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Herbert Schwenk
»Nichts ist dauernd als der Wechsel«

Berliner Bahnhofsnamen als Spiegelbilder ihrer Zeit

Vieles in Berlin bezeugt Kommen und Gehen der Zeiten, auch Namen von Bahnhöfen. Seit Eröffnung der Strecke zwischen den Residenzstädten Berlin und Potsdam im Herbst 1838, dem Beginn des Eisenbahnzeitalters in Preußen, hat Berlin viele Bahnhofsnamen erlebt. Sie sind Spiegelbilder ihrer jeweiligen

Zeit: der preußischen Königs- und preußisch-deutschen Kaiserzeit, der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus und auch der jüngsten deutsch-deutschen Vergangenheit.
     An den ältesten Bahnhofsnamen waren noch die jeweiligen Streckenziele ablesbar: beim Potsdamer Bahnhof (1838), Anhalter Bahnhof (1841), Stettiner Bahnhof (1842), beim Frankfurter Bahnhof (1842; ab 1846 wurde die Strecke bis Breslau verlängert, und die Station erhielt daher den Namen Schlesischer Bahnhof, danach Ostbahnhof und Hauptbahnhof, seit 24. Mai 1998 heißt sie wieder Ostbahnhof) und schließlich auch beim Hamburger Bahnhof (1846). 1877 wurde die schon 1851 zwischen diesen Bahnhöfen angelegte »Alte Verbindungsbahn« als »Ring-

bahn« eröffnet. Hinzu kam die 1882 eröffnete Berliner Stadtbahn, die auf einer Strecke von 12,15 km die Innenstadt zwischen Schlesischem Bahnhof und Bahnhof Charlottenburg durchquerte. Mehrere Vorortbahnen, die das Berliner Umland mit der Ring- und der Stadtbahn verbanden, ergänzten das Nahverkehrssystem. 1881 hatte Werner Siemens (1816–1892) in Lichterfelde die erste elektrisch betriebene Straßenbahn der Welt eröffnet und seitdem den Gedanken verfolgt, Berlin mit einem Netz elektrischer Schnellbahnen zu versehen.
     Es begann im Februar 1902 mit der Eröffnung der ersten Berliner Hoch- und Untergrundbahn. Bereits im ersten Jahr der Berliner U-Bahn bestand eine Betriebsstreckenlänge von 10,956 km, am Ende der ersten Ausbauperiode (1913) waren es 37,8km (davon ca. 8 km als Hochbahn), in zwei weiteren Ausbauphasen entstand bis 1992 ein U-Bahn-Netz mit einer Gesamtstreckenlänge von 134 km. Die Elektrifizierung erfaßte das gesamte Nahverkehrsnetz in Berlin und im Umland: 1928 war die Stadtbahn vollständig elektrifiziert; die sogenannte Große Elektrisierung galt 1933 als im wesentlichen abgeschlossen. Als 1939 die Nord-Süd-S-Bahn von Gesundbrunnen über Friedrichstraße, Potsdamer Platz und Anhalter Bahnhof bis zum Südring in einem Tunnel unter dem Stadtkern hindurchgeführt wurde, fand die Elektrifizierung der Stadt-, Ring- und Vorortbahnen einen ersten Ab-
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schluß, und es war ein einheitliches Nahverkehrsnetz in Berlin geschaffen.
     Bei der Namensgebung der Vielzahl neuer Bahnhöfe ging es indes längst nicht mehr um Streckenziele. Die Neu- und Umbenennungen orientierten sich zunehmend am topographischen Standort. So hielten auch Namen von Personen, nach denen Straßen, Plätze, Orte und Stadtteile benannt waren, in die Bezeichnungen der Bahnhöfe Einzug.
