4   Probleme/Projekte/Prozesse Die Heilig-Geist-Kapelle  Nächstes Blatt
Susanne Hayder
Mittelalter von Kopf bis Fuß

Im Zeichen der Aufmerksamkeit:
die Heilig-Geist-Kapelle

An der Spandauer Straße im Bezirk Berlin-Mitte, halb umschlossen vom Bau der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität, liegt ein Kleinod mittelalterlicher Architektur – die Heilig-Geist-Kapelle. Der lange vernachlässigte Bau war in den Jahren 1996 und 1997 Gegenstand neuer wissenschaftlicher Untersuchungen. Auf dem Gelände des ehemaligen Heilig-Geist-Hospitals, zu dem die Kapelle gehörte, fanden in mehreren Kampagnen archäologische Grabungen unter der Leitung von Heinrich Lange statt. Das Restauratorenteam Breitenfeld & Kriesten untersuchte den Fassungsbestand des Innenraums der Kapelle. Dabei gelang es erstmals, Malereien am spätmittelalterlichen Gewölbe festzustellen. Gleichzeitig wurde die Kapelle einer bauhistorischen Betrachtung unterzogen. Einigen Holzbalken wurden Proben zur dendrochronologischen Untersuchung entnommen. Die Ergebnisse dieser Forschungen erweiterten die Kenntnisse über die Kapelle beträchtlich. Die Humbolt-Universität strebt eine Restaurierung des Baus an und wird die Kapelle anschließend zu repräsentativen Zwecken nutzen.

     Dem Berlinbesucher fällt es schwer, die Kapelle überhaupt wahrzunehmen, so stark tritt sie hinter ihre Umgebung zurück. Die Ostfront, die direkt an der Spandauer Straße liegt, stellt die Hauptfassade dar. Südlich der Kapelle befindet sich das Radisson-Plaza-Hotel, dessen Tiefgarageneinfahrt direkt an die Südfront von Kapelle und Universität stößt. Auf dem Gelände zur Spree hin befand sich einst die Börse, ein Bau, der im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstört und anschließend abgetragen wurde. In dieser Umgebung, integriert in einen Universitätsbau des beginnenden 20. Jahrhunderts, umarmt von Bauten aus der Nachkriegszeit und an eine offene »Kriegswunde« anschließend, scheint die Kapelle die Geschichte, vor allem aber die vielfältigen Brüche der Stadt Berlin zu symbolisieren.

Das Heilig-Geist-Hospital im Mittelalter

Die Kapelle war ursprünglich Teil des Heilig-Geist-Hospitals. Die Hauptaufgabe solcher Einrichtungen, die es in allen mittelalterlichen Städten gab, galt der Versorgung und Pflege von Kranken und Armen. Mit Blick auf die Bedürfnisse der wachsenden Stadt gründete der Magistrat zwei Hospitäler, das Heilig-Geist-Hospital, das sich mit der Altenpflege beschäftigte, und das St.Georgs-Hospital, das sich um die Kranken kümmerte.

