpfeilern überdeckte ein hohes Walmdach, allerdings ohne Turm und Kreuze.
     Auch die Fassaden dieses »Militärdomes« mit 4 000 Sitzplätzen – die Hälfte davon auf Emporen – waren in nüchternem Barockstil gehalten, so daß der Bau im ganzen eher an einen Marstall als an eine Kirche gemahnte. Eine Kartusche mit Krone, Fahnenbündeln und dem Monogramm des Königs unter dem Giebel in der Mitte der Front und Medaillons mit zur Sonne aufsteigendem Adler und königlichem Wahlspruch »NON SOLI CEDIT« (Er weicht der Sonne nicht) über den acht Eingangsportalen bildeten den einzigen bildnerischen Schmuck. Ganz anders verhielt es sich bei der Potsdamer Hof- und Garnisonkirche, die der Soldaten-
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Die Garnisonkirche im Jahre 1722, Kupferstich von Johann David Schleuen (um 1760)
könig später ebenfalls durch Gerlach, mit dessen Berliner Garnisonkirche er äußerst zufrieden gewesen sein soll, erbauen und mit imposanten Turmaufbauten versehen ließ. Die Garnisonkirche an der Spree konnte zudem nicht wie die an der Havel mit Sarkophagen preußischer Könige aufwarten. Was ihr aber später eine besondere Weihe gab, waren die Gruftanlagen mit den Särgen vieler Großer der preußischen Armee aus der Zeit Friedrichs des Großen (1712–1786, König ab 1740) und der Befreiungskriege, darunter 14 Feldmarschälle und 50 Generäle.
     Die Grabgewölbe, von denen jetzt für wenige Tage Reste an der ehemaligen Nordwestecke der Kirche mit dem Zugang zur Gruft zutage kamen, waren ab 1723 angelegt worden. Der nach Einschaltung der Archäologischen Denkmalpflege des Landesdenkmalamtes Berlin freigelegte Gruftteil mit Treppe erinnert an Adolph
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Menzels (1815–1905) eindrucksvolle Zeichnung der »Gruft unter der Garnison-Kirche zu Berlin« mit den aufgetürmten Särgen und dem aus dem Hintergrund über die Treppe einfallenden Lichtschein.
     Höchstwahrscheinlich ist es genau diese steile Treppe, die der berühmte Maler im Sommer 1873 – Jahrzehnte nach der endgültigen Schließung der Gewölbe um 1830 – mit dem Garnisonprediger Frommel hinabgestiegen ist, um die Generäle der friderizianischen Zeit – die Leichen waren weitgehend mumifiziert – zu porträtieren. Am bekanntesten ist seine Studie des 1758 im Siebenjährigen Krieg bei Hochkirch gefallenen Generalfeldmarschalls Jakob von Keith am geöffneten Sarg. Zuweilen soll der Künstler die einstigen Helden als »alte Bekannte« bezeichnet haben, spielten sie doch in seiner Bildwelt schon lange eine Rolle. Über neunhundert Särge lagen damals noch in den weitläufigen Gruftanlagen. Schon der erste Kirchenbau von Grünberg besaß eine Gruft, in der im Jahre 1709 erstmals ein hoher Militär, der Generalmajor Daniel von Tettau, seine letzte Ruhe fand.
     Glanzvolle Tage erlebte die Garnisonkirche beispielsweise in den Jahren 1745 und 1746, als Friedrich der Große die im zweiten schlesischen Krieg bei Hohenfriedberg und Soor bzw. Kesselsdorf erbeuteten Fahnen und Standarten in feierlichem Zuge in die weit über die Residenz hinaus
bekannte Traditionsstätte bringen ließ. In Erinnerung an die glänzenden Siege des großen Königs wurde damals die Wallstraße, an der die Kirche lag, in Neue Friedrichstraße umbenannt. Eine schwere Zeit hingegen hatte die Kirche nach der Besetzung der Stadt durch Napoleon im Jahre 1806.
     Nachdem die französischen Soldaten vergeblich nach den Trophäen gesucht hatten (der Küster hatte sie versteckt), erbrachen sie die Grabgewölbe und fledderten die Toten. Die Kirche diente als Magazin für Heu und Branntwein.
     Am 13. April 1908 vernichtete ein durch den heißgelaufenen Orgelmotor verursachter Brand die Kirche bis auf die Außenmauern und mit ihr fast alle noch erhaltenen Teile der Barockausstattung. Das Gotteshaus erstand jedoch in nur wenig mehr als einem Jahr wieder. Wie beim Brand von 1908 sind bei der Bombardierung 1943 die Grabgewölbe unversehrt geblieben. Aus diesen barg man 1949 die Särge und Gebeine von etwa 190 noch verbliebenen Toten und bettete sie auf den Südwestkirchhof in Stahnsdorf und auf den neuen Garnisonfriedhof in der Müllerstraße im Wedding um. Auf letzteren, ab 1867 belegten Friedhof war schon 1873 der Großteil der Särge aus der Gruft überführt worden. Offensichtlich erst beim Abriß der Kirchenruine im Jahre 1962 wurden die Gewölbe durchschlagen und mit dem Bauschutt des Gotteshauses verfüllt.
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Adolph Menzel,
»Gruft unter der Garnison-Kirche zu Berlin. 1873«;
Bleistift-Zeichnung