Besonders dieser Personenbezug bei Bahnhofsnamen widerspiegelt den Zeitgeist des 19. und 20. Jahrhunderts. Viele jener Namen waren eine Huldigung der preußisch-deutschen Monarchie, eine postume Ehrung ihrer und befreundeter Repräsentanten. Das belegen Bahnhofsnamen wie Friedrichstraße, Charlottenburg und Alexanderplatz, die nach mehrjähriger Bauzeit als Stadt und Fernbahnhöfe bis 1882 entstanden waren. Der Bahnhof Friedrichstraße, ursprünglich als Zentralbahnhof geplant, enthält den Namen Friedrichs III., Kurfürst von Brandenburg und seit 1701 Friedrich I., König in Preußen (1657–1713)1), als dem Namensgeber für die berühmte Straße; der Bahnhof Charlottenburg den Namen von Sophie Charlotte von Braunschweig-Lüneburg (1668–1705), der zweiten Gemahlin des Kurfürsten Friedrich III./König Friedrich I. und Namensgeberin des Schlosses und der Stadt Charlottenburg; der Bahnhof Alexanderplatz liegt an dem Platz, der den Namen des russischen Zaren Alexander I. (1777–1825) trägt, der den
Platz am 25. Oktober 1805 anläßlich seines Besuches beim Preußenkönig Friedrich Wilhelm III. (1770–1840) in Berlin passiert hatte. An der Südringbahn wurde 1912 der Bahnhof Kaiser-Friedrich-Straße eröffnet, benannt nach dem 99-Tage-Kaiser Friedrich III. (1831–1888), dem Vater des damaligen Herrschers Kaiser Wilhelm II. (1859–1941). Nach Preußens König Friedrich II. (1712–1786) war der 1872 eröffnete Nordringbahnhof Friedrichsberg benannt, der später Bahnhof Frankfurter Allee hieß; Friedrichsberg war 1771 als Kolonie unweit von Lichtenberg gegründet worden. Auch der Bahnhof Friedrichshagen erinnert an Friedrich II.: Er war aus einem schon seit 1849 bestehenden Eisenbahnanschluß des 1753 gegründeten friderizianischen Kolonistendorfes Friedrichshagen entstanden. Der 1908–1910 am Südring erbaute und später elektrifizierte S-Bahnhof Hohenzollerndamm sowie der 1913 eröffnete U-Bahnhof Hohenzollernplatz huldigt der Herrschaft der Hohenzollern ebenso wie der 1877 eröffnete Bahnhof Prinzenallee (heute S-Bahnhof Wollankstraße) und der 1902 eröffnete, 1929 umgebaute U-Bahnhof (Hochbahn-Bahnhof) Prinzenstraße.
     Andere von ihrem topographischen Standort abgeleitete Bahnhofsnamen jener Gründerzeit würdigten Adelsgeschlechter, preußische Militärs oder hohe Beamte. So der 1898 eröffnete, 1978 abgebrochene Vorort- und Nordringbahnhof Putlitzstraße, dessen Name
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Am Bahnhof Alexanderplatz

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im Zusammenhang mit einem alten brandenburgischen Adelsgeschlecht und der Stadt Putlitz bei Perleberg in der Prignitz steht. Ritterguts- und Schloßbesitzer Karl Sigismund von Treskow (1787–1846) war Begründer des seit 1825 unter dem Namen Karlshorst registrierten Ortes, in dem 1899–1902 der Vorortbahnhof Karlshorst entstand. Nach dem Gutsbesitzer und Amtmann Georg Christian Beussel (1774–1864) wurde ein 1894 eröffneter Nordringbahnhof benannt, der 1980 als S-Bahnhof stillgelegt wurde und dessen Wiedereröffnung Ende 1998 vorgesehen ist. Dem Stadtbahnhof Jannowitzbrücke liegt der Name des Baumwollfabrikanten Carl August Alexander Jannowitz (1806?–1846) zugrunde; dem 1896 eröffneten Stadtbahnhof Savignyplatz der Name des Rechtslehrers und Politikers Friedrich Carl von Savigny (1779–1861). Ebenso verewigten mehrere Bahnhofsnamen aus der ersten Ausbauperiode der U-Bahn bekannte Persönlichkeiten: der U-Bahnhof Senefelderplatz den Erfinder der Lithographie Alois Senefelder (1771–1834); der U-Bahnhof Uhlandstraße den Tübinger Schriftsteller und Professor für Germanistik Ludwig Uhland (1787–1862); der U-Bahnhof Breitenbachstraße den Juristen und Politiker Paul von Breitenbach (1850–1930) usw. Da durfte auch der Reichskanzler nicht fehlen: 1908 als U-Bahnhof Reichskanzlerplatz eröffnet, hieß er allerdings von 1933–1945 U-Bahnhof Adolf-Hitler-Platz, 1945–1963 er- neut U-Bahnhof Reichskanzlerplatz und seit Dezember 1963 U-Bahnhof Theodor-Heuss-Platz.