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Im Unterschied zu früheren Gründungen dieser Art, die bis ins 13.Jahrhundert hinein allein der Kirche vorbehalten waren, stellten beide Berliner Hospitäler rein städtische Einrichtungen dar. Der Magistrat der Stadt setzte Vorsteher und Pfleger ein und überwachte die Verwaltung.
     Neben der Errichtung von Gebäuden zur Unterbringung der Bedürftigen gehörte der Bau einer Kapelle zu den ersten Maßnahmen, die auf die Gründung folgten. Ein genaues Gründungsdatum des Heilig-Geist-Hospitals ist nicht bekannt. Erstmals wird es in einer Urkunde der Bäckergilde aus dem Jahr 1272 erwähnt. Ihr Inhalt verpflichtete die Bäcker, Brot, das sie nicht verkaufen konnten, den Hospitälern der Stadt zu überlassen. 1288 begegnen wir dem Hospital in den Urkunden ein weiteres Mal. Eintretende Mitglieder in die Schneidergilde hatten dem Hospital anderthalb Pfund Wachs zu stiften. Diese Spende weist schon sehr deutlich auf das Vorhandensein der Kapelle hin, obwohl Wachs damals bei vielen Gelegenheiten Verwendung fand. Die Existenz eines Sakralbaus wird schließlich durch eine Urkunde aus dem Jahr 1313 bestätigt. Ein Ritter Gruelhout vermachte dem Hospital ein Stück Land in Weißensee mit der daran geknüpften Bedingung, jedes Vierteljahr Messen für sein und seiner Verwandten Seelenheil zu lesen.
     Die genannten Jahreszahlen umreißen einen für das sich entwickelnde Berlin wesentlichen Zeitraum. Am Memhardtschen Plan von 1652, dem ältesten erhaltenen Stadtplan Berlins, sind die damaligen Gegebenheiten noch ablesbar.
     Die Heilig-Geist-Kapelle lag am nordwestlichen Stadtrand, im unmittelbaren Umfeld des Spandauer Tores innerhalb der Stadtmauern. Hospitäler befanden sich aber meist vor den Mauern, die Position des Heilig-Geist-Hospitals bricht mit dieser Tradition. Die in der Literatur allgemein akzeptierte Datierung der Stadtmauer liegt in den siebziger und achtziger Jahren des 13. Jahrhunderts. Eine Urkunde aus dem Jahr 1319, nach der das Heilig-Geist-Hospital die Siedlung Hinrichsdorf erwirbt, bezeichnet das Hospital eindeutig als »intra muros« gelegen. Die Urkunde stellt gleichzeitig den ersten schriftlichen Hinweis auf die Existenz der Stadtmauer dar. Der Zeitraum zwischen der ersten Erwähnung des Hospitals 1272 und dem Baubeginn der Mauer scheint doch zu kurz zu sein, um sich das eine Bauvorhaben ohne das andere vorstellen zu können. Bedenkenswert ist außerdem, daß es sich bei beiden um städtische Unternehmungen handelt. Beide könnten also auch einer Grundkonzeption entsprungen sein.
     Der Memhardtsche Plan liefert auch die erste bildliche Darstellung des Heilig-Geist-Spitals selbst. Es erscheint als einfaches, L-förmiges Gebäude, das nur durch die beigefügte Legende als Sakralbau zu identifizieren ist.
     Wesentlich aussagekräftiger ist die Vedute von Johann Bernhard Schultz aus dem Jahre 1688. Die Kapelle ist nun eindeutig auch als solche erkennbar. An die Südseite schmiegt sich ein kleiner rechteckiger Anbau, der Klausner. An der Nordseite der Kapelle ist ein Hospitalsgebäude angebaut.
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Die Gesamtanlage schließt gegen Süden mit einer Mauer ab. Einen ähnlichen Eindruck von Kapelle und Hospital gibt uns ein Plan aus dem Jahr 1700. Die reizvolle Darstellung zeigt die Kapelle wieder mit Turm, Klausner, Hospitalsgebäuden und dem Friedhof, der sich an die West- und Südseite der Kapelle anschloß.
     Bis ins Zeitalter der Fotografie liefern historische Abbildungen keine zusätzlichen Informationen über das Aussehen der Kapelle. Da der Bau aber erhalten geblieben ist, konnte die Architektur selbst zumindest teilweise die Baugeschichte enthüllen. Weitere Erkenntnisse über die Gesamtanlage verbargen sich im archäologischen »Archiv« des Bodens.

27 aufgestapelte Denare im Grab einer alten Frau

Bereits in mittelalterlicher Zeit schloß an die Nordwand der Kapelle ein zweigeschossiges Hospitalsgebäude auf rechteckigem Grundriß an. Auf einer Zeichnung von L. L. Müller, die die Spandauer Straße um 1700 wiedergibt, sieht man am linken Bildrand den intakten spätmittelalterlichen Bau. Im Jahr 1997 nahm die Telekom auf dem Gehsteig vor dem heutigen Universitätsgebäude Aushubarbeiten für einen Verteilerkasten vor. Dabei kam ein sechsbis siebenreihiger Fundamentrest aus Granitsteinen zum Vorschein, der zu diesem mittelalterlichen Gebäude gehörte. Die Ausgrabungen auf dem Gelände der ehemaligen Börse belegen außerdem einen durch Brand zerstörten Fachwerkbau, der durch Keramikfunde ins 13. bis 14. Jahrhundert

zu datieren ist, also zur frühesten Besiedlung des Areals gehörte.
     Möglicherweise fiel das Haus dem großen Stadtbrand von 1380 zum Opfer. Diesem Bau ist vielleicht auch die älteste auf dem Gelände gefundene Münze, ein Denar der brandenburgischen Markgrafen Otto IV. (1266–1308) und Conrad (1266–1304) zuzuordnen.
     Im Westen und Süden der Kapelle lag der Friedhof, dessen archäologische Untersuchung das Hauptziel der ausgedehnten Grabungen war. Trotz späterer Überbauung konnten Skelette und Skelettreste von über 500 Personen festgestellt werden. Es handelte sich meist um Einzelgräber, doch kamen auch Doppel-, Gruppen- und Massenbestattungen vor. Die Gräber waren bis auf wenige Ausnahmen beigabenlos. Einige Bestattungen lassen sich der mittelalterlichen Belegungsphase zuordnen. Eine Besonderheit bot das Grab einer alten Frau, dem 27 säulenförmig gestapelte Denare in einem Beutel aus Leder oder Stoff beigegeben waren. Die Münzen stammen aus der Zeit des Markgrafen Woldemar (1308–1319). Im rückwärtigen Teil des Friedhofs befanden sich mehrere Massengräber. Eines davon ist dem 14. Jahrhundert zuzuweisen, da es von dem Grab mit den 27 Denaren überlagert wird und die Grabgrube Keramik des 13. bis 14. Jahrhunderts barg. Bei dieser Massenbestattung mit komplizierten Versturzlagen und mehreren Schichten übereinanderliegender Skelette könnte es sich um ein Seuchengrab handeln, das möglicherweise mit der Pest, die Berlin und Cölln 1348 heimsuchte, in Zusammenhang zu bringen ist.
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Die frühneuzeitliche Belegungsphase stellen zwei Bestattungen dar, denen eine bzw. zwei Denare aus dem 16. Jahrhundert in den Mund gelegt waren. Der Fund bestätigt das Weiterleben der ursprünglich heidnischen Sitte der »Totenpfennige«. Die einzelnen Belegungsphasen des ungefähr vier Jahrhunderte genutzten Friedhofs sind noch zu erarbeiten. Hatte die Kapelle einen Vorgängerbau?