Gruftgewölbe der Garnisonkirche; im Hintergrund (rechts von der Treppe) Säulentrommel aus Sandstein

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mit Gips ummantelten und in dorische Säulen verwandelten Eichenpfeiler durch Sandsteinsäulen ersetzt, die jetzt Gewölbe trugen. Wegen des auf einer Seite fehlenden Dübelloches könnte es sich um eine Trommel aus dem Fundamentbereich handeln. Ein Teil eines Fensterpfostens mit korinthisierendem Kapitell aus gelbgebrannter Terracotta, an dem noch Reste der Bleiverglasung zu beobachten sind, gehört in die Zeit der Restauration der Kirche um 1863.
     Vor allem aber sind eine rechteckige, profilierte Deckplatte, eine Wandplatte mit zwei vertieften quadratischen Feldern, die ein rahmendes Band aus dunkelgrünem Marmor und ein inneres Feld aus rötlichem Marmor zieren, und eine kleine Säule mit Basis zu erwähnen. Diese drei Teile aus grauweißem Marmor gehören zu dem Altartisch, den König Friedrich Wilhelm IV. (1795–1861, König von 1840–1858) im Jahre 1854 zusammen mit dem marmornen Baldachin stiftete. Die nach den Entwürfen von Friedrich August Stüler (1800–1865), dem »Architekten des Königs«, geschaffene Altaranlage ist in der von dem Garnisonpfarrer Georg Goens zum 175jährigen Jubiläum verfaßten »Geschichte der Königlichen Berlinischen Garnisonkirche« aus dem Jahre 1897 abgebildet.
     Der Altartisch steht in einem von römischen Vorbildern inspirierten sogenannten Ziborium-Altar klassischer Form mit auf
Architektur- und Ausstattungsteile der ehemaligen Garnisonkirche: Fensterpfosten mit korinthisierendem Kapitell aus Terracotta und Teile des marmornen Altartisches
Zur Überraschung der Bauarbeiter und Archäologen kamen im Schutt der aufgedeckten Fläche, die zwecks Überbauung durch die Gleisanlagen teilweise vertieft und verdichtet werden mußte, neben vereinzelten Resten menschlicher Gebeine und einem Sarggriff noch Architektur und Ausstattungsteile der Kirche zutage. Darunter befindet sich die eingangs erwähnte Säulentrommel, welche von dem durchgreifenden Umbau der Jahre 1899 und 1900 stammt. Bei letzterem wurden die im Jahre 1817 – anläßlich der nach der napoleonischen Zeit notwendig gewordenen Restauration und klassizistischen Umgestaltung –
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vier korinthischen Säulen bzw. Pilastern ruhendem Architrav und Giebeldach, das vergoldet war. Obgleich die Altardecken den Tisch weitgehend verhängen, sind noch die beiden, in einer Plinthe aus schwarzem Gestein verankerten Säulen, welche die Mensa an den Ecken der Vorderseite stützen, sichtbar. Das gesondert gefertigte und applizierte korinthische Kapitell aus dunkelfarbigem Marmor fehlt leider bei unserer Säule. Wie die vorne auf der Unterseite der Tischplatte angebrachten Dübellöcher zeigen, war auch in der Mitte eine Säulenstütze vorhanden, wie sie ähnliche von Stüler schon zuvor geschaffene Altartische in der Friedenskirche in Potsdam aus dem Jahre 1847 oder in der Berliner Schloßkapelle aus dem Jahre 1853 aufweisen. Nach den stimmigen Maßen und Dübellöchern sowie den genannten Parallelen handelt es sich bei der Platte mit der Felderteilung um die Hinterwand des Tisches.
     Die feierliche Einweihung des 1 700 Thaler teuren Altars, dessen Tisch den barocken aus dem ersten Grünbergschen Bau ersetzte, fand am 9. Juli 1854 statt. Friedrich Wilhelm IV., nicht zuletzt seiner romantisch-religiösen Schwärmerei wegen der »Romantiker auf dem Thron« genannt, förderte bekanntlich seine Garnisonkirche wie auch allgemein den Kirchenbau in Preußen sehr. Er schätzte dabei besonders die Form der frühchristlichen Basiliken und die klassischen Ziborien-Altäre, die er auf seinen Reisen
nach Rom auch direkt kennengelernt hatte und seinem Architekten bisweilen vorschrieb. Mit seiner Hinwendung zur altchristlichen Architektur hat er nachhaltig auf Stüler gewirkt.
     Stülers Altar stand jedoch bei dem verheerenden Brand von 1908 nicht mehr in der Kirche. Der unter den in leidlichem Zustand geretteten Ausstattungsteilen erwähnte »Marmortisch« gehörte schon zu dem neubarocken Altar von 1899/1900. Der alte Altar soll noch im Jahre 1941 – zwei Jahre vor der Bombardierung der Garnisonkirche – in einem oberen Nebenraum der Kirche gesehen worden sein. Dies kann auch erklären, warum die jetzt entdeckten Teile des Altartisches nicht in der Nähe des ursprünglichen Aufstellungsortes des Altars am Ostende des Kirchenschiffes, sondern an dessem Westende zum Vorschein kamen.

Bildquellen: Kupferstichkabinett Berlin, SMPK (SZ Menzel N 4441),
Archiv des Verfassers

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