     Und selbstredend standen in der wilhelminischen Epoche auch bedeutende preußische Militärführer bei der Benennung von Bahnhöfen im Zusammenhang mit ihrer Topographie Pate: so bei dem 1903 eröffneten und 1939 elektrifizierten Vorortbahnhof Yorckstraße (in den 60er Jahren kam noch der gleichnamige U-Bahnhof hinzu), die nach jenem preußischen Feldmarschall Hans David Ludwig Graf Yorck von Wartenburg (1759–1830) benannt wurden, der Ende 1812 die Konvention von Tauroggen abgeschlossen hatte; oder dem 1902 eröffneten U-Bahnhof (Hochbahnhof) Bülowstraße, der nach General Friedrich Wilhelm Graf Bülow von Dennewitz (1755–1816) benannt wurde, der 1813 zu den preußischen Siegen von Großbeeren und Dennewitz beitrug.
     Der Wechsel von der Monarchie zur Weimarer Republik spiegelte sich auch in Bahnhofsnamen wider. Den Zeitgeist prägten nun auch Namen erfolgreicher Unternehmer, Kommunalpolitiker und anderer Repräsentanten der neuen Ära. Die 1927–1929 erbaute ehemalige elektrische »Siemensbahn« vom Bahnhof Jungfernheide zum Bahnhof Gartenfeld entlehnte zusammen mit ihren ehemaligen Bahnhöfen Siemensstadt und Wernerwerk den Namen beim Pionier der deutschen Elektrotechnik Werner von Siemens (1816–1892) – übrigens ebenso der spä-
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ter entstandene U-Bahnhof Siemensdamm (Eröffnung 1980). 1929 war der U-Bahnhof Oskar-Helene-Heim eröffnet worden. Der Name geht auf den von Fabrikbesitzer Oskar Pintsch (1844–1912) und dessen Ehefrau Helene gestifteten und 1914 eingeweihten Krankenhausbau Oskar-Helene-Heim in Dahlem zurück. Der ebenfalls 1929 eröffnete U-Bahnhof Onkel Toms Hütte ist wiederum seinem topographischen Umfeld entlehnt, nämlich der zwischen 1926 und 1932 entstandenen Onkel-Tom-Siedlung, eine der vier beispielhaften Großsiedlungen Berlins, die schon vor dem Zweiten Weltkrieg angelegt wurden. Der Name geht auf den weltbekannten Roman »Onkel Toms Hütte« (1852) von Harriet Beecher-Stowe (1811–1896) zurück, der bei der Benennung der um 1885 erbauten Gaststätte dieser Gegend ausschlaggebend gewesen sein soll, weil deren erster Wirt den Namen Thomas trug. Der Kommunalpolitiker Karl Wilhelm Hermann Boddin (1844–1907), 33 Jahre lang erster Gemeindevorsteher Rixdorfs (seit 1912 Neuköllns), ist in dem 1927 eröffneten U-Bahnhof Boddinstraße präsent; der königlich-preußische Hofrat, Gastwirt und Kommunalpolitiker Johann Jacob Koch (Chochius, geb. 1734) in dem 1923 eröffneten U-Bahnhof Kochstraße; der Maler Anselm Feuerbach (1829–1880) in dem 1933 eröffneten S-Bahnhof Feuerbachstraße; der Naturwissenschaftler und Arzt Johann Lukas Schönlein (1793–1864) in dem 1927 eröffneten U-Bahnhof Schönleinstraße usw. Andere U-Bahnhöfe erhielten gar Namen von Heiligen (U-Bahnhöfe Samariterstraße und Magdalenenstraße). Und selbstverständlich fehlten bei Bahnhofsbenennungen auch in der Weimarer Republik nicht die Namen von Adligen und Generälen: der »Alte Dessauer«, Fürst Leopold I. von Anhalt-Dessau (1676–1747) und preußische Feldmarschall gab dem U-Bahnhof Leopoldplatz (eröffnet 1923) seinen Namen; ebenso Generalfeldmarschall August Graf Neidhardt von Gneisenau (1760–1831) dem U-Bahnhof Gneisenaustraße (eröffnet 1924). Der 1926 eröffnete U-Bahnhof Kurfürstenstraße hält die Erinnerung an die brandenburgischen Kurfürsten ebenso wach wie der 1961 eröffnete U-Bahnhof Kurfürstendamm. Sie alle bekamen ihre Namen von den Straßen und Plätzen in bzw. an denen die lagen.