Betrachtet man den Bau der Kapelle, der schließlich als einziger von der Gesamtanlage die Jahrhunderte überlebte, so liefert er weitere Details. Schmuck- und Schaufront ist eindeutig die Ostseite. Über einem Sockel aus Granitquadern liegen drei spitzbogig abgeschlossene Fenster, die seitlichen sind zweibahnig, das mittlere dreibahnig.


Die Spandauer Straße mit Kapelle um 1700
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Die Wandflächen zwischen den Fenstern sind durch Blendnischen gegliedert. Ein Vierpaßfries trennt die Fensterzone vom Giebel, dessen dreireihige Blendarkatur mit den reichen Wimpergen das hervorstechendste Schmuckelement der Fassade darstellt. Die Ostfront bleibt damit die ursprünglichste und am wenigsten veränderte Außenwand des Baus.
     Die Südfront spiegelt den Veränderungsprozeß, dem die Kapelle unterworfen war, schon eher wider. Nach dem östlichsten Fenster springt der Granitsockel des Baus von drei auf sieben Steinreihen. Westlich des mittleren Fensters bemerkt der aufmerksame Betrachter außerdem eine Baunaht, die den Sockel und auch einige Ziegelreihen durchzieht. Im frühen 13. Jahrhundert wurden in Berlin vor allem Granitquader als Baumaterial verwendet. So ist z. B. für die gotische Backsteinhalle der Nikolaikirche ein Vorgängerbau aus Steinquadern nachgewiesen worden. Möglicherweise hatte die Heilig-Geist-Kapelle ebenfalls einen Vorgänger, dessen granitener Sockel in einen späteren Bau einbezogen wurde. Eventuell erlitt dieser Vorgänger im Jahr 1380, in dem Berlin den verheerenden Stadtbrand erlebte, so starke Beschädigungen, daß die Wiedererrichtung praktisch einem Neubau gleichkam.
     Auch die Nikolaikirche und die Marienkirche waren von dieser Katastrophe betroffen, wie aus Ablaßbriefen kurz nach dem Brand hervorgeht.
Die Vermutung, daß die stehenden Mauern der Heilig-Geist-Kapelle erst nach diesem Feuer entstanden, wird durch die Tatsache erhärtet, daß zumindest Ost- und Südmauer gleichzeitig errichtet wurden und am aufgehenden Mauerwerk keine Brandspuren nachzuweisen sind. Zusätzlich ergab die eingangs erwähnte dendrochronologische Untersuchung der Hölzer des Dachstuhls späte Jahrgänge der achtziger Jahre des 14. Jahrhunderts. Eine Probe allerdings datiert in das Jahr 1273, wahrscheinlich wurde dieser Balken, der direkt auf der Mauerkrone aufsitzt, hier bereits zum zweitenmal verwendet. Die Kapelle, wie sie sich heute zeigt, könnte demnach also in den Jahren nach 1380 bis etwa 1390 unter der Einbeziehung eines älteren Sockels errichtet worden sein.
     Zu dieser Bauphase des späten 14. Jahrhunderts gehören auch die vier hohen, fast bis an die Traufe reichenden, heute aber zugesetzten Fenster der Südwand. Das schmale Fenster ganz im Osten liegt noch in der Mauerstärke der Ostfront, kann also niemals tatsächliche Fensterfunktion gehabt haben. Unmittelbar daran anschließend liegt ein zweites, breiteres, und mit größerem Abstand ein drittes, wieder schmaleres Fenster. Ganz im Westen befindet sich das vierte Fenster, das eine kleine Vorhalle, die ursprünglich vom eigentlichen Kapellenraum abgetrennt war, belichtete. Im Inneren des Dachbodens sind die Spuren des Abrisses der Vorhallenwand noch zu sehen.
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Blick auf die Westmauer mit Orgel
Ende des 19. Jahrhunderts
Im Granitsockel der Südwand, in der Südostecke, an der sich auch der Klausner befand, liegt eine zugesetzte Öffnung. Möglicherweise besaß der Klausner einen direkten Zugang zur Kapelle. Für eine Tür ist die Öffnung allerdings eher schmal. Eventuell handelte es sich auch nur um eine Nische zur Aufnahme einer Heiligenfigur.
     Der Haupteingang muß sich an der Westseite befunden haben. Da die Westfront zu zwei Dritteln im Bau der heutigen Humboldt-Universität verschwindet, ist die mittelalterliche Eingangssituation kaum mehr zu rekonstruieren. Ein Foto vom Ende des 19. Jahrhunderts liefert einige Hinweise auf die ursprüngliche Wandgestaltung.
Die auf dem Foto wiedergegebenen spitzbogigen Fenster sind bestimmt einer mittelalterlichen Bauphase zuzuordnen. Der Giebel über dem die Fensterzone abschließenden Schmuckband war vollkommen ungegliedert. Das schmale Fenster in der Giebelzone liegt bereits im Dachraum.
     Im Dachstuhl fand sich auch ein Rest der ursprünglichen, hölzernen Flachdecke. Ein mit Rankenmustern bemaltes Brett überlebte die nachmittelalterlichen Veränderungen, weil es zur Hälfte in einer Mauer verschwand und es offenbar niemand für notwendig hielt, dieses Brett zu entfernen. Überraschenderweise waren offenbar auch diejenigen Bereiche der Decke bemalt, die auf den Mauern auflagen, also gar nicht sichtbar waren.
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Wahrscheinlich wurden die Bretter bereits vor ihrer Anbringung an Ort und Stelle mit dem Muster versehen.
     Die 1996 durchgeführte restauratorische Untersuchung lüftete auch das Geheimnis der damaligen Farbgestaltung der Wand und der Fenster. Offenbar trugen Wände und Fensterlaibungen einen dünnen Fugenstreichputz.
     Auf diesem Untergrund folgte eine ziegelrote Tünche, auf der ein weißes Fugennetz aufgemalt wurde, das sich weitgehend an den tatsächlichen Fugen des Mauerwerks orientierte. Im Bereich der ehemaligen Vorhalle konnte diese erste Fassung nicht nachgewiesen werden. Die Vorhalle blieb offensichtlich backsteinsichtig. Die Flachdecke des Kapellenraums schien auch nur bis zur Zwischenwand zu reichen, denn die sonst so häufigen Nägel und Nagelspuren an den Dachbalken fehlen im Bereich der Vorhalle vollständig. Die ursprüngliche Eindeckung der Vorhalle bleibt unklar.
     Aus diesen Details entsteht ein Bild der Kapelle im ausgehenden 14. Jahrhundert. Die hohen Chorfenster und der Schmuckgiebel waren damals schon vorhanden, an der Südseite muß man sich die schmalen Fenster unter der Dachtraufe geöffnet vorstellen, über die Westseite wurde der Innenraum betreten. Zuerst gelangte man in die Vorhalle und anschließend in den für den heutigen Geschmack sehr starkfarbigen Hauptraum mit der hölzernen Flachdecke.
In einer zweiten Fassung wurden die Wände mit einer monochromen weißen Gipstünche versehen. Die Gestaltung der Flachdecke blieb davon unberührt.
     Bedauerlicherweise ist von der Ausstattung der Kapelle aus dieser Zeit nichts erhalten geblieben. Sie muß allerdings über einen Altar verfügt haben, möglicherweise gab es auch einige Epitaphien und Grabplatten. Es sollte ein dreiviertel Jahrhundert dauern, bis an der Kapelle weitere bauliche Veränderungen vorgenommen wurden. Der Inneneindruck der Kapelle veränderte sich dadurch grundlegend.

