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dung der Spandauer Straße abgebrochen werden, nachdem König Friedrich Wilhelm I. (1713–1740, geb. 1688) von 1717 bis 1719 die neue Anlage der Königlichen Pulver-Mühlen und das Pulver-Magazin »außerhalb der Stadt vor dem Unterbaume auf der Seite nach der Jungfernhaide und nach Moabit zu am Ufer der Spree« errichten ließ, wie der Schriftsteller und Publizist Leopold Freiherr von Zedlitz (1792–1864) in seinem 1834 erschienenen »Conversations-Handbuch« schreibt.
     Am 12. August waren etwa zwei Dutzend Artilleristen damit beschäftigt, den Turm auszuräumen. Sie hatten strengen Befehl erhalten, »keinen Tabak zu rauchen und die Arbeit nur in Filzsocken zu verrichten«, berichtet Oskar Schwebel (1845–1891), märkischer Chronist, Forscher und Dichter in seinem Werk »Geschichte der Stadt Berlin« (Berlin 1888, S. 287). Plötzlich habe sich Pulver entzündet und eine gewaltige Detonation ausgelöst.
     Schwebel schildert das Unglück so: »Die Umgebungen des Turms wurden in fürchterlichster Weise verheert; 76 Personen verloren ihr Leben, 42 wurden mehr oder minder schwer beschädigt; der König selbst, welcher die Arbeiter zu beaufsichtigen willens gewesen, war nur dadurch dem sichern Tode entgangen, daß er sich auf der Wachtparade verspätet hatte. In der nahen Garnisonschule waren 36 Kinder getötet worden; nur eins, ein Kind von 6 Jahren,
Herbert Schwenk
Explosion des Pulverturmes

Im Sommer 1995 stießen Tiefbauer in der Spandauer Straße auf große Feldsteine – Überreste des explodierten Pulverturmes. Wie kam es zu dieser Katastrophe, die sich am 12. August 1720 am Ende der Spandauer ereignete?
     Das ehemalige Spandauer Tor im Norden Berlins gehörte zu den fünf ältesten Toren der ersten, aus dem 13. Jahrhundert stammenden Befestigungsanlage der Doppelstadt Berlin/Cölln. Als unter dem Großen Kurfürsten (1640–1688, geb. 1620) nach dem Dreißigjährigen Krieg ein neues gewaltiges Festungswerk entstand, wurde das Spandauer Tor zwischen 1660 und 1662 nach Osten verlegt und monumentaler gestaltet. In unmittelbarer Nähe befanden sich zwei Türme zur Lagerung von Munition, die noch aus der mittelalterlichen Stadtmauer stammten. Der eine Turm stand beim alten Spandauer Tor an der Einmündung der Spandauer in die Wallstraße, die spätere Neue Friedrichstraße, der andere an der Ecke der Kloster- und Wallstraße (Neue Friedrichstraße).
     Im Sommer 1720 sollte der Pulverturm beim alten Spandauer Tor an der Einmün-

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Die Spandauer Straße, das Spandauer Tor und der Pulverturm im Jahre 1700
wurde nach 24 Stunden noch lebend unter den Trümmern hervorgezogen.« Ein Fremder, der sich in der sogenannten Ruppinischen Herberge befand, wurde erst drei Tage nach der Explosion unversehrt aus Trümmern geborgen. Unter den Opfern befanden sich auch zahlreiche Bürger aus nahe gelegenen Häusern, darunter aus dem Haus des Wallschmieds und des Obristen von Glasenapps Wohnung. Auch ein Prediger namens Block wurde in einer vorbeifahrenden Postkutsche erschlagen. Selbst in einiger Entfernung zerbarsten sämtliche Fensterscheiben, so im königlichen Schloß und im Zeughaus.
     Besonders starke Zerstörungen erlitt die Garnisonkirche. Sie war unter König Friedrich I. (1688–1713, geb. 1657) in den Jahren
von 1701 bis 1703 von Martin Grünberg (1655–1706) als kleine schlichte Kirche gegenüber dem Pulverturm beim alten Spandauer Tor, in der Bastion 12 der im 17. Jahrhundert entstandenen Festungsanlage, errichtet worden. Die Explosion beschädigte die Kirche, die noch keine zwanzig Jahre gestanden hatte, so schwer, daß sich ein Neubau erforderlich machte. Der tief erschütterte König habe unmittelbar nach dem Unglück den Bau einer neuen Garnisonschule und Kirche angeordnet. Unter Leitung von Philipp Gerlach d. J. (1679–1748) entstand eine bedeutend erweiterte Garnisonkirche, die am 31. Mai 1722 eingeweiht wurde. Zeitgleich war auch das beschädigte Spandauer Tor wiederhergestellt worden.

     Bildquelle: Berlin Archiv

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