     Die NS-Zeit hinterließ erfreulicherweise nur wenige Spuren bei der personenbezogenen Namensgebung im Nahverkehrssystem Berlins. Neben der bereits erwähnten Umbenennung des U-Bahnhofs Reichskanzlerplatz von 1933–1945 in U-Bahnhof Adolf-Hitler-Platz (seit 1963 U-Bahnhof Theodor-Heuss-Platz) erhielt der schon 1913 eröffnete U-Bahnhof Schönhauser Tor von 1934 bis 1945 den Namen U-Bahnhof Horst-Wessel-Platz (seit 1950 U-Bahnhof Luxemburgplatz und seit 1978 U-Bahnhof Rosa-Luxemburg-Platz) sowie der schon 1912 eröffnete Südringbahnhof Kaiser-Friedrich-Straße von 1939 bis 1945 nach dem Geburtsort Hitlers, der oberöster-
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reichischen Grenzstadt am Inn, den Namen S-Bahnhof Braunauer Straße (seit 1945 S-Bahnhof Sonnenallee, der 1980 stillgelegt und im Dezember 1997 wiedereröffnet wurde).
     Mit dem Wiederaufbau und Ausbau des Berliner Nahverkehrssystems nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges begann eine Zeit intensiverer Um- und Neubenennungen von Bahnhöfen. Im U-Bahn-Netz kamen seit Oktober 1953 durch Verlängerung der heutigen Linien 6 (Alt-Tegel–Alt-Mariendorf), 7 (Rathaus Spandau–Rudow) und 8 Wittenau–Herrmannstraße) in Berlin (West) und der Linie E (heute U 5, Alexanderplatz–Hönow) in Berlin (Ost) sowie der Neuanlage der Linie 9 (Osloer Straße–Rathaus Steglitz) in Berlin (West) bis 1989 weitere 63 km U-Bahn-Strecke hinzu, wovon 51 km unterirdisch und 12 km oberirdisch verlaufen. Die Spaltung der Stadt bedingte jedoch unterschiedliche Entwicklungen im westlichen und östlichen Teil, die auch in den Bahnhofsnamen sichtbaren Ausdruck erhielten. Vor allem in Berlin (Ost) gab es zahlreiche Umbenennungen von Straßen und Plätzen und damit im Zusammenhang auch von Bahnhöfen. Nun kündeten Marx (1818–1883), Engels (1820–1895), Lenin (1870–1924), Stalin (1879–1953), Luxemburg (1870–1919), Dimitroff (1882–1949) sowie die Namen zahlreicher antifaschistischer Widerstandskämpfer von den veränderten Machtverhältnissen. Der von 1879–1881 erbaute Stadtbahnhof Börse und heutige S-Bahnhof Hackescher Markt hieß von 1951–1992 S-Bahnhof Marx-Engels-Platz. Der
S-Bahnhof Landsberger Allee (1895 als Bahnhof an der Nordringbahn eröffnet) trug von 1950–1992 den Namen S-Bahnhof Leninallee; der 1872 eröffnete Haltepunkt Friedrichsberg an der Nordringbahn, der 1897 in Bahnhof Frankfurter Allee umbenannt worden war, hieß von 1949–1961 S-Bahnhof Stalinallee; der 1930 eröffnete U-Bahnhof Petersburger Straße erhielt von 1946 bis Ende 1957 den Namen U-Bahnhof Bersarinstraße, benannt nach dem sowjetischen Generaloberst und 1945 ersten Stadtkommandanten von Berlin Nikolai Erastowitsch Bersarin (1904–1945 verunglückt), von 1958–1991 hieß die Station U-Bahnhof Frankfurter Tor, danach U-Bahnhof Rathaus Friedrichshain, nach dem Rathaus-Neubau an anderer Stelle erhielt sie wieder den Namen U-Bahnhof Petersburger Straße und wurde inzwischen in Frankfurter Tor rückbenannt. Nach dem bulgarischen Kommunisten und Antifaschisten Georgi Dimitroff wurde 1950 der 1913 als Hochbahnhof eröffnete U-Bahnhof Danziger Straße in U-Bahnhof Dimitroffstraße umbenannt, der seit 1991 U-Bahnhof Eberswalder Straße heißt; nach dem polnischen sozialistischen Politiker Julian Marchlewski (1866–1925) wurde 1950 die 1930 eröffnete U-Bahn-Station Memeler Straße in U-Bahnhof Marchlewskistraße umbenannt, die seit 1991 U-Bahnhof Weberwiese heißt. Einen neuen Namen erhielt auch der 1902 als Vorortbahnhof Rummelsburg-Ost eröffnete, 1914–1928 in Bahnhof Neu Lichtenberg (seit 1928 S-Bahnhof) umbenannte Bahnhof: Er heißt seit 1954