Sterngewölbe aus dem späten Mittelalter

Die reichen Sterngewölbe, die heute den Raum dominieren, gehören bereits zur zweiten mittelalterlichen Bauphase der Kapelle. Als man nach der Explosion des nahe gelegenen Pulverturms im Jahr 1720 die Kapelle, die zum Glück kaum beschädigt worden war, reparierte, fand sich im Turmknauf eine Urkunde, die die Errichtung des Turmes und den Einbau der Gewölbe in das Jahr 1476 setzte.
     Über das genaue Aussehen des Turmes kann nur gerätselt werden, die historischen Abbildungen zeigen einige sich von einander unterscheidende Ausformungen. Seine Ausmaße schienen aber immer eher auf einen Dachreiter als auf einen Turm hinzudeuten.

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Offensichtlich bestand er zur Gänze aus Holz, was die verschiedenen unterschiedlichen Erscheinungsformen erklären hilft. In den Urkunden finden sich auch oft Nachrichten, die von einer Ausbesserung des Turmes sprechen, so in den Jahren 1611 und 1661, hier heißt es sogar »neu gemachet«. Der Turm wurde 1816 wegen Baufälligkeit abgerissen.
     Die Vorhalle im Inneren der Kapelle fiel dem Umbau von 1476 zum Opfer, und das dreijochige Gewölbe wurde bis zur Westfront gezogen. Seine Rippen ruhen auf zwölf figürlichen Terrakottakonsolen auf. Die ursprünglich polychrom gefaßten Figuren stellen die vier Evangelisten, einige Apostel, Christus, Gottvater, den Heiligen Geist (als Taube) und die Gottesmutter Maria dar. Sie wurden im Laufe der Generationen immer wieder übermalt. Zu einem späteren Zeitpunkt entfernte man sämtliche Übermalungen, inklusive der ersten polychromen Fassung, um die Materialwirkung der Konsolen zu erreichen. Die ursprüngliche Fassung ist daher nur mehr in Resten erhalten. Die Wandflächen um die Konsolen trugen rote und blaue Strahlen auf gelbem Grund, eine Gestaltung, die in der Gewölbezone um die Schlußsteine ihre Entsprechung fand.
     Diese Schlußsteine, auch die ornamentierten, waren seltsamerweise immer verputzt und untersichtig farbig bemalt. Sie waren für das ästhetische Programm der Kapelle aber nie ausschlaggebend. Bei einigen scheint es sich um Fehlbrände oder Zweitverwendungen zu handeln.
In der Heimatliteratur wurde immer wieder die Vermutung geäußert, die Schlußsteine der Kapelle wären Ausschußmaterial aus den Ziegeleien des Franziskanerklosters, für das sie ursprünglich bestimmt waren.
     Der Gestaltungsschwerpunkt im Innenraum der Heilig-Geist-Kapelle lag auf den großartigen Malereien des Gewölbes. Die ursprüngliche Gewölbefassung konnte durch die restauratorische Untersuchung rekonstruiert werden. Es finden sich drei unterschiedliche Gestaltungsformen. Von einigen Schlußsteinen, aber auch von Rippenkreuzungspunkten und den Kappenzwickeln gehen blaue und rote Strahlen aus und bilden um diesen Ausgangspunkt einen Strahlenkranz von ca. 50 cm Durchmesser. Bei einigen dieser Strahlenkränze sind die Zwischenräume mit blauen oder roten Punkten versehen. Der innere Zirkel ist mit einem intensiven Gelbton unterlegt. Im Zusammenhang mit den blauen oder golden erscheinenden Schlußsteinen ergibt sich der optische Eindruck von »Sprühlichtern« an der Gewölbedecke. Neben den Strahlen wurden um die Schlußsteine auch Kränze aus geflochtenem Blattwerk oder Ranken dargestellt. In einige Kränze sind rote, blaue oder gelbe Blumen eingemalt. Die Gewölberippen trugen eine leuchtende Rotfassung. Auch die Farbgestaltung der Innenwände und der Fenster veränderte sich. Der gesamte Raum erhielt einen neuen Verputz und eine weiße Kalktünchung. Fensterlaibungen und Maßwerk griffen den Rotton der Rippen auf.
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     Der Einzug der Gewölbe blieb für die Außengestaltung der Mauern nicht ohne Einfluß. Die heutigen Fensteröffnungen der Kapelle sind mit der Einwölbung in Zusammenhang zu bringen. Sie liegen genau in den Achsen der Joche und sind niedriger angesetzt als ihre schmalen Vorgänger. Alles deutet darauf hin, daß das Gewölbe unter dem bereits vorhandenen Dachstuhl eingezogen wurde, wodurch sich auch die leicht gedrückten Proportionen des Innenraums erklären. Die Aufdeckung der Malereien relativierte die in der Fachliteratur tradierte Datierung des Gewölbeeinzugs ins Jahr 1476. Eine vergleichbare Arbeit findet man in der Franziskanerkirche von Frankfurt an der Oder, deren Gewölbe mit sehr ähnlichen Malereien ausgestattet ist, die aber erst zwischen 1516 und 1525 entstanden. Auch im Vergleich mit Berliner Bauten liegt die Datierung von 1476 sehr früh. Von 1516 bis 1519 wurde im Franziskanerkloster ein Nordflügel angebaut, in dem fast identische Sterngewölbe anzutreffen waren. Bedauerlicherweise mußte dieser Bau bereits Anfang des 20. Jahrhunderts abgerissen werden, und seine Sterngewölbe sind nur mehr in einer Grundrißrekonstruktion nachzuvollziehen. Andererseits besteht auch keine Veranlassung, die Urkunde, die das Jahr 1476 nennt, in Zweifel zu ziehen. Um so mehr, als Sterngewölbe in verschiedenen Variationen in Berliner Profanbauten bereits ab der Mitte des 15.Jahrhunderts vorkommen. So erscheint eine Umkehrung der bevorzugten Entwicklungsabfolge von der Franziskanerkirche an der Oder zur Heilig-Geist-Kapelle wenn auch nicht wahrscheinlich, so doch zumindest möglich.
     Die Veränderung der Gesamtwirkung der Kapelle brachte wahrscheinlich auch eine Neuausstattung mit sich. Durch einen Zufall haben sich Teile des spätgotischen Altars erhalten. Im 19. Jahrhundert wurden im Zuge einer Renovierung der Kapelle zwei Altarflügel gefunden. In einem ist eine Marienfigur mit Kind, im anderen eine Anna Selbdritt dargestellt. Beide Flügel befinden sich heute im Märkischen Museum.
     Architektonisch sollte sich die Kapelle selbst bis zum 20. Jahrhundert nicht mehr wesentlich verändern. Das sie umgebende Stadtgefüge spiegelt den Gang der Jahrhunderte aber deutlich wider.
     An der südlich des Hospitals zur Spree verlaufenden Heilig-Geist-Gasse befand sich der sogenannte Wursthof, eines der beiden ältesten Schlachthäuser der Stadt. Dieser Teil der Gasse behielt den Namen auch bei, bis durch den Bau der Börse 1860 die Gassen reguliert wurden. An der Ostseite befanden sich kleine Fischerhäuser, später siedelten sich die Tuchmacher an, denen der Wursthof auch einige Zeit gehörte. Im unbebauten Gelände der Gasse bestand bis 1689 ein Walkplatz. Der Teil der Gasse zur Burgstraße hin war schon früh mit großen, vornehmen Wohnhäusern bebaut.
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Ecke Burgstraße wohnte 1443 der Abt von Lehnin. Die reichsten Häuser standen aber an der Spandauer Straße. Hier siedelte sich seit dem 15.Jahrhundert die Oberschicht der Stadt an. Die Häuser standen mit der Giebelseite zur Straße, das Gelände dahinter blieb zu großen Teilen unverbaut.