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Der Potsdamer Bahnhof
nach dem antifaschistischen Widerstandskämpfer Erwin Nöldner (1913–1944) S-Bahnhof Nöldnerplatz. Ein 1961/62 an der Schönefelder Strecke (heute S9) erbauter S-Bahnhof Grünbergallee erhielt den Namen des antifaschistischen Widerstandskämpfers Alfred Grünberg (1901–1942). Und der be- reits 1928 eröffnete U-Bahnhof Neanderstraße heißt seit 1960 nach dem deutschen Dichter Heine (1797–1856) U-Bahnhof Heinrich-Heine-Straße.
     Mit der Verlängerung der ehemaligen U-Bahn-Linie E nach Hellersdorf (heute U 5) und der S-Bahn-Strecke nach Marzahn und
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Ahrensfelde (heute S 7) entstanden Bahnhöfe, die nach den DDR-Politikern Heinz Hoffmann (1910–1985), Bruno Leuschner (1910–1965), Karl Maron (1903–1975), Albert Norden (1904–1982), Walter Ulbricht (1893–1973), Paul Verner (1911–1986) und Otto Winzer (1902–1975) benannt worden waren: U-Bahnhof Albert-Norden-Straße (von 1989–1991, seitdem U-Bahnhof Kaulsdorf-Nord); U-Bahnhof Heinz-Hoffmann-Straße (von 1989–1991, seitdem U-Bahnhof Neue Grottkauer Straße); U-Bahnhof Paul-Verner-Straße (1989–1991, seitdem U-Bahnhof Louis-Lewin-Straße); S-Bahnhof Karl-Maron-Straße (eröffnet 1979, heute S-Bahnhof Poelchaustraße); S-Bahnhof Bruno-Leuschner-Straße (seit 1980, heute S-Bahnhof Raoul-Wallenberg-Straße) sowie S-Bahnhof Otto-Winzer-Straße (eröffnet 1980, heute S-Bahnhof Mehrower Allee). Der heutige U-Bahnhof Schwartzkopffstraße hieß von 1951 bis 1990 U-Bahnhof Walter-Ulbricht-Stadion, 1990/91 U-Bahnhof Stadion der Weltjugend.
     Auch die neuen Namen der Bahnhöfe in Berlin (West) lassen eindeutige gesellschaftliche Bezüge und Traditionslinien erkennen. Obwohl auch der Name von Karl Marx mit der Umbenennung des 1926 eröffneten U-Bahnhofs Bergstraße in U-Bahnhof Karl-Marx-Straße seit 1946 präsent ist, stehen viele der neuen Namen für eine ganz und gar andere Politik: Otto Fürst von Bismarck (1815–1898), Konrad Adenauer (1876–1967), Kurt Schumacher (1895–1952), Franz Meh-
ring (1846–1919), Jakob Kaiser (1888–1961) und Joachim Lipschitz (1918–1961). Nach ihnen wurden die neuen U-Bahnhöfe Bismarckstraße an der U 7 (eröffnet 1978; bereits 1906 wurde ein U-Bahnhof gleichen Namens, der heute »Deutsche Oper« heißt, eröffnet), Adenauerplatz (gleichfalls eröffnet 1978), Kurt-Schumacher-Platz (eröffnet 1956), Mehringdamm (eröffnet schon 1924, seit 1946 U-Bahnhof Franz-Mehring-Straße, 1947 verkürzt auf Mehring damm), Jakob-Kaiser-Platz (eröffnet 1980) und Lipschitzallee (eröffnet 1970) benannt. Auch andere U-Bahnhöfe tragen mehr oder weniger berühmte Namen: die Station Blaschkoallee (eröffnet 1963) den des Hautarztes und ersten Generalsekretärs der 1902 gegründeten Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten Alfred Blaschko (1858–1922); die Station Blissestraße (eröffnet 1971) den des Wilmersdorfer Grundbesitzers Georg Christian Blisse (1823–1905), der zusammen mit seiner Ehefrau Amalie Auguste (1845–1907) das Wilmersdorfer Waisenhaus stiftete (Blissestift); die Station Güntzelstraße (eröffnet 1971) den des Wilmersdorfer Amts- und Gemeindevorstehers Bernhard Güntzel (1833–1892); die Station Westphalweg den des ersten (von 1900 bis 1911) hauptamtlichen Gemeindevorstehers der Landgemeinde Mariendorf, Wilhelm Hugo Westphal (1859–1925); die Station Scharnweberstraße (eröffnet 1958) den des Hohenschönhausener Rittergutsbesitzers,