Einbau von Emporen an den Längswänden

Die bedeutendste Veränderung, die der Innenraum nach dem Mittelalter erlebte, war der Einbau der Emporen an den Längswänden und entlang der Westseite im Jahr 1597. Sie sollten genug Platz für die gewachsene Schar der Gläubigen bieten. An der Westseite lagen sogar zwei Emporen übereinander, wobei man sich die obere eher bescheiden vorstellen muß, da sie hauptsächlich dazu diente, den Zugang zu Glockenstuhl und Dachboden zu gewährleisten. Die Emporen existierten bis 1906, als die Kapelle in den Bau der Handelshochschule integriert wurde. Sie veränderten den spätmittelalterlichen Raumeindruck vollkommen. Das Bodenniveau der Emporen befand sich maximal 1,50 m unter den Konsolen. Die aufstrebenden Rippen müssen die Benutzung des zu den einzelnen Logen führenden Ganges stark erschwert haben.
     In die Felder der Emporenbrüstungen waren Gemälde eingefügt, die die Werke der Barmherzigkeit und biblische Szenen zeigten. Erfreulicherweise konnten die meisten der Tafelbilder aus den Emporenbrüstungen wieder aufgespürt werden. Heute befinden sie sich in den Dorfkirchen Mariendorf, Zehlendorf und Tempelhof sowie in einem Seniorenheim.