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Landrats (Niederbarnim) und Juristen Carl August Georg Scharnweber (1816–1894). Unter den durch U-Bahnhofsnamen Geehrten finden sich auch der Industrielle August Borsig (1804–1854), der Verleger, Firmengründer und Politiker Leopold Ullstein (1826– 1899) und der Psychiater und Neurologe Karl Bonhoeffer (1868–1948). Der erste neue S-Bahnhof in Berlin (West) erhielt 1972 seinen Namen nach dem Elbinger Ingenieur und Unternehmer Ferdinand Schichau (1814– 1896): S-Bahnhof Schichauweg.
     Im Zuge der Vereinigung der Berliner Nahverkehrssysteme fand die jüngste größere Umbenennung von Bahnhöfen im Osten Berlins statt. In den Verwaltungsvorschriften des Senats zur Änderung der Ausführungsvorschriften zu Paragraph 5 des Berliner Straßengesetzes (Benennung) vom 16. August 1991 heißt es, daß Umbenennungen mit einem neuen oder dem vorherigen Straßennamen zulässig sind, um auch die »aus der Zeit von 1945 bis 1989 stammende(n) Straßennamen nach aktiven Gegnern der Demokratie und zugleich geistig-politischen Wegbereitern und Verfechtern der stalinistischen Gewaltherrschaft des DDR-Regimes und anderer kommunistischer Unrechtsregime zu beseitigen«.2) In diesem Sinne verschwanden 1991 die o. g. Namen von DDR-Politikern bei Benennungen topographischer Objekte, einschließlich Bahnhöfen. So zum Beispiel erhielten die U-Bahnhöfe Walter-Ulbricht-Stadion (Stadion der Weltjugend) und Paul-
Verner-Straße die Namen des Ingenieurs und Industriellen Schwartzkopff (1825–1892) bzw. des Toxikologen Louis Lewin (1850–1929). Der S-Bahnhof Marx-Engels-Platz heißt seit 1992 S-Bahnhof Hackescher Markt, benannt nach dem Militär und Politiker Graf von Hacke (1698–1754), und die S-Bahnhöfe Karl-Maron-Straße sowie Bruno-Leuschner-Straße erhielten die Namen des Pfarrers und antifaschistischen Widerstandskämpfers Harald Poelchau (1903–1972) bzw. des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg (1912–1945).
     Daß diese jüngste Neu- und Umbenennung nicht die letzte gewesen sein dürfte, erscheint angesichts der bewegten Geschichte der Berliner Bahnhofsnamen keine allzu gewagte Prognose. »Nichts ist dauernd als der Wechsel, nichts beständig als der Tod«, meinte einst der Publizist und Zeitkritiker Ludwig Börne (1786–1837). Auch die Namen der Berliner Bahnhöfe stehen dafür.

Anmerkungen und Quellen:
1      Zur Vereinfachung werden hier und im folgenden nur Geburts- und Todesjahr jeweiliger Persönlichkeiten genannt
2      Verwaltungsvorschriften zur Änderung der Ausführungsvorschriften zu Paragraph 5 des Berliner Straßengesetzes – Benennung – vom 16. August 1991. In: Amtsblatt für Berlin, 41. Jg., Nr. 43 (13. September 1991), S. 1966/1967
Bildquelle:
Max Ring, Die deutsche Kaiserstadt Berlin und ihre Umgebung, 1884
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