Aus Quellen des 18. und 19. Jahrhunderts kann man von ca. 40 Gemälden ausgehen, davon ist der Verbleib von 27 Tafeln bekannt, die Existenz 17 weiterer Bilder ist nachgewiesen, die Tafeln selbst sind aber verschollen.
     Im Zuge des Emporeneinbaus 1597 wurde der Raum mit einer Neufassung versehen. Die Wände blieben weiß, die Fensterlaibungen und Gewölberippen trugen einen dunklen Rotton mit weißen Fugenstrichen. Die Schlußsteine erhielten teils bemalte, mit Leim aufgeklebte Papierapplikationen, teils waren sie dunkelblau gefaßt. Die Konsolen blieben wahrscheinlich unverändert. Die Gewölbekappen erhielten eine weiße Grundierung mit in Resten nachweisbarer ornamentaler Fassung. Diese Reste deuten auf eine ähnliche Gestaltung, möglicherweise eine Wiederholung der spätmittelalterlichen Gewölbemalereien hin.
     Im 17. Jahrhundert veränderte sich das Umfeld der Kapelle. Im Jahr 1634 wurden die beiden Bastionen vor dem Spandauer Tor angelegt, wodurch es seine Funktion verlor. Die Häuser an der Spandauer Straße waren zumindest in der Vorderfront aus Stein gebaut und in ihren Fassaden wahrscheinlich erheblich breiter als ihre mittelalterlichen Vorgänger. Das Hospital erhielt um diese Zeit auch seine südliche Begrenzung. Die Fundamente der ehemaligen Grenzmauer des Friedhofs konnten bei den Ausgrabungen im vergangenen Jahr noch festgestellt werden. Sie entsprechen in ihrem Verlauf genau der auf dem Schultzschen Plan von 1688 dargestellten bogenförmigen Mauer mit dem großen Portal.
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Da die nun freigelegten Fundamente einige ältere Gräber überbauen, muß angenommen werden, daß sich der Friedhof ursprünglich weiter nach Südosten erstreckte, als bisher angenommen. Die gefundenen Münzen aus den Gräbern sowie Keramikfunde und Tonpfeifenfragmente aus der Baugrube datieren die Errichtung der Mauer um die Mitte des 17. Jahrhunderts, wohl nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648). Weitere am Friedhof aufgedeckte Massengräber sind wahrscheinlich mit den Pestjahren im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts in Zusammenhang zu bringen. Zwischen 1655 und 1702 diente die Kapelle auch als erste Garnisonskirche der Stadt. An diese Episode erinnert der Epitaph des Garnisonspredigers Christoph Nagel, dessen Kopie sich heute am Eingang zur Kapelle im Vestibül der Universität befindet. Einiges spricht dafür, daß der Friedhof um die Mitte des 17. Jahrhunderts aufgelassen wurde. Im Inneren der Kapelle fanden nach schriftlichen Quellen noch bis zum Jahrhundertende Beisetzungen statt. Eine endgültige Klärung dieser Frage können nur Ausgrabungen innerhalb der Kapelle erbringen.
     1752 wurde die Kapelle nach einer Inschriftenplatte, die sich im 19. Jahrhundert noch in der Vorhalle befand, »von innen ganz ausgemahlet und erneuert«. Erstmals erhielt sie eine monochrome Innenausgestaltung. Die Wände, die Fensterlaibungen und das Gewölbe wurden in einem hellen, rötlichen Ocker gefaßt.
Spätestens zu diesem Zeitpunkt verschwanden die letzten Reste der spätmittelalterlichen Gewölbemalereien. Auch die Konsolen verloren ihre Polychromie. Aus der Inschrift, die über die Renovierung im Jahr 1752 berichtet, geht hervor, daß die Kapelle damals einen neuen Kanzelaltar bekam, der noch auf Fotos aus der Mitte des 19.Jahrhunderts zu erkennen ist.
     Im Laufe des 19. Jahrhunderts verändert sich die Umgebung des Hospitals tiefgreifend. Die Funktion des Bauwerkes an seiner seit Jahrhunderten angestammten Stelle wurde dadurch in Frage gestellt. Die geänderten Verhältnisse werden von folgenden Daten wiedergegeben. Im Jahr 1816 wird der Turm wegen Baufälligkeit abgerissen, 1821 die den ehemaligen Kirchhof umgebende Mauer abgetragen und durch einen Gitterzaun ersetzt, 1823 fällt der Klausner der Erweiterung der Heilig-Geist-Gasse zum Opfer. Zudem stürzt 1822 das im Norden angebaute Gebäude, das im Obergeschoß als Lagerraum genutzt wurde, ein. Anstelle des eingestürzten Hauses errichtete man 1825 einen Neubau mit Kaufläden und Wohnungen.
     Aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammte ein letzter Erweiterungsbau westlich der Kapelle, dessen Aussehen durch einige Fotos überliefert ist. Die Front des mehrstöckigen Gebäudes stieß an die Nordwestecke der Kapelle, verlief also in der Flucht ihrer Nordwand. Bei den Ausgrabungen traten noch Teile des Fundamentes aus Rüdersdorfer Kalkstein und Backsteinen zutage.
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Die Handelshochschule mit eingebauter Kapelle 1906
Die Kapelle selbst wurde zwischen 1827 und 1835 durch den Stadtbaurat Langerhans einer mehrjährigen Renovierung unterzogen. Die Umgestaltung des Baus ist uns durch die Wiedereröffnungsschrift eines der Mitglieder des Kuratoriums des Hospitals, Johann G. Klein, überliefert. Die obere Empore im Westen wurde abgebrochen und der darüberliegende Zugang zum Dachboden vermauert. Auf der verbliebenen westlichen Empore fand eine Orgel in neogotischem Stil Platz, die von Stadtrat Hollmann, einem weiteren Mitglied des Kuratoriums, gestiftet worden war. Eine Bretterwand vor dem Eingang sollte störende Zugluft abhalten.
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Die so entstandene kleine Vorhalle kann maximal zwei Meter Tiefe erreicht haben, da die Bretterwand noch vor der westlichsten Fensterlaibung liegt, wahrscheinlich hat man von der Vorhalle aus über eine Holztreppe die Empore betreten. Belichtet wurde der kleine Raum durch zwei quadratische Fensteröffnungen im Granitsockel der Westfront. Besonders beklagt wurde der schlechte Zustand des Fußbodens, der, wie es in der Wiedereröffnungsschrift von Klein heißt, »möglichst erhöhet und geebnet« und mit Tonplatten ausgelegt wurde. Einige historische Fotografien geben die Kapelle in diesem Zustand wieder. Sie verfügte damals offenbar über ein festes Gestühl. Der barocke Kanzelaltar war noch vorhanden. Die Aufnahmen machen auch die Gedrängtheit und Enge des Innenraums deutlich.

Vom Abrißkandidaten zum Hörsaal der Handelshochschule

Entscheidend für die Geschicke des Hospitals war die Errichtung der Börse zwischen 1860 und 1863. Um 1880 wurde sie zu einem riesigen Komplex erweitert, der die untere Hälfte der Heilig-Geist-Gasse überbaute. Das übriggebliebene Gelände des Hospitals erwarb 1893 schließlich die Berliner Kaufmannschaft, die hier eine Handelshochschule errichten wollte. Nach den ursprünglichen Plänen sollte die Kapelle abgetragen werden.

Doch erhoben sich offenbar unerwartet in der Presse und in der Stadtverwaltung massive Bedenken gegen die Zerstörung des mittelalterlichen Bauwerks. Kurzfristig verfolgte man den Plan einer Wiedererrichtung auf dem neuen Stiftungsgelände in der Reinickendorfer Straße. Dieses Vorhaben erwies sich als undurchführbar. Nach weiteren öffentlichen Protesten gegen einen Abriß entschloß man sich, die Kapelle in den Neubau zu integrieren.
     Ein 1904 ausgeschriebener Wettbewerb wurde durch die Bedingung, die Kapelle zu erhalten und zu einem Hörsaal umzuwidmen, erweitert. Das Kuratorium der Kaufmannschaft legte besonderen Wert auf die Fassadengestaltung des Neubaus, die den übrigen Gebäuden der Kaufmannschaft nicht widersprechen sollte. Demgemäß hatte sich die Fassade in Renaissanceformen zu bewegen. Schließlich wurde der Entwurf der Architekten Cremer & Wolffenstein angenommen, der den Gegensatz zwischen dem dreigeschossigen Hauptbau und der eingeschossigen Kapelle durch einen dazwischengeschobenen Turm löste. Die Bauarbeiten begannen 1905 und waren im Oktober 1906 abgeschlossen.
     Die Kapelle nahm im Gebäudekomplex eine Eckposition ein, an die sich im Norden und Westen die Neubauten anschlossen. Der Eingang im Westen wurde dadurch geschlossen und ein neuer Eingang im Norden, erreichbar vom Vestibül der Handelshochschule, geöffnet.
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Eine besondere Schwierigkeit lag dabei im erheblichen Niveauunterschied der beiden Gebäudeteile, denn die Kapelle lag 1,50 Meter unter dem Niveau des Vestibüls. Die Verbindung der beiden Räume erfolgte über eine kleine Steintreppe, die auch heute noch den Zugang zur Kapelle darstellt.
     Im Zuge des Umbaus wurde natürlich auch das Innere weitgehend verändert. Die Emporen und sämtliches Mobiliar verschwanden. Die Tafelbilder von den Emporenbrüstungen wurden in ein umlaufendes Holzpaneel integriert. Im Westen des Raumes wurde ein Rednerpodium errichtet, in der ehemaligen Türöffnung fand die Tafel Platz.
     Dieser Zustand blieb bis zum Zweiten Weltkrieg unverändert. Kurz vor Kriegsende wurden die Tafelbilder ausgelagert. Die Kapelle erhielt zwei Granattreffer, wovon einer noch immer im Dachraum der Südmauer steckt, der zweite beschädigte Teile des Ostgiebels. Bei den Wiederherstellungsarbeiten 1947 wurde das Holzpaneel entfernt. Im Westen wurde wieder ein zweiter Eingang angelegt. Am Außenbau wurden die Strebepfeiler entfernt. Die Kapelle sollte in Zukunft als Mensa benutzt werden. Im Lauf der anschließenden Jahrzehnte erfolgten immer wieder kleinere, meist unzureichende Arbeiten. Ab den späten siebziger Jahren wurden die Bemühungen, ausgelöst durch den zunehmenden Verfall, intensiviert, zunächst das Dach neu gedeckt und die gesamte Fassade gereinigt.
Im Innern der inzwischen wieder als Hörsaal genutzten Kapelle wurden entlang von Süd- und Ostmauer Heizungskanäle gezogen, die mit gußeisernen Gitterelementen abgedeckt sind. Diese Heizung ersetzte die sich unter den Fenstern befindlichen Radiatoren. Eine weitere dringende Restaurierung des gesamten Innenraums einschließlich der Gewölbe verzögerte sich immer wieder und konnte bis heute nicht begonnen werden.
     Die Bundeshauptstadt ist nicht mehr reich an sichtbaren Zeugnissen ihrer mittelalterlichen Vergangenheit. Die erhaltenen gotischen Backsteinkirchen wie die Franziskaner-, die Marien- und die Nikolaikirche litten stark unter den Zerstörungen des Zweiten Weltkrieges. Die Sicherung der Ruinen und ihr Wiederaufbau sind sehr verdienstvoll. Um so mehr muß die Unversehrtheit der Heilig-Geist-Kapelle als Glücksfall betrachtet werden. Sie ist sozusagen von Kopf bis Fuß, vom hölzernen Dachstuhl bis zu den Steinfundamenten, als mittelalterliche Bausubstanz im Zentrum einer modernen Großstadt überliefert. Ihre Restaurierung und eine ihrer Bedeutung angemessene Nutzung sollten auch ein öffentliches Anliegen sein.

Bildquellen:
Zeichnung von L. L. Müller, Deutsche Bauzeitung 1906,
Fotoarchiv Landesdenkmalamt Berlin

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© Edition Luisenstadt, Berlinische Monatsschrift Heft 7/1998
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